1. Dezember 2016

Gelungene Integration im Burzenland: Gedanken zum 150. Geburtstag von Andreas Kravatzky

Man schreibt das Jahr 1848. Im Habsburger Reich herrscht Revolution. Kaiser Franz Joseph hat im Dezember den Thron bestiegen. Die Ungarn, auch die aus Siebenbürgen, kämpfen um ihre Selbstständigkeit. Im Burzenland gibt es gewaltige Kämpfe zwischen Sachsen und Széklern. Österreich mobilisiert seine Truppen und zieht nach Siebenbürgen. Bei Podul Olt, nahe Honigberg, kommt es im Frühjahr 1849 zur Schlacht, in der auf österreichischer Seite auch das Galizische Regiment kämpft. Einer seiner Soldaten heißt Johann Krawatzky, von Beruf Fassbinder, 23 Jahre alt. Er beschließt, in Honigberg zu bleiben. Der Lehrer und spätere Schulleiter in Honigberg Andreas Bruss willigt in die Heirat seiner Tochter Rosina mit Johann ein. Ihr erstes Kind, eine Tochter, wird nach sächsischer Sitte Rosina, auf den Namen der Mutter getauft. Das zweite Kind ist ein Sohn, welcher seinem Großvater zu Ehren und zum Dank Andreas getauft wird. Das dritte Kind, ein Sohn, wird den Namen seines Vaters, Johann, tragen.
Im Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4 ist der 21-jährige Andreas Müllner aus der Wiener Vorstadt Alsergrund Sappeur im Rang eines Führers. Auch er kämpft bei Podul Olt. Von Beruf ist er Korbflechter. Auch er wirbt in Honigberg um seine Braut und gründet mit Martha Muerth eine Familie. Sowohl Krawatzky als auch Müllner sind katholischen Glaubens, ihre Frauen jedoch evangelisch. Krawatzky heiratet in Honigberg nach evangelischem Ritus, seine Kinder werden evangelisch getauft, Andreas Müllner hingegen kommt aus der katholisch geprägten Kaiserstadt Wien und hält an seiner Tradition fest. Er heiratet in Kronstadt in der katholischen Kirche in der Klostergasse. Seine Kinder werden katholisch getauft. Er wohnt in der Oberen Vorstadt und Am Rossmarkt/Breiten Bach.
Andreas Kravatzky, Korbflechter und Kaufmann, ca. ...
Andreas Kravatzky, Korbflechter und Kaufmann, ca. 1924. Foto: privat
Die drei Kinder von Johann und Rosina Krawatzky in Honigberg werden noch im unmündigen Alter Vollwaisen. Sie kommen zu den Bruss-Großeltern und werden sächsisch geprägt. Ihr Großvater ist auch ihr Lehrer. Als Andreas (geboren am 21. Oktober 1866 in Honigberg) das Jugendalter erreicht, geht er in die Lehre zum Korbflechter Andreas Müllner nach Kronstadt. In nur 16 Jahren hatten es die Müllner zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht. In der Oberen Burggasse Ecke Schlossergasse kauften sie ein bescheidenes Haus mit Grundstück, bauten es um und erweiterten es um eine Werkstatt. Hier wohnt nun auch Andreas Krawatzky. In der Familie Müllner wird Wiener Deutsch gesprochen. Nach Abschluss seiner Lehrjahre bildet er seine handwerklichen Kenntnisse und Fähigkeiten in Wien fort. Zurück in Siebenbürgen heiratet er in der Schwarzen Kirche die Tochter seines Lehrmeisters, Maria Martha. Mit seiner jungen Frau zieht er ins benachbarte Ausland. In der Calea Moșilor in Bukarest mietet er ein Haus mit Wohnung und Werkstatt. Seine Frau, katholisch geprägt, sucht seelischen Beistand in der nahe gelegenen katholischen Kirche „Baratzia“. Die drei Töchter werden hier katholisch, der Sohn Andreas wird in der Bukarester Martin-Luther-Kirche evangelisch getauft. Auch in dieser Familie wird das Wiener Deutsch gesprochen.

Das rumänische Königshaus bestellt bei Andreas Kravatzky (in seinem Namen hat sich das W in ein V verändert) Korbmöbel und andere Korbartikel. Es beauftragt ihn auch, das Jagdzimmer in Schloss Peleș in Sinaia mit einer geflochtenen Decken- und mehreren Heizkörper-Verkleidungen auszustatten. Andreas Kravatzky erhält den Titel eines königlichen Hoflieferanten. Nach zehn Jahren Bukarest kehrt er mit Familie nach Kronstadt in die Burggasse zurück. Er übernimmt die Werkstatt und das Haus des verwitweten Schwiegervaters. Hier werden dem Ehepaar noch zwei Söhne geboren. Die Großstadterfahrungen aus Wien und Bukarest haben den jungen Mann, Familienvater und Handwerkermeister geprägt. Er engagiert sich gesellschaftlich, tritt der Kronstädter Freiwilligen Feuer bei, wird Kommandant des Löschzuges der Innenstadt und nimmt als Delegierter Österreich-Ungarns am 18. Deutschen Reichs-Feuerwehrtag in Leipzig teil. Auch finden wir ihn als Kirchengemeindevertreter in den Protokollen des Presbyteriums der Schwarzen Kirche. Andreas Kravatzky wird mit einem kurzen Lebenslauf gewürdigt, im in ungarischer Sprache herausgegebenen Büchlein „Berühmte Persönlichkeiten“, Kapitel „Szászföld“, Buchstabe K, Seite 17. Am 13. Januar 1931 findet das Leben von Andreas Kravatzky (65) in Kronstadt durch Herzversagen ein plötzliches, unerwartetes Ende. Sein Erbe wird von seinem jüngsten Sohn Alex Kravatzky weitergeführt.

Andreas jüngerer Bruder, Johann Krawatzky, und seine Schwester Rosina gründeten ihre Familien in Honigberg. Bei der katholisch geprägten Familie Müllner hört die Familienchronik mit dem Sohn Josef auf. Man kann sagen, dass sich die zugewanderten Müllner und Krawatzky im Burzenland sehr gut integrierten. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten sich die Familien Krawatzky aus Honigberg und Kronstadt leider erneut integrieren – in Österreich und Deutschland. Der erste Krawatzky, auch ein Johann aus Honigberg, kam aus der Kriegsgefangenschaft nach Reutlingen. Weitere Familienangehörige reisten mit den Jahren nach Österreich und Deutschland aus – seit 1990 gibt es keinen Krawatzky mehr in Honigberg und Kronstadt. In Honigberg auf dem Hedwig Hof, Haus 431, wohnt noch Anni Hedwig, geb. Hoydo, die letzte Verwandte (ihre Schwiegermutter Rosa war eine geborene Krawatzky).

Johannes Kravatzky

Schlagwörter: Burzenland, Integration, Kravatzky

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