22. März 2020

Geistliches Wort der Heimatkirche: Gottes Gnade in Zeiten äußerer Not

Der sonntägliche Gottesdienst, Rückgrat der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden über Jahrhunderte, ist in Krisenzeit einige Wochen ausgefallen. Selbst wenn in unserer sonst gehetzten Welt nicht jede und jeder noch zu den sonntäglichen Kirchbesuchern gehörte, so gibt es doch ein Gefühl der Sicherheit, zu wissen, dass irgendwo für mich und die Meinen gebetet wird. Seien Sie versichert, die Heimatkirche, die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, tut das weiterhin, selbst wenn sie es jetzt in gewandelter Form tut – mit dem Geistlichen Wort, das sonntags in der Siebenbürgischen Zeitung Online erscheint.
3. Woche vor Ostern (Lätare)
Gott spricht durch den Propheten: Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser. Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer. (Jesaia 54, 7-10)

Die Babylonische Gefangenschaft

Liebe Gemeinde!
Der historische Hintergrund der Wirksamkeit des Propheten, von dem dieses Bibelwort stammt, ist das babylonische Exil des Volkes Israel. Die Babylonier unter ihrem erfolgreichen Feldherrn Nebukadnezar hatten im Jahr 587 v. Chr. Jerusalem erobert und die Mehrheit des jüdischen Volkes nach Babylon deportiert. Nach 70 Jahren aber wendete sich das Blatt. Im Jahr 538 v. Chr. – nach einem dahingehenden Edikt des neuen Herrschers Kyros – konnten die ersten Rückkehrer sich auf den Heimweg machen.

Die Bibel, ein Buch der Beziehungsgeschichte zwischen Gott und Mensch

Die gesamte hebräische Bibel, die was wir unter dem Namen „Altes Testament“ kennen, kann man als eine Beziehungsgeschichte zwischen Gott und dem Volk Israel lesen. Diese Beziehungsgeschichte kennt Höhen und Tiefen, wobei Gott der stabile und Israel der labile Partner ist. Die Labilität Israels wird deutlich durch seine religiösen und politischen Fehlentscheidungen. Immer wieder sucht dieses Volk sein Heil überall sonst wo, nur nicht bei Gott. Dass Israel sich immer wieder gegen Gott entscheidet, das erschüttert den stabilen Partner Gott zwar nicht; wohl aber wird die Beziehung immer wieder erschüttert. Hilflosigkeit und Enttäuschung, dann aber auch Wut und Zorn sind die Reaktion Gottes auf Israels unverständliches Verhalten. Die theologische Erklärung für die Deportation nach Babylon wird darin gesehen, dass Gott in seinem Zorn Israel für sein Fehlverhalten bestraft „Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen“ (V. 7) oder „Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen“ (V. 8), war für Israel eine der schlimmsten Zeiten seiner Geschichte. Der so genannte „kurze Augenblick“ dauerte immerhin sieben Jahrzehnte. In dieser aussichtslosen, trostlosen Lage ergehen diese Worte des Propheten im Auftrag Gottes: „Mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen“ oder „Ich will dir nicht mehr zürnen und nicht von dir weichen.“
Die Kirche der ehemalig hörigen Gemeinde Bußd ...
Die Kirche der ehemalig hörigen Gemeinde Bußd (rumänisch: Boz, ungarisch: Buzd) bei Mühlbach wurde in einer Bauphase (vollendet 1523) als Saalkirche errichtet. Die ehemalige Bastei ist zum Schulgebäude umfunktioniert worden. Heute zählt die evangelische Kirchengemeinde 5 Mitglieder. Foto: Stefan Bichler

Was kann trösten?

Inwieweit mögen diese Worte den Menschen damals geholfen haben? Wenn wir diese Frage stellen, fragen wir im Grunde nach dem, der hinter diesen Worten steht. Wenn wir diese Frage stellen, fragen wir auch, worin wirklicher Trost bestehen kann, auch für die Menschen heute, die sich in misslichen Lagen unterschiedlichster Art befinden. Es ist letztlich auch eine Frage an uns: Wodurch lassen wir uns trösten und welchen Trost vermögen wir anderen zu schenken? Hören wir noch einmal genau auf den Propheten: Zum einen besagt die Formulierung „kleiner Augenblick der Verlassenheit“, dass es andere, bessere Zeiten gegeben hat und geben wird. Zum anderen aber zeigt die Erinnerung an die Vorzeit [z. B. die Bewahrung Noahs in der Sintflut], dass Gott auch inmitten größten Unheils Bewahrung und Leben schenken kann. Auf diesen positiven Erfahrungen gründet die Zuversicht, dass „wohl Berge und Hügel hinfallen“, aber „Gottes Gnade nicht weichen wird“. Das Verhältnis Gottes zu seinen Menschenkindern wird als ein sehr persönliches beschrieben. Wie ein erneutes Treueversprechen darf Israel nun hören, dass Gott den Bund seines Friedens nicht aufhebt, auch wenn es danach aussieht. Wäre Gott ein Unbeteiligter, ein bloßer Beobachter, dann wären seine Worte hier nur billig, ja wertlos. Von außen, ohne wirkliche Anteilnahme ist auch kein Trost möglich. Der Gott Israels ist jedoch alles andere als unbeteiligt in der Geschichte seines Volkes. Er geht mit und er leidet mit, er ist nicht teilnahmslos, er ist nicht neutral, er ist zutiefst beteiligt. Ja, Gott ist der stabile Partner: nicht nur zwischen ihm und Israel, sondern auch in der Beziehung zwischen uns und Ihm. Auch uns geschieht es immer wieder, dass wir irren; dass wir unser Heil an anderen Orten suchen, als dort, wo wir es suchen sollten, nämlich bei Ihm. Auch wir erleben immer wieder Momente, in denen wir meinen, Gott sei ferne. Auch wir müssen im Laufe unseres Lebens mehr oder weniger fatale Schicksalsfügungen hinnehmen, welche wir nicht mit Gott im Zusammenhang sehen können. Dabei sind die Gnade Gottes und der Bund des Friedens, welchen Er anbietet, stabiler als Berge und Hügel; das gilt auch heute noch, so wie es damals dem Volk Israel galt. Wir müssen nur den rechten Blick dafür entwickeln, denn Gott hat schon längst das Notwendige für uns getan.
Dr. Bruno Fröhlich ist Stadtpfarrer von Schäßburg ...
Dr. Bruno Fröhlich ist Stadtpfarrer von Schäßburg und Dechant des gleichnamigen Kirchenbezirks.

Ausrichtung in jeder Lebenslage

Wir durchschreiten jetzt eine Zeit äußerer Not, wobei wir gar nicht genau sagen können, ob die Virenepidemie selber oder die Hysterie um das Coronavirus das größere Übel ist. Zugleich aber durchschreiten wir in liturgischem Sinne eine andere Zeit, nämlich die Passionszeit. Es gilt diese beiden Zeiten, und was sie uns vermitteln wollen im Zusammenhang zu sehen. Wenn uns das gelingt, werden wir das Paradoxon verstehen, in dem sich unser Leben abspielt: einerseits in einer gefallenen Welt, andererseits in Gott aufgehoben, weil Christus für uns das Nötige getan hat. Gott hat sich in unsere Welt begeben. Er hat Teil am Leben, am Leiden und am Sterben der Menschen und nichts Menschliches ist ihm mehr fremd. Diese Gemeinschaft, zu der Gott uns ruft, ist – weil sie durch den Tod hindurch und über den Tod hinausgeht – fähig zu Trost und Ausrichtung in jeder Lebenslage und sei sie noch so schwer oder so kompliziert. Gottes Worte, vor allem auch die, die der Prophet ausgesprochen hat, sind keine billigen Vertröstungen. Sie laden dazu ein, wozu uns der Name des Sonntages auffordert: „Lätare“, was nichts anders als „Freuet euch!“ meint. Denn „es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.“

Herr, Du Gott unserer Väter, viele Jahrhunderte lang warst Du in Gericht und Gnade nahe denen, die sich zu Dir bekennen. Du warst mit dem Volk Israel in Babylon und in der Rückkehr aus Babylon, Du warst unseren Eltern und Großeltern in Siebenbürgen in allen Nöten nahe. Wir hoffen auf Dich und vertrauen Dir. Auch jetzt und hier bist Du bei uns. Amen

Lied Siebenbürgisches Gesangbuch Nr. 34, EKD-Gesangbuch Nr. 65 „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ (YouTube)

Eine gesegnete und ruhige Woche von Seiten der Heimatkirche!

Pfr. Bruno Fröhlich, Schäßburg

Schlagwörter: Geistliches Wort, Kirche und Heimat, EKR

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