250 Jahre seit erster Erwähnung der Sprachverwandtschaft mit Luxemburg

20.12.2018, 19:52 Uhr

HG

250 Jahre seit erster Erwähnung der Sprachverwandtschaft mit Luxemburg

Im September 2018 besuchte ich, gelegentlich einer Gesellschaftsreise, ein drittes Mal das Großherzogtum Luxemburg, welches bei uns Siebenbürger Sachsen allgemein als unsere „Urheimat“ empfunden und betrachtet wird. Wie kam es zu dieser Einstellung?
Man schrieb das Jahr 1768, genau vor 250 Jahren. Das Gebiet des heutigen Luxemburg stand unter der Oberherrschaft der Habsburger. Ein Militärgeistlicher namens Franz Xaver de Feller war aus seiner elterlichen Heimat Luxemburg als österreichischern Militärgeistlicher in die siebenbürgische Stadt Bistritz eingeteilt worden. Hier kam er auch mit der Bevölkerung in Kontakt und entdeckte die Sprachverwandtschaft seiner letzebuergischen Mundart mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen. Er verzeichnete in seinem Tagebuch, gehalten in französischer Sprache, übersetzt, Folgendes über die Siebenbürger Sachsen von Bistritz: „Ihre eigene Sprache ist das Deutsch von Luxemburg, mit einigen Abweichungen. Das Wesen, der Wortklang und die Umgangsformen dieser Sachsen sind genau die Gleichen wie die der Luxemburger.“
Die siebenbürgisch-sächsische Mundart wurde im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte Objekt von mehreren Sprachwissenschaftlern untersucht. Dabei überwog die Meinung,dass das Siebenbürgisch-Sächsische dem Letzebuergischen am nächsten steht, näher als zum Beispiel dem kölschen Dialekt, der auch zu den mosel-fränkischen Mundarten gehört. Davon konnte ich mich in Gesprächen mit der Bevölkerung in Luxemburg überzeugen. Beide Gesprächsteilnehmer erwarteten, dass langsam gesprochen wird, und es klappte meist sehr gut mit der Verständigung. Beim Lese des Lëtzebuergischen Teils der Tageszeitung gibt es gar keine Schwierigkeiten. Hört man einen Gesangschor singen, wo man die einzelnen Worte ja meist nicht versteht, kann man nicht unterscheiden, ob siebenbürgisch oder letzebuergisch gesungen wird. Eine diesbezügliche Studie liegt zurzeit in Ausarbeitung vor. Da die Luxemburger Fachkreise davon Kenntnis haben,dass die Siebenbürger Sachsen ja nicht nur aus dem Gebiet des heutigen Luxemburg ausgewandert waren, stellen diese sich auch die Frage, wie es dazu kam, dass sich ihr Letzebuergisches als allgemeine Umgangssprache bei den Siebenbürgern gebildet hat.
Es ist allgemein bekannt, dass unter den vor über 800 Jahren Ausgewanderten sich auch solche aus Flandern befanden. Weshalb Siedler aus dem entfernten Flandern nach Siebenbürgen kamen, soll an dieser Stelle verständlich gemacht werden: Im Jahr 1134 hatte es die bis dahin schwerste bekannte Sturmflut der Nordsee gegeben. Diese hatte das Hab und Gut der Anwohner in solch einem Maße vernichtet, dass viele von ihnen endgültig vom Wasser weg wollten und sich in südlichere Gefilde begaben, um dort ein neues Zuhause zu begründen. Gelegentlich einer Studienreise in dieses Gebiet wurde dies vom Reiseführer berichtet. Diese „Flüchtlinge“ werden sich in den ersten Jahren wohl als Arbeiter das tägliche Brot verdient haben. Als aber ab 1141 die Werber aus dem Ungarland mit größten Versprechungen kamen, waren die Flandener wohl unter den Ersten, die sich in den Karpatenbogen aufmachten.
In anderer Richtung verdient Erwähnung, dass das Großherzogtum Luxemburg, trotz des großen Exodus der Sachsen aus Siebenbürgen, weiter zu ihnen hält. So wurde im Jahr 2004 in Hermannstadt ein luxemburgisches Kulturzentrum in Form eines Luxemburghauses gegründet, an dessen feierlicher Eröffnung Seine Königliche Hoheit der Großherzog Henri von Luxemburg, begleitet von seiner Gattin, der Großherzogin Maria Teresa von Luxemburg, sowie der damalige Hermannstädter Bürgermeister Klaus Johannis, mit Ehefrau Carmen teilnahmen. Die Zusammenarbeit erreichte ihren Höhepunkt 2007, als Luxemburg gemeinsam mit Hermannstadt Europäische Kulturhauptstadt war.
Diese Entwicklungen bestärken unsere Hoffnungen, auch weiterhin, aufgrund der Sprachverwandtschaft, mit Luxemburg in bester Verbindung zu bleiben. In diesem Sinne wollen wir an das 250-jährige Jubiläum der Entdeckung der Sprachverwandtschaft erinnern.

Julius Henning, SBZ Foge 20, vom 15.Dezember 2018

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