10. November 2003

Der späte Ruhm des Samuel von Brukenthal

Zum Gedenken an den vor 200 Jahren verstorbenen siebenbürgischen Gubernator Samuel von Brukenthal (1721 – 1803) veranstaltete der Verein der Siebenbürger Sachsen in Wien am 17. Oktober im Festsaal des Hauses der Heimat einen Vortragsabend. Als Redner war der Tübinger Historiker Prof. Dr. Dr. Harald Zimmermann geladen, seit langem Mitglied des Vereins.
Der Referent schilderte die „Traumkarriere“ des Leschkircher Bauernbuben zum Stellvertreter der Kaiserin und des Kaisers in dem damals (1765) zum Großfürstentum erhobenen Siebenbürgen. Sie begann bescheiden mit einer Praktikantenstelle im Hermannstädter Magistrat und setzte sich, nach einem wegen des preußisch-österreichischen Krieges abgebrochenen Studium in Halle und Jena, nicht ohne Verzögerungen fort. Als Brukenthal im Auftrag der sächsischen Nation 1753 in Wien weilte, muss er der Kaiserin Maria-Theresia aufgefallen sein. Er konnte in den Staatsdienst überwechseln, ins siebenbürgische Gubernium, wurde dann 1764 als siebenbürgischer Kanzler nach Wien geholt und schließlich 1777 Gubernator. Die Wahl zum Sachsengrafen hatte die Kaiserin 1761 nicht bestätigt. Konfessionelle Gründe haben damals eine große Rolle gespielt. Auch die höchste Würde der Sachsen sollte mit einem Katholiken besetzt werden. Brukenthals berühmte Devise „fidem genusque servabo“ (meinem Glauben und Volk werde ich treu bleiben) klingt laut Teutsch wie die Antwort auf ein Ansinnen zur Konversion. Es gab im Zeitalter der „Aufklärung“ manche Konvertiten zum Katholizismus nur aus Karrieregründen. Die Wiener Regierung akzeptierte ungern die siebenbürgische Religionsfreiheit und nützte sie bloß, um in Österreich missliebige Protestanten, die „Landler“, nach Siebenbürgen abzuschieben.

Martin van Meytens (1695-1770): Samuel von Brukenthal (nach 1762). Öl auf Leinwand, Brukenthalmuseum in Hermannstadt.
Martin van Meytens (1695-1770): Samuel von Brukenthal (nach 1762). Öl auf Leinwand, Brukenthalmuseum in Hermannstadt.

Umso bemerkenswerter ist, dass die Kaiserin Brukenthal zu ihrem Geheimrat machte. Als solcher figuriert er am Maria-Theresien-Denkmal in Wien. Offen hat sie bekannt: „Ich pflege ja nichts zu tun, was er mir nicht rät“. Dass sie auch andere auf seinen kompetenten Rat verwies, macht verständlich, dass Brukenthal viele Feinde hatte. Es ist ihm auch keineswegs alles gelungen, was er während seiner Amtszeit durchsetzen wollte. Erinnert sei nur an seinen Plan einer Universitätsgründung in Siebenbürgen, der freilich auch am Widerstand der eigenen Kirche scheiterte. Besser schien es, an den berühmten evangelischen Hochschulen Deutschlands ausbilden zu lassen. Dabei war Brukenthal auch Mitglied des 1753 gebildeten Oberkirchenrats in Hermannstadt, eines der ersten evangelischen Konsistorien in der Habsburg-Monarchie.

Die damalige Verwaltungspraxis machte es notwendig, historisch zu argumentieren. So schrieb Brukenthal eine „Geschichte von unserer Abkunft, von den Beweggründen unserer Herbeirufung, von unseren Rechten, Freiheiten und Verdiensten“. Dabei entdeckte er die spektakuläre Maxime des ungarischen Reichsgründers Stephan des Heiligen (997-1038), dass ein Land mit nur einer Sprache und Sitte schwach sei, man daher Fremde („hospites“) berufen solle. Hauptsächlich aber ging es um die Verteidigung der damals bezweifelten Echtheit des Andreanischen Freibriefes von 1224. Manche Gegner der Sachsen folgerten aus deren Ansiedlung auf „Königsboden“, dass sie nichts anderes als königliche Leibeigenen seien, und sprachen von der „Keckheit, mit der sich die Sächsische Nation die Autonomie angemaßt habe“. In den Nöten des Siebenjährigen Krieges forderte Wien von den Sachsen die Nachzahlung des seit dem Andreanum vorgeschriebenen Martinszinses von jährlich 500 Silbermark, obwohl der Kaiser vor rund 50 Jahren gegen andere Leistungen darauf verzichtet hatte: Nur eine Ratenzahlung dieser Unsumme binnen 77 Jahren konnte Brukenthal im hartnäckigen Wiener Finanzamt erwirken.

Unter dem ungeduldig, gleichmacherischen Kaiser Josef II. (1780-1790) gelang es dem alt gewordenen Gubernator schon ganz und gar nicht, mit seinen gründlichen „Aide Memoires“ (laut Josef: „Quark“) Gehör zu bekommen. Es ging dem Kaiser alles viel zu langsam, und so kam es 1787 zu Brukenthals Entlassung „in mildester Erwägung Eurer Exzellenz durch so lange Dienstjahre erschöpften Kräfte“. Die geringe Pension wurde durch die Verleihung des Großkreuzes des Stephansordens nicht ausgeglichen.

Das Toleranzedikt von 1781 hatte im toleranten Siebenbürgen kaum Bedeutung, umso mehr das Konzivilitätsdekret Josef II. vom gleichen Jahr und die Aufhebung der Sächsischen Nationsuniversität 1784. Nun erst wurde deutlich, welch kleine Gemeinschaft die Sachsen unter den anderen Nationen Siebenbürgens waren und wie dringend sie einen Fürsprecher bei Hofe brauchten wie Brukenthal, „ein Mann niederer Abkunft, ein Sachse, ein Protestant“ (so Kaiser Leopold II. 1790).

Der Baron war bei seiner Entlassung immerhin schon 65, also im Pensionsalter. Was seinen Ruhm ausmacht, dazu ist er (wie viele Pensionisten) erst jetzt gekommen, nämlich ganz seiner Sammelleidenschaft zu frönen. Mit einer Münzsammlung hatte es begonnen, wovon er 1753 dem Kaiser ein Geschenk machte. Die Mineraliensammlung erwuchs aus dienstlichem Interesse, um über die Bodenschätze Siebenbürgens Bescheid zu wissen. Am berühmtesten ist die zuletzt 1 000 Stück zählende Pinakothek, deren Anfänge schon in den Wiener Jahren liegen, so dass man die Rückübersiedlung Brukenthals nach Hermannstadt 1774 schon wegen des Verlustes dieses „Museums“ in Wien bedauerte. In Brukenthals Bibliothek mit ihren 16 000 Bänden sammelte sich in Hermannstadt eine Lesegesellschaft, die man durchaus eine kleine Akademie der Wissenschaften nennen kann. Bekanntlich hat Brukenthal sein ganzes Vermögen testamentarisch der nach ihm benannten Hermannstädter Schule hinterlassen und war das in seinem Palais eingerichtete Museum eine der ersten öffentlich zugänglichen Museen in der Habsburg-Monarchie. Das bei einem berühmten Wiener Bildhauer bestellte Brukenthal-Denkmal ist 1812 beim Transport nach Hermannstadt bei Arad im Mieresch versunken. Aber der Herr Gubernator braucht kein anderes Denkmal als sein Museum und das gute Gedenken, das wir ihm bewahren.

H. Z.


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgiasche Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2003, Seite 1 und 14)

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