5. April 2020

Geistliches Wort der Heimatkirche: Unbedeutendes wird groß

Eine Unruhe nimmt uns gegen unseren Willen gefangen. Irgendwie hatten wir doch alle insgeheim gehofft, Ostern wieder in gewohnter Weise feiern zu können. Es ist aber schmerzlich deutlich geworden, dass dieses mit Sicherheit nicht möglich sein wird. Also fügen wir uns in das Unvermeidliche. Die Karwoche beginnt ohne Hoffnung auf das befreiende Familienfest am Horizont. Wir sind wieder auf die kleinen Dinge und Gesten des Alltags zurückgeworfen. Aber gerade die kleinen Dinge können auf die Osterbotschaft hinweisen.
Palmsonntag und Karwoche

"Jesus war in Bethanien, im Hause Simeons des Aussätzigen und saß zu Tisch. Da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. Da wurden einige der Jünger unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls. Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit bei euch. Sie hat getan, was sie konnte, sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis." (Markus 14, 3-9)

Gott kümmert sich um uns

Manche Dinge fallen uns erst dann auf, wenn wir sie nicht mehr haben. Dann wird uns plötzlich wichtig, was vorher selbstverständlich war. Aus der Ferne verändert sich die Perspektive. Große Probleme werden klein, andere gewinnen an Gewicht. Die Predigt des heiligen Evangeliums dient auch dazu, unsere Aufmerksamkeit für die Dinge zu schärfen, die wirklich relevant sind. Es liegt nahe, die ungewollte Pause in unseren Aktivitäten, welche der landesweite Ausnahmezustand in vielerlei Hinsicht mit sich bringt, in diesem Sinn zu nutzen. Damit haben wir freilich noch keine Garantie, es künftig richtig zu machen. Wir sind schließlich fehlbare Menschen, fern von paradiesischer Ursprünglichkeit und wir sind auch keine Engel. Dennoch fällt auf, dass sich der lebendige Gott besonders um uns Menschen kümmert. ER fragt nach uns: „Adam, wo bist DU?“ Ja, ER fragt uns danach, wie es unserm Nächsten geht, so wie Gott den Kain nach seinem Bruder Abel gefragt hat. Und ER schaut herab von der unendlichen Höhe des Himmels, vor der sich der Turmbau von Babel wie ein winziger Mikrochip ausnahm. Manchmal brauchen wir freilich einen speziellen Anstoß, um wach und aufmerksam zu werden. Achtsam und aufmerksam zu sein, fällt uns unendlich schwer. Deshalb ist Gott Mensch geworden, ein Mensch aus Fleisch und Blut. Auch unser heutiges Predigtwort gibt davon Zeugnis, wenn es davon berichtet, dass Jesus hier bei dem aussätzigen bzw. leprakranken Pharisäer Simeon zu Gast ist. ER ist gekommen zu heilen und fürchtet die Ansteckung nicht. ER ist da einfach souverän, und diese Souveränität zieht auch jene namenslose Frau an, von der unser heutiges Predigtwort berichtet, dass sie in das Haus des aussätzigen Gastgebers kam, ein Alabastergefäß mit echtem, kostbarem Nardenöl in der Hand, das sie zerbrach und auf dem Kopf Jesu ausgoss, um ihn zu salben.
Das Dorf Kreisch (rumänisch: Criș, ...
Das Dorf Kreisch (rumänisch: Criș, ungarisch: Keresd), nahe an Schäßburg gelegen, gehörte der adligen Familie Bethlen. Darum ist das bekannteste Gebäude deren Renaissanceschloss. Die evangelische Kirche ist ein Neubau vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie dient heute 24 Gemeindegliedern vor Ort als geistliche Heimat und ist Bezugspunkt vieler Kreischer aus der neuen Heimat. Foto: Stefan Bichler

Jesus nicht immer bei uns?

Die Frau drückt durch die Salbung ihre Hingabe und Liebe zu Jesus aus. Dass sie in das Haus des aussätzigen Simeon eintritt, um zu Jesus zu gelangen, zeigt, dass sie in Jesus mehr als einen Menschen sieht. Denn Jesus ist wahrer Mensch und wahrer Gott. Wichtig ist auch, dass Jesus ihre Handlung nicht zurückweist. Damit beschäftigen sich nach dem Zeugnis der Evangelisten vielmehr einige der Jünger. Sie verweisen darauf, wie teuer das Salböl gewesen ist, mit dem die Frau Jesus gesalbt hatte. Sie meinen, es wäre besser gewesen, das Geld für die Armen aus zu geben. Jesus weist diesen Gedanken zurück. Arme hätten sie immer bei sich, ihn, Jesus, jedoch nicht. Dieser Gedanke lässt aufhorchen: Jesus ist nicht immer bei uns? Was will und soll damit gesagt sein? Die Antwort liegt in der Beobachtung, dass es offensichtlich möglich ist, Gott auf sehr verschiedene Weise zu suchen. Es ist möglich, den lebendigen Gott mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft zu suchen, IHM wirklich die erste Stelle im Leben und Sterben einzuräumen, auf dass ER sich als der Lebendige erweise. Aber es ist eben auch möglich, ihn zu suchen wie die Hohepriester und Schriftgelehrten ihn suchen, letztendlich um ihn durch eine List zu töten. Genau das aber ist eben falsch.

Unbedeutend aber nicht vergessen

Die Frau aus unserm Predigtwort hat aus unendlicher Liebe und Hingabe Jesu Haupt gesalbt. Jesus bezieht diese Salbung auf sein Begräbnis, geht dann aber noch einen Schritt weiter, der eindeutig seine Macht als Gottes Sohn bezeugt. Denn er sagt: „Wo immer dies Evangelium verkündigt wird, da wird auch berichtet werden, was sie getan hat.“ Da ist schon der Hinweis, dass sich nach Jesu Kreuzigung Seine Macht in der Verbreitung des Evangeliums über die ganze Erde zeigen wird. Das Ereignis, von dem unser Predigtwort berichtet, ist ja an sich völlig unbedeutend. Es fand statt im Haus eines aussätzigen Pharisäers, im Beisein einiger Jünger, ist fast zweitausend Jahre her. Aber es wird von ihm berichtet in nahezu allen Sprachen der Welt. Es ist nicht vergessen, weil hier ein Herz von innen berührt und verwandelt wurde. Das ist die Kraft der göttlichen Liebe, die den Tod überwindet. Amen.
Dr. Dr. des. Wolfgang Wünsch ist Pfarrer von ...
Dr. Dr. des. Wolfgang Wünsch ist Pfarrer von Petersdorf und Dechant des Mühlbacher Kirchenbezirks. Foto: privat
Heiliger, dreieiniger Gott, Vater, † Sohn und Heiliger Geist, wir sagen Dir Lob und Dank für Deine unergründliche Liebe und Barmherzigkeit, mit der Du die Welt und uns geschaffen hast, bewahrst und lenkst. Wir bitten Dich, Menschenliebender, gedenke nicht unsrer Missetat, beendige diese neue Seuche, segne, stärke und beschütze mit Deiner Gnade alle, die die Kranken mit großer Menschenliebe und Opferbereitschaft zu Hause oder in den Krankenhäusern pflegen; bewahre Du Klein und Groß, Mann und Frau, Freund und Nachbar, Haus und Hof, Feld und Frucht, die Dörfer, Städte, unser ganzes Land und die ganze Erde. Nimm von uns Kleinmut, Angst und Zagen. Lass uns das Rechte tun, wo wir können, das Unglück abzuwenden. Stärke uns die Gewissheit, dass nichts uns aus Deiner Hand reißen kann, es sei das Leben oder der Tod. Ja, halte uns fest in der Gemeinschaft mit Dir, bis wir einst vor Deinem Thron das Hosianna singen dürfen mit neuen Zungen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Lied Siebenbürgisches Gesangbuch Nr. 60, EKD Nr. 85: „O Haupt voll Blut und Wunden“ (YouTube)

Eine gesegnete und ruhige Woche von Seiten der Heimatkirche!

Pfarrer Wolfgang Wünsch, Petersdorf

Schlagwörter: Geistliches Wort, EKR, Predigt

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