Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur

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seberg
schrieb am 23.02.2010, 10:07 Uhr (am 23.02.2010, 10:37 Uhr geändert).
Ach Johann...dass du meine Art zu diskutieren wiederholt und auf diffamierende Art meinem Beruf anlastest, zeigt doch nur deine Argumentationsschwäche, was sonst?

Sag doch gleich und gib offen zu, dass du deine pauschale und emotionalisierende(!) Äußerung – mit der du ja auch Schlesak selbst diffamiert hast – dass nämlich die Parteimitglieder „in der Regel freiwillig einer Verbrecherorganisation“ beitraten, nachträglich zurücknimmst und abschwächst.
Ebenso wie du erst nachträglich auf die Unterscheidung zwischen Vor- und Nach-Ceausescu-Zeit hinweist, nachdem du sie zuvor großzügig vermischt hast, so wie es dir in deine „Argumentation“ passte. Sauber?

Von bankban lese ich einen unaufgeregten, ausgewogenen Text, dessen wohlwollender Ton Vernunft möglich macht und mich zum Nachdenken und besserer Einsicht anregen kann.
Johann
schrieb am 23.02.2010, 10:14 Uhr
@seberg

ich muss nichts zurücknehmen, da die Formulierung "in der Regel" außer in böser Absicht, von Niemand so interpretiert wirde, dass es keine Ausnahmen gibt.

Wie du weißt, mache ich bewußt keine Verallgemeinerungen bzw. habe diese immer kritisiert.
seberg
schrieb am 23.02.2010, 10:20 Uhr (am 23.02.2010, 13:23 Uhr geändert).
@Johann: Natürlich machst du ständig Verallgemeinerungen indem du Regeln aufstellst, auch wenn und gerade weil du dich nachträglich auf die Ausnahmen berufen musst.

Regeln sind Verallgemeinerungen!

Richtig ist wahrscheinlich, wenn du sagst: du machst bewusst keine Verallgemeinerungen, bzw. dass du es nicht willst.

Dafür aber machst du umso emotionsgeladenere: "freiwillig einer Verbrecherorganisation" beitreten...

(das ist jetzt übrigens nicht psycho-, sondern einfach nur logisch!)
Lavinia
schrieb am 23.02.2010, 10:44 Uhr
@Johann: "@Lawinia
"Ich errinere mich, dass Sie sich wiederholt darüber beschwerten, dass andere mit Ihrem Namen Schindluder betrieben. Wie wäre es, wenn Sie dies mit meinem Namen unterlassen würden?"

Könnte damit vielleicht...'Johannes' gemeint sein?
"Schindluder treiben" ist was anderes. Der Vergleich ist lächerlich, Johann. Aber vielleicht legen Sie dann auch mehr Wert auf eine korrekte Ansprache. Lavinia, nicht Lawinia. Danke.

Johann: "Und wenn Sie dann auch noch zu einem distanzierten, gepflegten Diskurs fähig wären (z.B. ohne mich zu duzen), dann könnten wir ja auch wieder Argumente austauschen."

Wenn Sie mir gegenüber weniger emotional reagieren würden, wären wir vielleicht von ihrem Wunsch nach Austausch von Argumenten nicht sehr weit entfernt...Ich habe Sie nicht geduzt. Ich habe Sie lediglich mit Ihrem Nickname angesprochen. Den können Sie allerdings auch gerne in "Herr Johann" ändern, wenn das Ihrem Empfinden nach "distanziertem und gepflegtem Diskurs" entgegenkommt...
Bei der Überbetonung der Form, sollte man den Inhalt nicht ganz vernachlässigen...

Karin Decker
schrieb am 23.02.2010, 10:50 Uhr (am 23.02.2010, 10:51 Uhr geändert).
@ bankban:

Ich gebe Ihnen sehr Recht in der Meinung, dass die stückweise durchgeführte Aufdeckung ehemaliger Kollaborateure des rumänischen Unterdrückungsstaates rachsüchtige und unerträgliche Züge aufweist.

Aber der von Ihnen zitierte sehr gute Gegenvorschlag von getkiss, man möge doch ein internationales Institut zu diesem Behufe gründen, bewegt sich notgedrungen in konjunktivischen Konstrukten.

Deshalb werde ich, bis zur Gründung dieses Institutes (glauben Sie denn wirklich daran, dass es zu dregleichen kommen könnte?) bei meiner These, dass nur der dauernde Tropfen den Stein höhlt, was wiederum bedeutet, dass Richard Wagner mit seiner Methode derzeit goldrichtig liegt.
bankban
schrieb am 23.02.2010, 11:04 Uhr (am 23.02.2010, 11:12 Uhr geändert).
@ Decker: von einem Institut sprach ich nicht, getkiss auch nicht. Die Rede war von der Gründung einer AG (= Arbeitsgruppe) unter der Leitung/Verantwortung/Federführung eines Instituts. Das ist gang und gäbe, so wurden in Rumänien Raporte zum Holocaust in Rumänien und zu den Verbrechen des komm. Regimes erstellt.
Die Gründung eines eigenen Institut wäre fürwahr unwahrscheinlich, ist aber auch unnötig, denn es gibt derer genügend. Präzendenzfälle für die Gründung einer AG wiederum gibt es, daher ist es nicht illusorisch, so etwas anzustreben.
Die Deutungshoheit über solche historische Vorgänge Laien und Opfern wie Wagner zu überlassen, ist genauso, also würden wir über die Rückgabe enteigneten Vermögens etwa das Kraftsfahrzeugamt bestimmen lassen und nicht ausgebildete Richter. Solche Methoden, die Sie zugleich als "rachsüchtig" ansehen, auch noch "goldrichtig" zu nennen, ist bedenklich. Es ist zwar menschlich nachvollziehbar, dass Wagner aufgeregt und empört ist genauso wie manche/viele Aussagen von Grosz skandalös sind - doch bedeutet dies nicht, dass man den Umgang mit den Akten nicht professionalisieren müsste und dass man die Motivforschung auch im Falle von Grosz nicht behutsam und umfassend betreiben müsste. Und für Letzteres hat Wagner nun einmal nachgewiesenermaßen weder das Handwerkszeug noch (bedingt durch sein Involviertsein) die nötige Distanz.
Lavinia
schrieb am 23.02.2010, 12:48 Uhr
Der Vorschlag (AG) bankbans ist sehr richtig. Aufarbeitung ist, meiner Einschätzung nach, aber nicht nur die Aufgabe von Historikern sondern auch eines jeden Einzelnen. Also gehört sie genausogut auch unter das Volk, also auch hierher, unter die Dichter, die Pfarrer usw. Auch die Vorstellung, dass Betroffene emotionslos damit umgehen (könnten) ist lebensfremd und deshalb mag die Forderung nach Versachlichung fromm sein, jedoch genauso lebensfremd. Für meine Begriffe auch nicht wünschenswert. Emotionen sind wichtig, denn allzuoft verkommen Gesten, denen im Zuge der Versachlichung die Emotionalität entzogen wurde, zu bedeutungslosen Ritualen. (Jetzt mal ganz abgesehen davon, dass "Objektivität" ein Konstrukt ist...die Diskussion hatten wir ja bereits)
bankban
schrieb am 23.02.2010, 15:17 Uhr (am 23.02.2010, 15:38 Uhr geändert).
@ Lavinia
"die Vorstellung, dass Betroffene emotionslos damit umgehen (könnten) ist lebensfremd"
Stimmt, das habe ich ja im Falle von Wagner eben kritisiert.

"und deshalb mag die Forderung nach Versachlichung fromm sein, jedoch genauso lebensfremd."
Stimmt nicht: weder ist sie fromm noch lebensfremd, vielmehr die Voraussetzung dafür, nicht mehr in Schuldzuweisungen zu verfallen.

"Für meine Begriffe auch nicht wünschenswert. Emotionen sind wichtig,"
Ja, wenn es um Memoiren, um Interviews etc. geht. Nicht wenn es um eine nüchterne Analyse der Vorgänge geht.

"denn allzuoft verkommen Gesten, denen im Zuge der Versachlichung die Emotionalität entzogen wurde, zu bedeutungslosen Ritualen" -
Rituale sind m.E. wiederholte Handlungen zumeist mythisch-mystisch-transzendentalen Inhalts. Sie werden durch ihre sinnentleerte Wiederholung tatsächlich irgendwann bedeutungslos. Doch genau deshalb muss der Teufelskreis durchbrochen und die Emotionalität unterbunden werden mit allen ihren Konnotationen. Jetzt haben wir Rituale, also wiederholte Zwangshandlungen, durch Wagner. Ihr Sinn mag sich manchen erschließen, vielen auch nicht. Durch die wiederholte Ausführung der Entlarvungen sind sie jedoch mittlerweile weitgehend sinnentfremdet wenn nicht sogar sinnentleert geworden. Deshalb muss, um der Aufarbeitung neues Leben einzuhauchen, diese in die Hände von professionellen Leuten gelegt werden, die unter Einsatz einer Fachsprache und mit dem nötigen Hintergrundwissen versehen die damaligen Vorgänge in die schon erwähnten mikro- und makropolitischen Kontexte einordnen können. Das schließt nicht aus, dass nebenbei Filmregisseure Dokumentarfilme drehen, dass Romane entstehen, Bilder gemalt werden oder meinetwegen auf der Couch das Erlebte erzählt wird: emotional, tränenreich oder gar hysterisch.

Aber nach alldem bisherigen Emotionalisieren ist die Zeit der Politologen, Historiker, Anthropologen und Soziologen gekommen.
Karin Decker
schrieb am 23.02.2010, 15:49 Uhr (am 23.02.2010, 18:56 Uhr geändert).
@ bankban:

Wenn Sie Möglichkeiten sehen, die Securitate-Verstrickungen, die sich bis zu den fortbestehenden Verflechtungen in der bundesrepublikanischen und rumänischen Gegenwart erstrecken, einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen, dann bleibt es, bis es dazu kommt, dennoch einstweilen beim Konjunktiv, also bei der Möglichkeitsform.

Als „goldrichtig“ habe ich die Kampagne gegen die ehemaligen Securitatemitarbeiter nicht mit Blick auf die Erfüllbarkeit von Rachegelüsten bezeichnet (dies bleibt der von Ihnen zu Recht kritisierte schäbige Nebenaspekt), sondern im Hinblick auf die Signalwirkung solcher Outings, die schließlich Leute auf den Plan rufen, die willens und fähig sind, eine solche AG ins Leben zu rufen, wie sie Ihnen vorschwebt.

Wenn der einzelne die Untersuchungen jenseits wissenschaftlicher Methoden durchführt, gleichsam aufgrund des Selbststudiums seiner eigenen CNSAS-Akte, und die daraus gewonnenen und der Öffentlichkeit präsentierten Ergebnisse den jeweiligen Erkenntnisstand kennzeichnen, passiert genau das, was wir in diesem Forum erleben: Wir laufen gefahr, die Sicht auf die Vergangenheit tendenziös zu verstellen, indem wir den Ereignissen unsere eigene Deutung geben, bewirken damit vielleicht eine späte Genugtuung gegenüber allen am rumänischen Nationalkommunismus aktiv Beteiligten, betreiben aber im Grunde ein recht unsinniges Unterfangen.

Wenn wir Verhaltenskorrekturen in der Gegenwart und für die Zukunft herbeiführen möchten, – dieses scheint mir nämlich der wichtigste Grund für eine „Aufarbeitung“ zu sein –, sollten wir uns bemühen, die Strukturen der rumänischen Diktatur und ihres Unterdrückungsapparates möglichst wahrheitsgetreu zu analysieren. Das kann aber nur aufgrund intensiver Forschung geschehen, die um Objektivität bemüht ist.

Es ist doch höchst kontraproduktiv, wenn wir alle und jeden dafür verdammen, dass er oder sie auch nur perifer involviert war! Wo alle schuld sind, ist keiner schuldig, hatte dem Inhalt nach Hannah Arendt einst formuliert.

Eine ehemalige Parteizugehörigkeit zur P.C.R. ist zweifellos ein heikles Thema. Wenn wir eine solche Mitgliedschaft aber überbewerten, relativieren wir im gleichen Maße die Untaten der Securitatespitzel. Die Partei war, soviel ich weiß, nur für die kommunistische Doktrin verantwortlich. Schlimm genug, aber auch zuweilen durch Idealismus zu entschuldigen. Oft auch nur damit, dass man einfach „seine Ruhe hatte“, wenn man ein Mitglied der „Rumänischen Sozialistischen Partei“ wurde und dadurch seinen Beruf und sein Privatleben unbescholtener gestalten konnte.

Die wirklich gefährlichen Kräfte, welche für die nationalistische Ausprägung, die Kontrolle und Unterdrückung der Minderheiten Rumäniens, für die Verfolgung von Missliebigen und letztlich auch für die Abwicklung des Menschenhandels mit ausreisewillig gemachten Deutschen zuständig waren, verfügten über die Zusatzqualifikation zum Securitatemitarbeiter und arbeiteten als solche an der sich immer totalitärer gebärdenden Diktatur der Eheleute Ceauşescus.

Es sind nämlich die von der Securitate angelegten Strukturen, – und weniger die weiter wirkende kommunistische Ideologie der Partei (wo wäre diese Ideologie heute überhaupt noch aufzuspüren? Bei der PSD, vermutlich.) –, die so viel Beständigkeit besitzen, dass sie immer noch zum Wohl ihrer Mitglieder und zum Leid ihrer Opfer agieren. In dem, was von der Securitate übrig blieb oder aus ihr hervorging, sind die neuen Gefälligkeitsverbindungen, die Förderer der Korruption, die Verteidiger der mit Hilfe des Kommunismus gestohlenen Güter und die Leugner fortbestehender Menschenrechtsverletzungen zu suchen.

Diese Täterkreise aufzudecken und mit wirksamen Methoden handlungsunfähig zu machen, wäre ein Ziel, das nicht allein mit der Aufklärung der „kommunistischen Vergangenheit Rumäniens“ haderte, sondern für eine „Zukunftsbewältigung“ in einem möglichst korruptionsfreien EU-Staat Rumänien sorgen würde.

Solange aber selbst bei den westlichen Demokratien wenig Interesse für das schonungslose Offenlegen des Securitatenetzwerks, – oder gar eine „Entnazifizierung“ (weshalb sollte man ein anderes Wort für die gleiche Notwendigkeit erfinden?) der rumänischen Gesellschaft –, besteht, fürchte ich, dass nur immer wieder neu geoutete und an den Pranger gestellte Täter für eine gewisse Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegenüber des anhaltenden skandalösen Zustands der faktisch vereitelten Aufarbeitung des rumänischen Nationalkommunismus sorgen werden, – so bedenklich das aus Gründen der Menschlichkeit (denn diese sollte auch vor Tätern nicht Halt machen) auch sein mag.

Wie könnte man von unseren Verbänden, der deutschen Regierung, der rumänischen Regierung, der Europäischen Union, oder gar der UNO verlangen, dass es zu einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Securitate-Vergangenheit und ihres Fortwirkens in der Gegenwart kommt? – Vermutlich wäre die sizilianische Mafia nicht zu einer so mächtigen Organisation herangewachsen, wenn sie ein paar Jahrzehnte nach ihrer Gründung als progressive Befreihungsorganisation einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen worden wäre.
Lavinia
schrieb am 23.02.2010, 17:16 Uhr
Aus dem Interview mit Ernest Wichner bezüglich Peter Grosz:

"Es ist in Gang gekommen, dass die Öffentlichkeit jetzt eher ein Gehör dafür hat. Ansonsten ist es eine Koinzidenz. Das liegt daran, dass diese rumänische Behörde, die den Nachlass der Securitate verwaltet, jahrelang die Freigabe von Akten verweigert hat. Und eben letzten Sommer haben sie die Spitzelberichte an Richard Wagner, Gerhard Ortinau, William Totok und eine Reihe anderer plötzlich freigegeben und denen zur Lektüre überlassen.

Schäfer-Noske: Müssen wir denn uns nun auf weitere Enthüllungen gefasst machen?

Wichner: Ja. Es wird noch einige Namen geben, die man nennen wird müssen."

Und, Schriftsteller, um "Versachlichung" bemüht...;-):

"Die Securitate-Akten, die kriegt man nicht ausgehändigt. Ich habe mich dort als Forscher angemeldet und kriege deshalb Zugang zu diesen Akten. Jetzt wissen wir eben nur, wer welcher Informant war. Wir wissen nicht, was die Securitate von Amts wegen betrieben hat, wie sie gearbeitet hat."

www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/1130985/
Lavinia
schrieb am 23.02.2010, 18:05 Uhr
@Bankban. Natürlich hast Du im Großen und Ganzen vollkommen Recht und wie (fast) alle hier im Forum schätze ich auch Deine überlegte, präzise, sachliche Herangehensweise und Deinen Sachverstand.
Ich unterstelle Richard Wagner keine niedrigen Motive. Ich denke allerdings, dass er strategisch denkt, was ihm nicht unbedingt anzulasten ist. Ich denke sogar, dass seine Handlungsweise effektiv ist und sein sollte, d.h. die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit längere Zeit auf das Thema lenkt und somit, durch ein länger anhaltendes öffentliches Interesse, 'Folgeschritte' wahrscheinlicher macht. Außerdem wird jedem auch die Möglichkeit eingeräumt, sich selbst zu outen. Mich nervt auch der "Seriencharakter" der Enthüllungen nicht. Entlarvung ist der erste Schritt. Dass dies in der Öffentlichkeit und mit der Öffentlichkeit geschieht ist für mein Empfinden ein 'demokratischer' Vorgang. Ganz abgesehen davon, dass er im Moment keine andere Möglichkeit/Wahl hat.
Wenn wir uns jetzt noch darauf einigen könnten, dass nicht nebenbei, sindern paralell Filmregisseure Dokumentarfilme drehen, dass Romane entstehen, Bilder gemalt werden etc., dann gehe ich auch nicht mehr auf die Nuancen der von mir gemeinten Rituale ein...;-).


Joachim
schrieb am 23.02.2010, 18:29 Uhr
Das ist doch ganz ähnlich unseren Steuersündern.
Jetzt wo einige in Lichtenstein und der Schweiz aufgefallen sind, gibt es auf einmal unzählige Selbstanzeigen.
Und es gibt noch genug die pokern.....
bankban
schrieb am 24.02.2010, 08:07 Uhr (am 24.02.2010, 08:18 Uhr geändert).
@ Lavinia
"Ich denke sogar, dass seine Handlungsweise effektiv ist und sein sollte,"
Ich hätte gesagt: affektiv und nicht effektiv...:-)

"d.h. die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit längere Zeit auf das Thema lenkt und somit, durch ein länger anhaltendes öffentliches Interesse, 'Folgeschritte' wahrscheinlicher macht."
Das mit den Folgeschritten ist eine These, die bislang nicht bewiesen ist.

"Außerdem wird jedem auch die Möglichkeit eingeräumt, sich selbst zu outen."
Ja, das stimmt und dass sie es nicht tun, ist teilweise ein Armutszeugnis. Wobei ich es mir auch seltsam und schwierig vorstelle, wie jemand, der seit 20-30 Jahren ein durchschnittliches Leben weit von der Öffentlichkeit entfernt führt, nun in die Redaktion der FAZ hineinspazieren soll und erklären soll: "Also, wisst ihr, ich hab da so eine Vermutung, dass der Wagner euch demnächst anrufen wird. Ich will dem zuvorkommen und bekenne daher, dass ich..."

"Mich nervt auch der "Seriencharakter" der Enthüllungen nicht. Entlarvung ist der erste Schritt. Dass dies in der Öffentlichkeit und mit der Öffentlichkeit geschieht ist für mein Empfinden ein 'demokratischer' Vorgang."
Das sehe ich anders: es ist weder demokratisch, denn Wagner allein bestimmt den Zeitpunkt und wohl auch die Art der Entlarvung. Was ist daran demokratisch, dass ein Einzelner (oder 2-3 Leute) eine solche Macht erhält? Noch ist es transparent, denn wir wissen nicht, nach welchen Kriterien die jeweils nächste Person ausgewählt, über den Zeitpkt. entschieden wird usw. Also ist das reine Willkür.

"Ganz abgesehen davon, dass er im Moment keine andere Möglichkeit/Wahl hat."
Das kannst du nicht wissen, oder? (Es sei denn, du hast mit ihm telefoniert und er hat dir seine Zwangslage offenbart...:-))) Aber dann enthältst du uns Herrschaftswissen vor.... tztztz...

"Wenn wir uns jetzt noch darauf einigen könnten, dass nicht nebenbei, sindern paralell Filmregisseure Dokumentarfilme drehen, dass Romane entstehen, Bilder gemalt werden etc., dann gehe ich auch nicht mehr auf die Nuancen der von mir gemeinten Rituale ein...;-)."
Klar können wir uns darauf einigen. Mir ging es nur darum, dass Wagner weiterhin am besten seine Romane schreibt ("Habseligkeiten" fand ich gut) und die historisch-politologische Aufklärungsarbeit den Fachleuten überlässt. Denn diese Arbeit erledigen sowohl er als auch Totok miserabel. Verääterisch in dieser Hinsicht ist der von dir zitierte Wichner, ebenfalls ein Schriftsteller, der ja zugegeben hat (du zitierst ihn): "Ich habe mich dort als Forscher angemeldet und kriege deshalb Zugang zu diesen Akten. Jetzt wissen wir eben nur, wer welcher Informant war. Wir wissen nicht, was die Securitate von Amts wegen betrieben hat, wie sie gearbeitet hat."
Natürlich weiss Wichner das nicht, woher denn auch? Vielleicht sollte er die in mehreren Sprachen (Deutsch, Englisch, Rumänisch, Ungarisch) vorliegende Fachliteratur konsultieren, jahrelang Quellenkritik einüben, an Tagungen den Austausch mit Kollegen suchen, deren Werke über Parallelfälle heranziehen usw. ... und dann wird es ihm auch möglich sein, eine hermeneutisch abgesicherte und fundierte Einordnung der Aktenstücke vorzulegen, denn die Akten können eben nicht für sich reden, sondern sie müssen durch diese Facharbeit zum Reden gebracht werden. Diese Arbeit ist wiederum weder durch Schnellschüsse á la Wagner/Totok noch durch eine Einzelperson im Kämmerlein zu leisten. Daher meine gestrige Forderung nach einer Professionalisierung und der Einrichtung einer AG. Sie wäre dann für die fachliche Aufarbeitung zuständig, die Künstler hingegen für die künstlerische, die vll. sogar wichtiger ist als die professionelle.

MCRANTA
schrieb am 24.02.2010, 09:58 Uhr
... richtig!... Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps!!!
seberg
schrieb am 24.02.2010, 10:09 Uhr (am 24.02.2010, 10:20 Uhr geändert).
@bankban: deinem Plädoyer für eine Art Kunst der „versachlichten Emotionen“ in der Diskussion um die früheren Spitzel kann man sich nur anschließen.

Aber wenn ich dich jetzt richtig verstehe, dann hätte Wagner zu dieser ganzen Geschichte der Securitate-Spitzel schweigen und Romane schreiben sollen. Nicht dass ich Wagner in Schutz nehmen will(in eine "Schublade" will und kann ich ihn übrigens eben so wenig stecken, wie dich), aber wenn ein heute noch einflussreicher früherer Securitate-Offizier in Zeitungs-Interviews offensichtliche Verdrehungen und Lügen verbreitet, wie geschehen, hatte Wagner als direkt Betroffener zunächst allen Grund, mit seinen journalistischen Mitteln, die eine Emotionalisierung bei diesem Thema wohl kaum verhindern können, dagegen anzugehen.

Deine Forderung nach Versachlichung vorheriger (auch) journalistischer Emotionalisierung ist ja übrigens selbst auch zumindest z.T. schon und gerade eine Folge dieser Emotionalisierung. Beides gehört ja irgendwie zusammen, wie auch Lavinia richtig andeutete. Du gehst doch sicher nicht davon aus und bist sicher nicht dafür, dass Künstler, Journalisten und Wissenschaftler von einander und von ihrer Arbeit gegenseitig nicht Kenntnis nehmen und sich beeinflussen lassen sollten.

Eine ähnliche Forderung wie deine konnte man gestern übrigens von Tismaneanu in der EvZ lesen, fast wortgleich mit deiner. Sinngemäß sagt er:

„Es ist Zeit für die Erneuerung einer konzentrierten Erforschung des Kommunismus in Rumänien...Es sollte jetzt Schluss sein mit dem Viktimisierungs-Theater, wir sollten uns ein Projekt überlegen, wie in Übereinstimmung mit international gültigen akademischen Standards, auf der Grundlage eines soliden methodischen Vorgehens...die Forschung über den rumänischen Kommunismus organisiert werden kann“.

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