22. September 2015

BdV-Präsident Fabritius: Humanitäre Hilfe war richtig, das Signal „fatal“

Die Flüchtlingskrise beherrscht seit Wochen die Nachrichtenlage. Angesichts des täglichen Zustroms tausender Flüchtlinge über die Westbalkan-Route verschärft sich die Debatte über eine einheitliche Asyl- und Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union. Innerhalb der Berliner Regierungskoalition hat die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vom 5. September, Flüchtlinge aus Ungarn aufzunehmen, zu massiven Schuldzuweisungen aus den Reihen der CSU geführt. So kritisierte der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in der Passauer Neuen Presse Merkels Entscheidung als „beispiellose politische Fehlleistung“, deren Folgen für Deutschland „verheerend“ seien. Ministerpräsident Horst Seehofer sprach in diesem Zusammenhang von einem „Fehler, der uns noch lange beschäftigt“. Mit der Aufnahme von unregistrierten Flüchtlingen habe die Bundeskanzlerin eine Flasche geöffnet, die sich nun nicht wieder schließen lasse, beklagte der CSU-Vorsitzende. In der Kontroverse hat auch der Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, in verschiedenen Medien Position bezogen.
In einem Interview der Deutschen Welle (siehe SbZ-Online-Pressespiegel vom 14. September 2015) unterstützte der CSU-Bundestagsabgeordnete Seehofers Kritik eingeschränkt: „Es war richtig, dass die Bundeskanzlerin mit den beteiligten Ministerpräsidenten sich in einer Notlage (…) zu einer schnellen Lösung bereitgefunden haben. Allerdings ist das Signal, das damit ausgesendet worden ist, ein fatales, wenn ich feststelle, dass Menschen in Flüchtlingslagern im Umfeld von Syrien jetzt aufgrund des Signals (…) der Meinung sind, dass jetzt schlicht alle Menschen nach Deutschland kommen können und wir darauf nur warten.“ Fabritius plädierte für finanziellen Druck seitens der Europäischen Kommission auf jene EU-Mitgliedsländer, die sich - entgegen europäischer Solidarität - nicht an einer Quotenregelung beteiligen wollten. Insbesondere die osteuropäischen Staaten, darunter Rumänien, lehnen eine solche Regelung ab. Entschieden widersprach Fabritius der Behauptung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, die Flüchtlingskrise sei „ein deutsches Problem“. In einem Streitgespräch in Studio Friedmann am 17. September auf N24 distanzierte sich der BdV-Präsident zudem von Orbáns kategorischer Ablehnung eines Zusammenlebens mit Muslimen. Der rechtskonservative Regierungschef Ungarns hatte angesichts des wachsenden Zustroms von überwiegend muslimischen Flüchtlingen vor einer Islamisierung der christlich geprägten Länder Europas gewarnt. „Ich halte es für verheerend“, befand Fabritius, so undifferenziert „eine Islam-Angst zu schüren.“

In einem über dreiseitigen Spiegel-Gespräch (Heft Nr. 36 vom 29. August 2015) weist BdV-Präsident Bernd Fabritius nachdrücklich auf die von seinem Verband eingerichteten „20 hauptamtlich geführten Beratungsstellen für Flüchtlinge“ und „über 200 ehrenamtliche Integrationsberater als Ansprechpartner“ hin als aktiven Beitrag seines Verbandes zur Bewältigung der Flüchtlingsproblematik. Bereits beim Tag der Heimat am 29. August in Berlin (siehe Bericht "Mehr Empathie für Flüchtlinge") hatte sich der Präsident des Bundes der Vertriebenen zu der akuten Flüchtlingssituation geäußert und dazu aufgerufen, „den leidgeprüften Menschen von heute mit noch mehr Empathie zu begegnen“.

Im Rundfunkprogramm Bayern2 (Beitrag vom 10. September 2015, aufrufbar im SbZ-Online-Pressespiegel vom 11. September 2015) konstatierte der BdV-Präsident auf die Frage, ob und inwiefern sich die derzeitige Flüchtlingskrise mit der Situation der deutschen Heimatvertriebenen vor 70 Jahren vergleichen lasse, gravierende Unterschiede zur Nachkriegszeit. „Vergleichbar ist vielleicht das individuelle Trauma-Empfinden, wenn jemand Heimat verliert“, meinte Fabritius, allerdings seien die Begleitumstände ganz andere gewesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien „Deutsche aus ihrer angestammten Heimat vertrieben“ worden und „bei Brüdern und Schwestern angekommen“, „sie hatten damals zum Teil die gleiche Staatsangehörigkeit, sie haben die gleiche Sprache gesprochen, sie hatten das gleiche Werte-Empfinden“. Heute hingegen „kommen Fremde in Deutschland an, aus einem fremden Kulturkreis mit einem völlig unterschiedlichen Werteverständnis“, fast 80 Prozent seien Menschen islamischen Glaubens.

Danach gefragt, wie die Vertreibungsursachen wirksam bekämpft werden könnten, antwortete Fabritius, der auch Mitglied im Auswärtigen Ausschuss ist, der Nordwest Zeitung Online (Interview vom 8. September 2015; siehe SbZ-Online-Pressespiegel vom 11. September 2015): „Es muss ein Zusammenwirken der Staatengemeinschaft stattfinden, wenn es darum geht, die Vertreiber- und Terrororganisation IS zu bekämpfen, die Fluchtregionen zu befrieden und dort für Lebensperspektiven zu sorgen. Entwicklungshilfe ist dabei ein wichtiger Baustein, aber alleine wohl nicht ausreichend.“

Christian Schoger

Schlagwörter: Flüchtlinge, EU, Fabritius, BdV, CSU, Orbán, Seehofer, Friedrich, Bayern, Merkel, Interview, Politik

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