1. September 2015

Neues EU-Erbrecht

Für Todesfälle ab dem 17. August 2015 regelt die bereits in Kraft getretene Erbrechtsverordnung der Europäischen Union (nachfolgend: ErbVO) die internationale Zuständigkeit von Gerichten bei der Abwicklung von Erbfällen neu, wenn Vermögen im EU-Ausland vererbt wird. Zum Nachweis des Erbrechts führt die ErbVO ein neues Dokument zum Nachweis des Erbrechts ein, und zwar ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ), in welchem – jedenfalls dem Prinzip nach – der deutsche Erbschein, das Testamentsvollstreckerzeugnis und die Bestallungsurkunde als Amtsnachweis des Nachlasspflegers zusammengefasst sind (Art. 62 ff. ErbVO). Letzteres soll helfen, grenzüberschreitende Erbfälle leichter anzuerkennen.
Einige wichtige Vorschriften der neuen Erbrechtsverordnung werden im Folgenden vom Bundesrechtsreferenten des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Rechtsanwalt Dr. Johann Schmidt, Nürnberg, kommentiert.

Einheitlich für alle verordnungsteilnehmenden Staaten (Europäische Union mit Ausnahme des Vereinigten Königsreichs, Irland und Dänemark) bestimmt sich das Erbstatut des Erblassers nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt, sofern er nicht eine vorrangige testamentarische Rechtswahl zu Gunsten seiner Staatsangehörigkeit (oder bei Mehrstaatlern: einer seiner Staatsangehörigkeiten, Art. 22 Abs. 1 Satz 2 ErbVO) getroffen hat.

Obiger Grundsatz ist auch für unseren Personenkreis interessant, zumindest für denjenigen, der auch im Herkunftsgebiet Vermögen (insbesondere Grund- und/oder Hauseigentum) hat. Hier ist insbesondere der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes interessant. Innerhalb der ErbVO entscheidet der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers über das Erbstatut (Art. 21 Abs. 1 ErbVO) sowie gemäß Art. 4 ErbVO über die internationale Zuständigkeit der Gerichte. Insofern verweist dann auch Art. 67 ErbVO für die Zuständigkeit zur Erteilung des ENZ. Dem gewöhnlichen Aufenthalt der Erben kommt nach der ErbVO Relevanz u.a. zu für die Möglichkeit, an seinem Heimatgericht rechtswirksame verfahrensrelevante Erklärungen (z.B. Ausschlagung) abgeben zu können (Art. 14 ErbVO). Fraglich sind obige Grundsätze im Hinblick auf die Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes auch für unsere Landsleute, die sich für längere Zeit im Jahr in Siebenbürgen bzw. Rumänien aufhalten und dort und/bzw. in Deutschland bei Nachlassfällen zu vererbendes bzw. zu erbendes Vermögen haben. Hier stellt sich m.E. dieselbe Situation dar wie bei „Mallorca-Rentnern“.

Hier ist sicherlich sorgfältig zu prüfen, wie lang die jeweilige Aufenthaltsdauer beträgt, z.B. die Wohnungsgröße und Ausstattung der Immobilie, die Mitgliedschaft in Verbänden/Vereinen, Häufigkeit von Arzt- und Behördengängen bezogen auf die beiden Aufenthaltsorte (hier: Deutschland und Siebenbürgen/Rumänien).

Selbst wenn der eine oder andere Ort als zwar regelmäßig, aber doch nur vorübergehend angesehen werden kann und der Aufenthalt an diesem Ort damit eher den Charakter eines verlängerten Urlaubs trägt, wird es auf den anderen Aufenthaltsort zur Klärung obiger Fragen entscheidungserheblich ankommen (so auch „Der Deutsche Rechtspfleger“, 123. Jahrgang, Heft 8, Seite 438).

Die Beantwortung obiger Frage ist auch entscheidungserheblich für die Beantragung und Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) sowie die Verwendung eines ausländischen ENZ in Deutschland.

Auch wenn derzeit nichts Rechtsverbindliches und Endgültiges zu irgendwelchen Entscheidungsempfehlungen gesagt werden kann (viele sich ergebende Fragen werden noch von Gerichten zu entscheiden sein), erscheint es derzeit sinnvoll, dass Betroffene eine vorrangige testamentarische Rechtswahl zu Gunsten ihrer (auf jeden Fall einer) Staatsangehörigkeit treffen sollten. Im konkreten Einzelfall wird sich eine Beratung durch qualifizierte Juristen (Notare, Rechtsanwälte) allerdings nicht vermeiden lassen.

Dr. Johann Schmidt, Nürnberg

Schlagwörter: Rechtsfragen, EU, Recht

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