Podiumsdiskussion: „Unser Verband. Unsere Gemeinschaft. Unsere Zukunft“

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joker
schrieb am 26.05.2008, 23:50 Uhr
Mich würde Eure Meinung auch zu den anderen Wortbeiträgen aus der Podiumsdiskussion interessieren! Interessiert Euch die Podiumsdiskussion in DKB überhaupt?

Wie seht ihr die Zukunft der Siebenbürger?
Wie seht ihr die Frage nach der Identität? Bedeutet es euch etwas Siebenbürger zu sein, oder tragt ihr das eher nicht nach aussen?

Spielt aus Eurer Sicht der Zeitpunkt der Ausreise (vor oder nach 1990) eine Rolle bei der Definition der (siebenbürgischen) Identität?

Gibt es eine Zukunft für die Gemeinschaft der Siebenbürger? Gibt es die Gemeinschaft bzw. das Gemeinschaftsgefühl überhaupt bei den Siebenbürgern in Deutschland? In welcher Altersgruppe ist es am stärksten?

Was bedeutet die "Umbenennung" von Landsmannschaft in Verband für Euch?
Johann
schrieb am 27.05.2008, 10:07 Uhr
Robert schrieb: Das alle Sachsen an einem Strang ziehen sollten um auch politisch etwas reissen zu können, ist wohl noch nicht bei allen angekommen - wenn man sich so unsere Soxenvereinslandschaft ansieht...

Auf geht´s: Alle in Reih und Glied an einem Strang im Gleichschritt, am besten im Stechschritt mit deutscher Präzision voran.

Wer solche Metaphern benutzt ("an einem Strang ziehen") handelt sicherlich noch im Geiste des 19. Jahrhunderts.
Die Zeit der Galeeren-Schiffe ist vorbei.

Meiner Meinung nach ist es für eine Gemeinschaft entscheidend, dass man an mehreren Strängen zieht bzw. dass man verschiedenen Handlungsmaximen, Handlungsstrategien und Handlungsinstrumente einsetzt.
Daher finde ich es auch sehr gut, dass es eine Vielzahl von Vereinen gibt, mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Strategien.
Man muss ja nicht gleich am selben Strang in unterschiedliche Richtungen ziehen, also ein Gegeneinander betreiben.

Robert schrieb: Fazit: Die Soxengeschichte ist rund 900 Jahre alt und ist nicht so schnell tot zu kriegen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben die Siebenbuerger Sachsen ihre politische Macht verloren und am Anfang des neuen Jahrtausends ist es wünschenswert, politische Repräsentanz in Sachsengestalt (neben Hermannstadt) auch in Bayern und in der EU zu erreichen.

Bald soll ein neuer Kommissionspräsident der EU gewählt werden. Es ist an der Zeit, dass ein Sachse dort den Karren aus dem Dreck zieht ;-))
rhe-al
schrieb am 27.05.2008, 12:15 Uhr
Johann schrieb:
Bald soll ein neuer Kommissionspräsident der EU gewählt werden. Es ist an der Zeit, dass ein Sachse dort den Karren aus dem Dreck zieht ;-))


...ich schlage Johann dafür vor
seberg
schrieb am 27.05.2008, 14:16 Uhr
Robert schrieb:
...am Anfang des neuen Jahrtausends ist es wünschenswert, politische Repräsentanz in Sachsengestalt (neben Hermannstadt) auch in Bayern und in der EU zu erreichen.


Am bemerkenswertesten an diesem Satz finde ich das in Klammern gesetzte „neben Hermannstadt“: tatsächlich findet seit einiger Zeit in der Hauptsache dort sächsische Politik statt, durch die den hiesigen sächsischen „Politikern“, soweit es sie gibt, auf spektakuläre Art die Show gestohlen wird und sie gewissermaßen zur „neben“-Sache macht. Die gewichtige Präsenz bei der Dinkelbühler Podiumsdiskussion von Vertretern aus dem real existierenden Siebenbürgen ist wohl eine vernünftige, wenn auch für viele vielleicht schmerzhafte Konsequenz daraus.

Etwas überpointiert könnte man sagen, für das stramm-und-treu-sächsische Fußvolk, das Jahrzehnte lang mit einer phantasierten/virtuellen Identität aus dem 19.Jh (Johannis) an der Nase herumgeführt wurde, ergibt sich daraus plötzlich die paradoxe und wohl schwer erträgliche Situation, sich entscheiden zu müssen, von wem es sich lieber „überfremden“ lassen will: von den Türken (und anderen EU-Bürgern) in Deutschland (siehe die siegreiche Fussballmanschaft in Dinkelsbühl), oder von den Rumänen in Siebenbürgen.
Auf der rasanten Fahrt in eine veränderte (schlechtere/bessere?)Identität bitte gut festschnallen!
schneeglöckchen
schrieb am 27.05.2008, 16:10 Uhr
@Johann: Was hast du für ein Problem mit der Wendung "an einem Strang ziehen"? Du wirst doch zugeben, dass es bisweilen nützlich ist, eine Sache gemeinsam voranzutreiben, sprich an einem Strang zu ziehen, oder?
Und seberg: Warum benutzt du den Begriff "überfremden", der so einen überaus unangenehmen Beigeschmack hat?
Johann
schrieb am 27.05.2008, 16:59 Uhr
schneeglöckchen schrieb: @Johann: Was hast du für ein Problem mit der Wendung "an einem Strang ziehen"? Du wirst doch zugeben, dass es bisweilen nützlich ist, eine Sache gemeinsam voranzutreiben, sprich an einem Strang zu ziehen, oder?

So wie du die Formulierung geschrieben hast, habe ich natürlich nichts einzuwenden. Man kann selten etwas als Einzelner durchsetzen, die Individualisierung hat Grenzen.

Entscheidend ist das Wort "alle", das bei dir fehlt.
Wenn du jetzt auf diesen kleinen, aber gewichtigen Unterschied achtest und meinen Beitrag nochmals liest, dann wirst du sicherlich meine Kritik verstehen (teilen musst du diese ja nicht ).
Robert (Administrator)
schrieb am 27.05.2008, 23:27 Uhr
Johann schrieb: Wer solche Metaphern benutzt ("an einem Strang ziehen") handelt sicherlich noch im Geiste des 19. Jahrhunderts.


Wow, wie man aus einem Strang einen Strick drehen kann.
Und mit dem Stechschritt gehst du einen klitzekleinen Tick zu weit. :(

Also sehen wir uns die Geschichte der Siebenbürger Sachsen in der 2ten Hälfte des 19. Jahrhunderts genauer an.
Bei Wikipedia ist folgendes zu lesen:
"Durch den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich fiel Siebenbürgen 1867 Ungarn zu, worauf die Nationsuniversität, als Selbstverwaltungsorgan, endgültig aufgehoben wurde. Der ungarische Staat traf im Folgenden zahlreiche Maßnahmen zur Magyarisierung der verschiedenen Minderheiten im Staatsgebiet. Von all den deutschsprachigen Minderheiten schafften es die Siebenbürger Sachsen durch einen starken sozialen und kulturellen Zusammenhalt, sowie die unabhängige Basis ihrer Bildungseinrichtungen, das Stiftungserbe der Nationsuniversität, diesen Bestrebungen am ehesten zu widerstehen. Als Institution mit dem stärksten integrativen Vermögen stellte sich die evangelische Landeskirche der Siebenbürger Sachsen heraus, welche eng mit dem deutschen Schulwesen verbunden war. Seit 1722 gab es eine Allgemeine Schulpflicht für Jungen und Mädchen. Außerdem leisteten auch diverse soziale Verbände wie Schwester-, Bruder- und Nachbarschaften sowie die solide wirtschaftliche Grundlage der Minderheit einen entscheidenden Beitrag, die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen nach außen abzugrenzen und nach innen zu festigen."

Also wie war das mit der Abgrenzung nach Aussen nochmal ...

Wie ich schon an anderer Stelle erwähnte, mich persönlich beeindruckt das Gemeinwesen der SbS, dessen Einrichtungen das Wohl des Einzelnen wie das der Gemeinschaft förderten.
Als Beispiel nenne ich immer wieder Carl Wolff den "Raiffeisen Siebenbürgens" der als Reichstagsabgeordneter im ungarischen Parlament und als Direktor der Hermannstädter Allgemeinen Sparkassa eine segensreiche Entwicklungspolitik für ganz Siebenbürgen gemacht hat.

Prof. Dr. Gerhard Michael Ambrosi spricht in einem Referat über Carl Wolff, von einem erfolgreichen Lebenswerk und unterstreicht seine ehrenwerten Ziele ... bspw. "Carl Wolffs großer Traum, die Wurzeln der Siebenbürger Volkskraft für ein fortdauerndes Überleben dort zu stärken, wo sie über mehr als acht Jahrhunderte Zeugnis von einem soliden Erbe gaben".
Weiterhin sagt er in einem Interview für die SbZ über Carl Wolff:
"Zuerst war ich entsetzt darüber, mit was für einem unzeitgemäßem Menschen ich mich da auseinandersetzen musste. Seine Autobiographie schließt mit dem Wunsch, dass am deutschen Wesen die Welt genesen möge - und das in einem Europa, in dem wir uns tunlichst nicht kulturpolitisch auf die Füße treten sollten. Aber wenn man von diesem Zitat zurückblättert, dann merkt man, dass etwas ganz anderes gemeint war. Für Carl Wolff war es Inbegriff des deutschen Wesens, dass man kulturpolitische Vielfalt zulässt, dass nicht nur das Deutsche oder das Ungarische, sondern gerade auch das Rumänische als gleichberechtigte Kultur- und Verkehrssprache zugelassen sein sollte."

Was lernen wir daraus?
Johann
schrieb am 28.05.2008, 07:39 Uhr
Robert schrieb:

Was lernen wir daraus?

Dass es auch Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhundert eine Vielfalt von Institutionen gab, die an verschiedenen Strängen zogen, manchmal sogar an demselben in verschiedenen Richtungen.
Wichtig ist also nicht, dass in einem Verein, dem Verband alles gemacht wird, sondern das sich überhaupt Menschen mit SbS Interessen und Themen auseinandersetzen, in welcher Form auch immer.
Robert (Administrator)
schrieb am 28.05.2008, 09:53 Uhr
Johann schrieb: Dass es auch Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhundert eine Vielfalt von Institutionen gab, die an verschiedenen Strängen zogen ...

na wie jetzt, "handeln im Geiste des 19. Jahrhunderts" ist gut und wir brauchen keinen Fortschritt?

seberg
schrieb am 28.05.2008, 10:46 Uhr (am 28.05.2008, 10:55 Uhr geändert).
Robert, ich finde die Zitate aus Wikipedia und von Ambrosi wirklich interessant und wesentlich, was aber daraus zu lernen wäre, finde ich nicht so selbstverständlich, eindeutig und einfach, als dass sich deine beiden Fragen von selbst beantworten würden.

Besonders die Sache mit der Abgrenzung nach Aussen finde ich schwierig, da sie doch sicher nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile hatte. Einer davon wäre vielleicht, dass nach seiner jahrhundertelangen gelungenen Festigung durch Abgrenzung, das Identitätsbewusstsein möglicherweise die Fähigkeit z.T. eingebüßt hat, auf drastische Veränderungen im Aussen (politisch, sozial, wirtschaftlich) rechtzeitig, flexibel und vor allem freiwillig zu reagieren (also nicht so, wie offenbar jetzt, durch die äußeren Umstände gezwungen). Das wäre ungefähr das, was mit der These von der im 19. Jh. steckengebliebenen Identitätsbildung gemeint sein könnte.

Meinst du das, mit dem Widerspruch zwischen "handeln im Geiste des 19. Jahrhunderts" versus „Fortschritt“?

Und ist es nicht so, dass das ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl nicht nur zum Hindernis, sondern sogar zum Verhängnis werden kann?
Elsi
schrieb am 30.05.2008, 17:42 Uhr
Ich finde die Fragen nach Identität, Abgrenzung, Zusammengehörigkeitsgefühl nicht nur in diesem speziellen siebenbürgisch-deutschen Kontext wichtig, sondern auch im Hinblick auf den supranationalen europäischen Staatenverbund…
Die Bemerkung des Herrn Johannis beinhaltete, meiner Meinung nach, eine gewisse „Rückwärtsgewandtheit“(positiv ausgedrückt: ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein) der SbS. Zum Teil ist sie zurückzuführen auf einen verherrlichenden Rückblick auf die glorreiche Vergangenheit, der im 19.Jh. sozusagen als Ersatz für den verlorenen politischen Status etabliert wurde und eine Stärkung des Selbstbewusstseins der SbS bewirkte.
Auch glaube ich, dass der Schock der Modernisierung noch nicht wirklich verkraftet wurde. Obwohl die Ausreise freiwillig war, ist die Auflösung der traditionellen Strukturen gewaltsam und zu schnell geschehen. Bei der ‚Abgrenzung’ wird die Differenz manchmal überbetont. Die Reaktion ist eine Form scheinbarer Toleranz, welche „den Anderen“ nur integriert, unter der Voraussetzung der Zuteilung einer Funktion. (Die „Fremden“ sind okay, solange ich mich nicht damit auseinandersetzen muß, sie unser Wegziehen aus Ro. bedauern oder uns um unseren Wohlstand/ unsere EU beneiden, etc.). Diese Form der Toleranz lässt jedoch die eigene Überlegenheit durchscheinen. Oder es ist einfache und schlichte Ablehnung, weil der „Andere“ Träger des Bösen, des kulturell Rückständigen, Leistungsschwachen etc. ist und solange er das tut, bleibt man selbst gut, fortschrittlich, leistungsstark...Dass diese Teilung die Abwehr der eigenen destruktiven Anteile beinhaltet, nun, in Verdrängungsmechanismen kennen wir uns aus…
Ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl bedeutet auch eine starke Reglementierung des Gemeinschaftswesens, welche den sozialen Druck auf den Einzelnen enorm verstärkt.
Immer wieder mal auftretende Tendenzen zur Gleichschaltung, die mangelnde Akzeptanz derer, die sich evt. nicht ganz traditionstreu verhalten, die ausscheren, die Verweigerung einer Auseinandersetzung über Tabuthemen – Indizien für althergebrachte Reflexe, die aufgerufen werden…

Wichtig scheint mir, das „Fremde“ als eine der Möglichkeiten menschlicher Kulturverwirklichung wahrzunehmen. Gleichberechtigt mit einer anderen Möglichkeit, die zufällig auch die unsere ist…Die Elemente, Attribute der Kultur fügen sich innerhalb einer Möglichkeit wie Puzzleteilchen zusammen. Aber auch der Austausch von Puzzleteilchen unter mehreren Möglichkeiten bringt das Muster nicht durcheinander. Im Gegenteil, es eröffnet neue Perspektiven. Es macht flexibel, wach, offen.
Das Bekenntnis zu einer Kultur vollzieht sich, so glaube ich, durch Einmischung, durch Kritik üben, durch Interesse bekunden.
Die Entscheidungen, die zu treffen sind, können heute nicht mehr der Elite, den Funktionären, den Politikern etc, überlassen werden. Und sie können vor allem nicht mehr ungeprüft übernommen werden.
Das Interesse für echte Demokratie zeigt sich in der Einmischung, der Kritik, dem Be(nutzen) von Möglichkeiten…

rio
schrieb am 30.05.2008, 23:04 Uhr (am 31.05.2008, 00:28 Uhr geändert).
Was hat denn die Umbenennung für einen Sinn? "Verband" hat so etwas Medizinisches an sich, wer einen hat will von irgendwas genesen. "Landsmannschaft" klingt militant, straff, organisiert, "Verband" ist locker. Aber vielleicht will man nur weg vom "rechten" Touch, der dieser Benennung ("Landsmannschaft") anhaftet? Will man "neutraler" sein, oder politisch korrekt? Oder ist die alte Benennung einfach veraltet und entspricht nicht mehr der Moderne?
Vielleicht will man unter dem "Verband" genesen von den Wunden der Vergangenheit, die man sich als (Lands)Mannschaft im Laufe der Zeit zugezogen hat? Ich weiß es nicht. Vielleicht weiß es ja jemand, der diesen Namenswechsel initiiert hat. Vielleicht gibt er uns Auskunft darüber?
Bis auf weiteres: Am sächsischen Wesen soll (nicht nur) der Verband genesen! So, das wär's meinerseits gewesen.
Gute Nacht Allerseits!
pedimed
schrieb am 31.05.2008, 04:43 Uhr
Hallo rio! Den Verband gabs schon vor der LM.Die LM war nur eine Angleichung an die anderen ähnlichen Organisationen der Vertriebenen nach ´45. mfG
seberg
schrieb am 31.05.2008, 10:39 Uhr
Zu dem Zusammengehörigkeitsgefühl möchte ich nur noch sagen, dass man oft vergisst, dass dieses Gefühl auch eine starke innere irrationale, lustvolle (bzw. destruktive) Komponente hat (quasi als „Herdentrieb-Instinkt“), dem man sich sehr viel schwerer durch bewusste Kontrolle und Widerstand entziehen kann, so wie das beim sozialen Druck und Gruppenzwang von außen (z.B. durch bewusst gesetzte gemeinsame soziale od. politische Ziele – Solidarität), eher möglich ist.

Rio: ich vermute, du hast dass mit dem „sächsischen Wesen“ ironisch gemeint und nicht ernst – ironisch könnte man dann auch sagen: wenn man wüsste, was das ist, das sächsiche Wesen, dann könnte es auch bei der Unterscheidung von Sachsen und Nichtsachsen auf dem nächsten Heimattag helfen nach dem Vorschlag von Doris Hutter zwecks Quotenregelung…
pedimed
schrieb am 31.05.2008, 23:57 Uhr
Laut gestrigen Meldungen ist die Quotenregelung für DE mit 6/5 vorgeschlagen worden.Vielleicht hat das auch für DKB einen Sinn. Warten wirs ab!

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