23. Juni 2019

Berthold Köber: Gottes Geist der Gemeinschaft und Freiheit

Den Geist Gottes beschwor Prof. Dr. Berthold Köber, Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD (früher: Hilfskomiteee), am Pfingstsonntag, dem 9. Juni, in dem Geistlichen Wort vor der Schranne in Dinkelsbühl. Die Bindung an Gott habe unsere Gemeinschaft nach den Erfahrungen der schrecklichen NS-Ideologie vor der kommunistischen Ideologie geschützt und könne sie auch vor künftigen Versuchungen bewahren. Dr. Berthold Köbers Pfingstgruß wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben.
Werte Gäste, sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Landsleute und Freunde, Schwestern und Brüder!
Es war der Geist Gottes, der an jenem denkwürdigen ersten Pfingsttag Menschen verschiedenster Herkunft und Sprache zusammengeführt hat zu der einen großen Gemeinschaft der Glaubenden.

Ich glaube, dass es derselbe Heilige Geist ist, der uns hier und heute zusammengeführt hat nicht nur aus verschiedenen Gegenden von Deutschland und Österreich, sondern auch aus unseren verschiedenen Herkunfts- und Heimatgemeinden in Siebenbürgen. Es ist ein lebendiges und buntes Bild, das sich da unseren Augen bietet, ähnlich wie schon vorhin in unserem Festgottesdienst, ein Bild, das Gemeinschaft sichtbar und erfahrbar darstellt.
Prof. Dr. Berthold Köber, Vorsitzender der ...
Prof. Dr. Berthold Köber, Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, sprach das Geistliche Wort vor der Schranne in Dinkelsbühl. Foto: Petra Reiner
Wir feiern 70 Jahre! 70 Jahre, die wir als Gemeinschaft für die Gemeinschaft – so auch das Motto unseres Heimattages – erlebt und gestaltet haben. Das ist mehr als genug Grund zu Dankbarkeit und Freude, aber auch zum Nach-Denken.

Gottes Geist ist ein Geist der Gemeinschaft. Ich glaube, dass es dieser Geist ist, der uns durch die Jahrhunderte hindurch als Gemeinschaft erhalten hat, auch unter ganz anderen Bedingungen als in unserer angestammten Heimat, und unseren Glauben an unseren Herrgott.

Diese Gemeinschaft und dieser Zusammenhalt sind bedroht, wenn Menschen über andere Menschen Macht ausüben wollen und ihnen vorschreiben, was sie zu glauben, zu denken und zu tun haben. Das kann durch brutale, äußere Gewalt versucht werden, aber auch durch innere Zwänge.

Wir haben 500 Jahre seit der Reformation gefeiert. Martin Luther sah sich solchen Zwängen ausgesetzt und erlebte solche Unfreiheit hautnah. Wie begegnete er solchen Zwängen? Er erklärte in größter Öffentlichkeit:

„Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde …, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“

Wer hätte gedacht, dass diese in aller Öffentlichkeit gesprochenen Worte, Weltgeschichte machen sollten, und wer hätte damals, vor ziemlich genau 500 Jahren, gedacht, dass sie heute genauso aktuell sein würden, wie damals!? Dabei war es Luther nur zu deutlich bewusst, dass diese Worte ihm den Tod bringen könnten. Trotzdem wagte er es, dem damaligen kirchlich-politischen Mainstream entgegenzutreten und sich gegen alles von oben verordnete und kontrollierte Glauben, Denken und Sprechen zum ersten Mal in der Geschichte sich auf die Gewissensfreiheit zu berufen. Das war unerhört – und unerhört wirkkräftig – bis heute!

Was gab Martin Luther den ungeheuren Mut dazu, sie anzusprechen und dafür auch mit seinem Leben einzustehen? Sicher nicht eine politische Überzeugung noch Opportunismus noch das Schielen auf irgendeinen Gewinn. Ganz im Gegenteil. Er sagt es selbst: Es ist seine Bindung an Gott, die höchste Macht und Autorität. Es ist die Bindung an den Gott, der die Menschen frei erschaffen, zur Freiheit bestimmt und ihnen die Freiheit eröffnet hat. Unser Gott ist der Garant der Gewissensfreiheit.

Der wirkmächtige Geist unseres Gottes, dessen Kommen wir an Pfingsten feiern, ist nicht ein Geist der Unterwerfung, der Verbote, der Anpassung an den Mainstream, des Konformismus und Opportunismus, sondern er ist ein Geist der Freiheit! „Wenn euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei“, sagt Jesus Christus (Joh 8,36), und Paulus schreibt: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal 5,1)

Freiheit beginnt bei der Gewissensfreiheit. Sie ist der Ausgangspunkt der Freiheit des Denkens und der Meinungsfreiheit, der politischen und der gesellschaftlichen Freiheit, und ist in allen freiheitlichen Verfassungen verankert. Die Gewissensfreiheit ist Grundgedanke und Grundlage des modernen Denkens geworden, ja, sie hat das moderne Denken überhaupt heraufgeführt.

Die Freiheit war auch für unsere Gemeinschaft seit jeher ein hohes Gut. Aber Freiheit und besonders Gewissensfreiheit sind im Laufe der Geschichte immer wieder brutal oder subtil bekämpft und unterdrückt worden. Warum? Sie steht dem Allmachtsanspruch bestimmter Systeme und Menschen entgegen.

Der größte und subtilste Feind der Gewissensfreiheit ist die Ideologie. In den zurückliegenden Jahrzehnten musste unser Volk zwei brutale Ideologien erleben, besser gesagt erleiden. Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat sich unser Volk in den 30er und 40er Jahren mehrheitlich einer Ideologie geöffnet: der des Nationalsozialismus. Das hat unsere Gemeinschaft zutiefst bedroht und sie in die Katastrophe geführt. Was dann folgte, war die kommunistische Ideologie. Dieser Ideologie ist es nicht gelungen, so verheerend zu wirken. Wieso? Wir kommen gleich darauf zurück.

Zunächst lässt sich an diesen Ideologien aufzeigen, was Ideologie ist. Das Wesen jeder Ideologie ist, dass sie halbe Wahrheiten oder Teilwahrheiten als ganze und als einzige Wahrheit ausgibt. Sie erhebt den Anspruch, allein wahr zu sein, und fordert bedingungslosen Gehorsam. Sie lässt keine abweichende Meinung und keine Diskussion über sie zu. Wer es wagte, anders zu denken, wurde verfolgt und bedroht und im schlimmsten Fall liquidiert.

Es gab aber auch subtilere Formen der Bekämpfung Andersdenkender. Anstatt mit ihnen sachlich zu diskutieren, wurden sie diskreditiert, diffamiert, stigmatisiert, gesellschaftlich geächtet und unter fadenscheinigen Gründen aus dem Beruf entlassen.

Überhaupt gehören zum Wesen der Ideologie die Verbote: Denkverbote, Sprachverbote, Verbot bestimmter Worte, Schreibverbote, Redeverbote. Sogar die Sprache wurde der Ideologie angepasst, Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten, Justiz und Medien wurden von der Ideologie unterwandert und ihr dienstbar gemacht.

Die Ideologie ist das Mittel, mit dem eine kleine Minderheit versucht, über eine große Mehrheit Macht zu gewinnen und auszuüben.

Wie schützt man sich vor solcher Vereinnahmung und Versklavung? - Im Glauben sind wir mit dem allmächtigen Gott verbunden. Wir bekommen so Anteil an seiner Kraft. Sie ist in uns wirksam. Das macht uns frei! Frei auch gegenüber allen Machtansprüchen irdischer Herrscher, Systeme und Parteien und ihren Ideologien.

Die Bindung an den allmächtigen Gott entlarvt zugleicht den Allmachtsanspruch der Ideologie, ihre Halbwahrheiten, Verdrehungen der Wahrheit und ihre Lügen. Sie gibt uns die Kraft, all diesen Machtansprüchen zu widerstehen und für die volle Wahrheit einzutreten. Es ist daher nicht zufällig, dass jede Ideologie in Gott ihren großen Feind sieht und versucht, ihn auf verschiedene Weise zu bekämpfen. Sie ignoriert ihn, erklärt ihn für inexistent, stellt den Glauben an ihn als unmodern, überholt und lächerlich dar, verfolgt die an ihn glauben und versucht, den Glauben zu verbieten.

Doch immer hat sich unser Gott als der Stärkere und Mächtigere erwiesen, auch wenn Ideologie in immer wieder neuer Gestalt auftritt und sich allmächtig geriert. Es kommt alles darauf an, Gott als den einen und einzigen Herrn anzuerkennen und in Verbundenheit mit ihm zu leben.

Diese Bindung an Gott war es, die unsere Gemeinschaft nach den schrecklichen Erfahrungen mit der NS-Ideologie davor bewahrt hat, der kommunistischen Ideologie zu verfallen. Wir haben Schutz und Rückhalt und Bewahrung in unserer Heimatkirche und besonders im Gottesdienst gefunden. Viele von uns sind später gerade wegen dieser ideologischen Zwänge ausgewandert - in der Hoffnung auf Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.

Lassen wir uns nicht durch heutige neue Ideologien mit ihrem Allmachtsanspruch und ihren Verboten vereinnahmen. Halten wir fest an unserer Bindung an den allmächtigen Gott. Das macht uns frei von allen Versuchen anderer Mächte, uns zu vereinnahmen und zu unterwerfen. Gottes Geist gibt uns Mut, ihnen zu widerstehen und nicht zuzulassen, dass sie Macht über uns gewinnen. Das erhält unsere Gemeinschaft auch in Zukunft.

Gott allein gebührt Anbetung und Ehre.

Schlagwörter: Heimattag 2019, Kirche und Heimat, Hilfskomitee

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