„Kreuzzug für die Freiheit“

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Don Carlos
schrieb am 05.02.2009, 12:30 Uhr
Der 1 000 000 Dollar-Anschlag der „Securitate“ – Antwort auf den„Kreuzzug für die Freiheit“? –

Radio“ Freies Europa“ und „Radio Freiheit“ als destabilisierende Faktoren des osteuropäischen und sowjetischen Kommunismus?

Die Ankündigung des Berichts über 50 Jahre RFE versprach einiges. Der Bericht selbst aber, der partiell ins Leere ging und eine ernsthafte Thematik agentenromanhaft trivialisierte , konnte die hohen Erwartungen, die ein mit der Materie vertrauter Insider anlegte, jedoch nur unvollkommen erfüllen. Er blieb an der Oberfläche, lieferte zum Teil unverifizierte Thesen, streute Gerüchte, nährte Mythen und sagte nur sehr wenig Konkretes aus – zumindest aus meiner Sicht entstand der Eindruck, die Dokumentation sei nur für Zuschauer gemacht, die noch nie etwas von RFE gehört hatten. Alles wurde nur angerissen, nichts vertieft!
Wie hätte man auch 50 Jahre Ost-West-Konfrontation, Kalter Krieg, die Aufstände und Erhebungen in Berlin, Budapest, Prag bis hin zum Sturz von Diktator Ceausescu in der knappen Sendezeit überhaupt einfangen können?
Doch einige Bilder prägten sich ein: Der 1 000 000 Dollar-Knall an der RFE-Pforte im Englischen Garten, ein Coup im Auftrag der verbrecherischen „Securitate“ – und der „Rhizinus-Anschlag mit präpariertem Regenschirm, den der Bulgarische Geheimdienst auf einen Schivkow-Kritiker unternahm, auf einen Kritiker, der es gewagt hatte, den Nimbus eines kommunistischen Diktators anzugreifen. (Ich weilte seinerzeit in Genf (Februar 1981), um dort die UNO-Klage gegen das Ceausescu-Regime auf den weg zu bringen – exponiert und nicht minder gefährdet.)
In dem Bericht, der zweifellos nicht von Kennern der Materie erarbeitet wurde, kamen zahlreiche nichtrepräsentative Zeitzeugen (Hörer) zu Wort, darunter auch eine Person, die sich überhaupt nicht mehr an die gesendeten Inhalte von RFE erinnern konnte. Dabei wurde nicht differenziert, ob Radio Liberty in der Sowjetunion unter dortigen Bedingungen gehört wurde oder RFE in Ungarn, Rumänien und in der Tschechoslowakei.
Die „Opfer“ wurden nicht gehört. Nicht angemessen gehört und interviewt wurden die Mitwirkenden an der Front im Studio wie der Siebenbürger Sache Acker, der durchaus mehr und Tieferes hätte sagen können.
Sehr schlecht vertreten war das Thema „Menschenrechte“. Der von Ronald Reagan in den 50ger Jahren propagandistisch gestartete „Kreuzzug für die Freiheit“ wurde unter Präsident Jimmy Carter durch eine „Menschrechtskampagne“ ohne Vergleich abgelöst – wobei sich die US-Regierung von den bis 1971 propagierten Lüge, RFE/RL werde privat finanziert, distanzierte.
Der Sender RFE, über dessen Schließung in dieser Zeitung in den Monaten Juli/August 2008 berichtet und kommentiert wurde, lebte von exilierten „Dissidenten“.
Er arbeitete mit ihnen zusammen, er förderte ihre literarischen und geistigen Werke und ihre freie Meinungsäußerung über den Stacheldraht hinweg – aber er instrumentalisierte sie auch, wenn sie das hinnahmen und unkritisch mitwirkten.
Auch über die Frage, was der Sender RFE für die im Ostblock verbleibenden Dissidenten bedeutete, erfuhr man in dem Bericht nichts.
Unter hohem persönlichen Risiko habe ich nach meiner Ausreise im Herbst 1979 mit RFE zwei Interviews gemacht, (während andere systemloyale Schrifsteller „deutscher Zunge“ aus dem Banat und Siebenbürgen der Rumänischen Kommunistischen Partei , RKP, noch jahrelang zujubelten, unter anderm auch als RKP-Mitglieder! ) Eines über die Oppositionszeit in Rumänien in den Jahren 1977-1979 (Goma-Bewegung bzw. über mein Hineinschlittern in die Dissidenz und in die antikommunistische Bürgerrechtsbewegung) – und ein weiteres über die Gründung der Freien Gewerkschaft rumänischer Werktätiger SLOMR in Temeschburg (Temeswar) im März/April 1979 ( also vor fast genau 30 Jahren).
Das erste, knapp einstündige Gespräch wurde mehrfach gesendet. Das zweite Interview zu SLOMR hingegen schon nach Wochen „gelöscht“!
Weshalb?
Makropolitische Interessen waren ausschlaggebend – und nicht naive Behauptungen ( mit Desinformationsabsicht), Washington hätte nichts von dem Vorgehen in den Redaktionen von RFE in München gewusst.
Kurz vor dem Schließen des Senders RFE ( ich protestierte dagegen in einem Offenen Brief an Direktor Jeff Gedmin, im Internet auffindbar) – rumänische Abteilung, die nur noch ein Kurzprogramm aus Prag ausstrahlte, sendete „Europa Libera“ vier Rezensionen und mit Interviewstatements zur „Symphonie der Freiheit“. Widerstand gegen die Ceausescu-Diktatur“ in rumänischer Sprache. Das Gespräch mit mir (Carl Gibson) führte RFE-Korrespondent aus Berlin William Totok. (Der rumänische Text wurde in der Zeitschrift „altitudini“ (Rumänien, August) abgedruckt.
Summa summarum – über das gegenseitig sich befruchtende Wechselverhältnis von Geben und Nehmen zwischen Dissidenten und einem Sender, der ursprünglich als Propaganda-Sender der Amerikaner und als Mittel des Kalten Krieges zur Destabilisierung des Kommunismus im Osten gestartet worden war, dann aber doch auf die Karte „Wahrheit“ setzte ( wenn auch nicht immer!), über die Unterstützer und Helfer der Ost-Dissidenten im Westen hätte der Bericht näher eingehen sollen.
Da noch zahlreiche Einzelfragen hier angesprochen werden können, eröffne ich mit diesem Beitrag gleichzeitig auch eine Diskussion im Forum, das auch das Kapitel RFE unter das große Thema „Vergangenheitsbewältigung im Kommunismus“ fällt.
Deshalb, getkiss, ist es wichtig, den Vergleich den Kommentators "Weiheitsborn" entschieden zurückzuweisen. RFE und RL ebenso die Voice of Amerika, BBC Deutsche Welle und andere Sender des freiheitlichen Westen fuhren gut damit, auf die „Wahrheit“ zu setzen und über Fakten zu berichten, während die Propagandasender der Kommunisten von Radio Moskau bis zu den Sendern der DDR bis zuletzt, bis zum Fall der Mauer an der großen Lüge festhielten, die das Wesen des Kommunismus ist.
Carl Gibson


getkiss
schrieb am 05.02.2009, 13:20 Uhr
Danke, Don Carlos, für die Details.
Es wäre löblich,deswegen, wenn auch andere über Ihre Erfahrungen, Erlebnisse und warum nicht, über die von Ihnen empfundene Wahrheit dieses Senders berichten würden.
Und den Nachbarn, die über mein geöffnetes Fenster, das Freie Europa und die Deutsche Welle mithörten, vielen Dank.
Auch an die, die nicht mehr zwischen uns weilen....
Denn, wenn auch welche "befragt" wurden, so hat man mich darum nie offiziell belästigt. Und das soll schon was heißen. Und der Freund aus unserem "Billiard-Kreise", der sich mit Goma öffentlich solidarisierte und deswegen schnell aus "der Staatsbürgerschaft entlassen wurde", war bestimmt "im Objektiv". Es war aber nicht mehr die Zeit der "Schwarze-Kirche-Prozesse", das Regime war schon vielfältig in Mißkredit gefallen und hatte andere Probleme, vor allem mit denen, die wie Gibson, Courage hatten...
Don Carlos
schrieb am 05.02.2009, 13:46 Uhr (am 05.02.2009, 14:52 Uhr geändert).
Ja, getkiss,
in Sackelhausen, Billed oder Temeschburg (Temeswar) RFE Radio Europa Libera zu hören, war in den Jahren 1977-1979 "keine Heldentat", vielmehr eine Art Volkssport.
(Einige hörten nur die Hit-Präsentationen von Nestor Ratesh!)
Wagen mit "Peilsender" gab es nur in der Stadt.
Unter den Nazis des Dritten Reiches hingegen wurde das Hörern von Feindsendern wie BBC als "Wehrkraftzerstetzung" geahndet und mit dem Tod bestraft.
Wir Dissidenten im Obskuren hörten fast täglich RFE und orientierten uns danach - mit Briefen an Eugen Ionesco, an die UNO, an den Sender selbst etc.
(Und wir sicherten uns ab, indem wir die "Tonband-Protokolle" an RFE schickten! Das war eine Art "Lebensversicherung" im Kommunismus, während sonst in Land der Begriff Versicherung unbekannt war.

Der Sender RFE war für uns stets "glaubwürdig".Wir waren gutgläubig und etwas naiv. (Der RFE-Materie habe ich in der "Symphonie der Freiheit" 3 Kapitel gewidmet und dargelegt ( Lockruf des Goldes) wie man mich über das objektive Informieren im Interview hinaus auch noch zu künftiger Kooperation ködern wollte.
(Einige Regimekritiker griffen aus der schieren Not heraus zu diesem Strohhalm, um im Westen zu überleben.
Das lehnte ich damals ab.

Als Doina Cornea zu Beginn ihrer Dissidenz an Europa Libera schrieb, glaubten die Redakteure dort an ein "Pseudonym" und gaben ihre wahre Identität preis.Mit entsprechenden Konsequenzen für die mutige Frau.
(Über solche Dinge hätte der Bericht reden müssen.)
Europa Libera bedeutete neben politischer Information (KSZE-Thematik nach 1975, Menschrechtsbewegungen, Charta 77 , Goma etc. auch viel Literatur und Kultur, verbotene Dichter, Exilköpfe etc.
Vieles was Solschenizyn geschrieben hatte,der Archipel Gulag, einiges von Paul Goma, war nur über RFE zu vernehmen.
Monica Lovinescu und Virgil Ierunca brachten die "Teze si antithesze de la Paris" - pagini uitate, pagini cezurate...

(Selbst die Linken aus der "Aktionsgruppe" und dem Adam-Müller-Guttenbrunn-Kreis hörten RFE - nur hatten sie keine Lust, "Dissidenten" zu sein.)
Der Kulturfaktor ging in dem Bericht gestern ganz unter. Wer RFE nie hörte und als "Wert" empfand - als Licht in finsterster Dunkelheit", der wird die sinnsetzende Funktion des Senders auch niemals ermessen können.

Für uns Verfolgte war RFE bis in die Zelle hinein die Stimme der Freiheit und metaphysischer Trost zugleich - Hoffnung eben!
Die Unbekannten unter den Andersdenkenden wurden von der Securitate fertig gemacht und waren verschwunden, noch bevor die Welt von ihrer Opposition erfuhr.
(Auf der vorletzten Buchmesse fiel mir am rumänischen Stand eine Insider-Veröffentlichung zur Geschichte von Europa Libera auf. Als ich an der Symphonie schrieb, konnte ich nicht alle Details genau recherchieren - z.B. die nach meiner Information "tödliche " Messer-Attacke auf Emil Georgescu von "Actualitatea Romaneasca" - er soll erst später verstorben sein.
Meine Interviews zur SLOMR bzw. zur antikommunistischen Opposition in Rumänien führte ich seinerzeit (November 1979) mit Max Banus. Noel Bernard, der mich empfangen hatte, starb bald darauf "rätselhaft" an Krebs.(Nicht anders als der erwähnte Vlad Georgescu, der die Pacepa-Passagen senden wollte. Monica Lovinescu wurde auf der Straße von Securitate-Schläger-Trupps verprügelt.Ich erhielt 1981 telefonische Drohungen. Paul Goma erhielt Briefbomben und wurde in der Metro von Montreal von Securitate-Agenten bedroht. ( Er, der prominenteste rumänische Dissident im Exil, galt als RFE-Mitarbeiter.
Nach meiner Kenntnis können alte Interviews von RFE in der amerikanischen "Library of Congress" aufgefunden werden. Ob die "gelöschten" auch dabei sind,ist mir unbekannt.
Carl Gibson.
getkiss
schrieb am 05.02.2009, 15:55 Uhr
Don Carlos schrieb: Ja, getkiss,
in Sackelhausen, Billed oder Temeschburg (Temeswar) RFE Radio Europa Libera zu hören, war in den Jahren 1977-1979 "keine Heldentat", vielmehr eine Art Volkssport.
...Wagen mit "Peilsender" gab es nur in der Stadt.
...


Kleine Korrektur. Zwischen 1970-1986 lebte ich in Kronstadt, ab 1972 in einem Wohnblock im Bahnhofsviertel.
Ob es da Peilsender gab, keine Ahnung....
Im übrigen, Dank für die namentliche Erinnerung an die politische Komentatoren...
Don Carlos
schrieb am 05.02.2009, 16:27 Uhr
Im letzten Sommer protestierte ich bei RFE Direktor Jeff Gedmin ( den Deutschen als strammer Konservativer aus dem Lager "Bush" in Berlin bekannt) gegen die Schließung des Senders Europa Libera für Rumänien mit dem Hinweis auf die RKP und Securiate - Nachfolger im Rumänischen Parlament ( nach Präsident Basescu sind es etwa 120 an der Zahl!), natürlich ohne den politischen Beschluus aus Washington ( nach dem EU-Beitritt Rumäniens) abändern zu können.

Wer - aus nostalgischen Gründen - das "aici Europa Libera" noch einmal in rumänischer Sprache hören will, der kann es über den RFE-Sender für die "Republik Moldova" tun, der fortbesteht und die "Rumänen" dort mit aktuellen Informationen versorgt, die sich auch heute von "Radio Moskau" und der offiziellen imperialen Politik des Kreml unter Putin/Medwedjew unterscheidet. Carl Gibson.

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