12. April 2018

Neuer Bundesaussiedlerbeauftragter Bernd Fabritius: „Ich empfinde tiefe Freude, Dankbarkeit und Genugtuung“

Mit Dr. Bernd Fabritius avanciert erstmalig ein Siebenbürger Sachse zum Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Bundesvorsitzende Herta Daniel kommentierte die Nachricht als „Gewinn und Verlust“ gleichermaßen: Es sei „ein großer Gewinn, weil noch nie ein Siebenbürger Sachse in einer politisch so hoch angesiedelten Regierungsaufgabe der Bundesrepublik Deutschland mitwirken durfte“, gleichzeitig müsse man künftig „an der Verbandsspitze auf einen äußerst erfahrenen Verbandspolitiker verzichten“. Aus Gründen der Unvereinbarkeit mit seiner neuen Funktion hat der in Agnetheln geborene 52-jährige Jurist sein Amt als Verbandspräsident niedergelegt. Mithin endet eine Ära. Fabritius hat in seiner Amtszeit als Bundesvorsitzender (2007-2015) und Verbandspräsident (2015-2018) maßgebliche Impulse in der Verbandsarbeit gesetzt. Grund genug, Bilanz zu ziehen. Wie hat sich unser Verband in der zurückliegenden Dekade entwickelt, was wurde erreicht und was bleibt vordringlich zu tun? Das nachfolgende Gespräch, das Christian Schoger mit Dr. Bernd Fabritius führte, stellt den Versuch einer kritischen Standortbestimmung dar.
Herr Fabritius, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt, eine wichtige Regierungsaufgabe in Berlin. Haben Sie nach Ihrem Verlust des CSU-Bundestagsmandats vor einem halben Jahr noch mit einer solchen Chance gerechnet?

Nein, auf keinen Fall. Mit solchen Aufgaben kann man nicht „rechnen“. Die Berufung in Regierungsämter erfolgt nach vielen Kriterien, die man selbst kaum bis gar nicht beeinflussen kann. Es kommt neben der inhaltlichen und persönlichen Eignung auf viele weitere Aspekte an, die in Verhandlungen zur Regierungsbildung Einfluss haben. Ein Mandat und auch ein politisches Amt ist darüber hinaus immer eine Aufgabe für eine bestimmte Zeit. Weder ich, noch die Bundestagsfraktion, der ich angehört habe, haben damit gerechnet, dass ich das Bundestagsmandat nach der Wahl nicht mehr haben werde. Im Gegenteil, alle sind davon ausgegangen, dass ich meine Arbeit inhaltlich fortsetzen kann. Deswegen wurde ich von der Delegiertenversammlung auf einen sehr aussichtsreichen, vorderen Platz der Kandidatenliste für die Bundestagswahl gewählt. Dass dieser trotzdem nicht ausreichen würde, war nicht absehbar. Ich habe dann Signale bekommen, dass mein Ausscheiden sehr bedauert und Möglichkeiten gesucht würden, dass ich meine Arbeit gleichwohl fortsetzen kann. Ich habe das als Bestätigung und Wertschätzung meiner bisherigen Arbeit verstanden und mich ehrlich darüber gefreut.

Die offizielle Ernennung zum Beauftragten der ...
Die offizielle Ernennung zum Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten erfolgte am 11. April im Bundesinnenministerium: Bundesinnenminister Horst Seehofer überreicht Dr. Bernd Fabritius die Berufungsurkunde. Bildquelle: BMI

Erstmalig wurde ein Spätaussiedler, ein Siebenbürger Sachse in ein so hohes Regierungsamt auf Bundesebene berufen.

Richtig. Ich sehe darin auch eine Anerkennung und Wertschätzung für uns als Personenkreis insgesamt und ein Bekenntnis der Bundesregierung zu unseren Anliegen.


Was bedeutet diese Aufgabe für Sie persönlich?

Es ist eine sehr große Herausforderung und gleichzeitig eine Chance. Ich trete in Fußstapfen etwa eines Horst Waffenschmidt, eines Dr. Christoph Bergner oder von Hartmut Koschyk, lauter Persönlichkeiten, die in diesem nun seit 30 Jahren bestehenden Amt wichtige Impulse gesetzt haben. Ich erwähne nur die Punktation Waffenschmidt (aus der Regierungsstudie "Punktation zur Versachlichung der Aussiedlerdiskussion" ging hervor, dass Aussiedler im Rentensystem zu hohen Überschüssen führen; die Redaktion), die Sprachenkonferenz zum Schutz der Muttersprache in Hermannstadt oder die für die Familienzusammenführung hilfreiche Härtefallregelung der neunten und zehnten Novellierung des Bundesvertriebenengesetzes. Diese Tradition möchte ich fortführen und mit aller Kraft für die Anliegen der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler, der deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa sowie für die nationalen Minderheiten in Deutschland eintreten. Gleichzeitig möchte ich aus unserer Erfahrung als Heimatvertriebene und Spätaussiedler heraus Impulse in die bundesdeutsche Gesellschaft hinein geben. In Zeiten von Erosionserscheinungen im gesellschaftlichen Zusammenhalt kann unsere Erfahrung hilfreich sein. Es ist insgesamt eine ehrenvolle und gerade jetzt wichtige Aufgabe.

Das Amt des Verbandspräsidenten des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland haben Sie aus Gründen der Unvereinbarkeit mit dieser neuen Funktion niedergelegt. Werden Sie definitiv Präsident des Bundes der Vertriebenen bleiben?

Ich erkenne derzeit keinen Grund, diese Arbeit nicht fortzusetzen. Die Präsidentschaft im BdV ist ein Ehrenamt, in das ich von der Bundesversammlung der Delegierten aller Verbände im BdV gewählt wurde. Ich habe die Absicht, diese Arbeit daher, so lange ich gewählt bin, auch weiterzuführen. Anders ist die Frage einer Interessenkollision im neuen Amt mit einer Fortsetzung der Tätigkeit in unserem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. gelagert. Wir sind ein Aussiedlerverband. Unserem Verband obliegt – anders als dem BdV – die unmittelbare Vertretung von Direktinteressen unserer Personengruppe. Eine Interessenkollision besteht daher bei Aufgabenwahrnehmung in unserem Verband, nicht aber bei der allgemeinen Tätigkeit des Dachverbandes BdV. Der BdV ist nur ein Dachverband, der sich in die Angelegenheiten der landsmannschaftlichen Verbände weder einmischt, noch diese beeinflusst.

Das können Sie kategorisch ausschließen?

Ja, denn das entspricht der Vertretungsautonomie der landsmannschaftlichen Verbände, die insbesondere auch für die Heimatpolitik gilt, also die Beziehungen der jeweiligen Spätaussiedler zu ihren Herkunftsgebieten. Auch hier hat der BdV keinerlei Mitspracherecht. Alle diese Rechte und Quellen von Interessenskonflikten sind ausschließlich bei den landsmannschaftlichen Verbänden angesiedelt, woraus sich dann auch automatisch ergibt, dass ich aus Gründen dieser Kollision mein Amt als Präsident des Verbandes der Siebenbürger Sachsen und der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen mit Berufung zum Beauftragten niedergelegt habe. Für eine Niederlegung des Ehrenamtes im Dachverband BdV gibt es hingegen keinerlei Grund.
Der Bundesbeauftragte ist dazu berufen, die Anliegen der ihm anvertrauten Personenkreise als erster Ansprechpartner in der Bundesregierung zu vertreten und die Bundesregierung zu beraten. Zu den Aufgaben im BdV besteht also inhaltlich keinerlei Konkurrenz, sondern vielmehr Interessensgleichheit. Es sind die gleichen Anliegen und Interessen, um die es geht.
Auch aus einer Ansiedlung beim Bundesministerium des Inneren ergeben sich keinerlei Kollisionsargumente. Der Beauftragte ist von und für die gesamte Bundesregierung beauftragt und daher unabhängig. Seine Rechtsstellung ergibt sich aus der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung. In Weisungsstrukturen zu originären Aufgaben des Bundesministeriums des Inneren ist er in keiner Weise eingebunden. Daher gibt es auch keine funktionale Kollision.


Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe Ihrer Nominierung am 5. März verlautete, dass es noch keine Informationen gebe zum Aufgabenzuschnitt und der Zuordnung im Rahmen der Regierung. Besteht inzwischen hierin Klarheit?

Weitgehend. Inzwischen ist klar, dass der Bundesbeauftragte beim Bundesministerium des Inneren angesiedelt bleibt. Dafür spricht, dass die Zuständigkeit für die meisten Themen aus dem Aufgabenbereich des Beauftragten im BMI angesiedelt ist. Er wird weiter für alle bisher ihm zugewiesenen Aufgaben zuständig bleiben. Es wurde zusätzlich überlegt, das Aufgabengebiet des Beauftragten auszuweiten. Das ist aber nicht Inhalt der Berufungsentscheidung für den Beauftragten, sondern ist in einem Organisationserlass der Bundesregierung geregelt. Die Zuständigkeiten sind unverändert diejenigen, für die bereits die Amtsvorgänger zuständig waren.


Sie sind im Rahmen dieses komplexen Aufgabenbereiches auch für wichtige Belange unserer Landsleute zuständig. Ich nenne konkret die Rentenproblematik von Spätaussiedlern. ebenso die Förderung der Kulturarbeit und Kultureinrichtungen gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes sowie die für unsere Landsleute noch unzureichend gelöste Restitutionsfrage. Welches politische Gewicht hat der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung bei der Durchsetzung dieser Anliegen?

Sie haben damit zielgerichtet Aufgaben angesprochen, für die ich gerade leider nicht „zuständig“ bin, die aber dezidiert wesentliche Interessen der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler betreffen, für die ich mich aus voller Kraft einsetzen will und zu welchen ich nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung in allen Ministerien Beteiligungsrechte habe! Die Rentenfragen sind im Bundesministerium für Arbeit und Soziales angesiedelt, die Förderung der Kultureinrichtungen gemäß § 96 BVFG liegt in der Zuständigkeit der Beauftragten für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt und die Restitutionsfrage gar außerhalb Deutschlands bei der rumänischen Regierung. Ich werde daher als unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung selbstverständlich die dringende Lösung dieser Fragen fordern und meinen Einfluss geltend machen, durch Formulierung von Aufforderungen, durch Thematisierung, durch Beratung und auch durch Kritik, wenn nötig. Die Zuständigkeit zur Lösung dieser wichtigen Anliegen bleibt aber bei den genannten Stellen.


Ihr neues Amt weist eine inhaltliche Kontinuität zu Ihrer Tätigkeit in unserem Verband auf, an dessen Spitze Sie seit 2007 stehen. Nehmen wir doch diese Zäsur zum Anlass, Bilanz zu ziehen. Wie hat sich unser Verband nach Ihrer Einschätzung in dem vergangenen Jahrzehnt entwickelt?

Zusammenfassend und vereinfacht könnte man sagen: Unser Verband wurde zwar etwas kleiner, hat aber in der öffentlichen Wahrnehmung und der gesellschaftlichen Bedeutung überproportional zugenommen. Dafür sind auch die Aufgaben und die Erwartungen der Mitglieder – und sogar der Nichtmitglieder – beständig gestiegen. Wir gehören zu den Verbänden, die trotz Beendigung des allgemeinen Spätaussiedlerzuzuges aus Siebenbürgen jedes Jahr deutlichen Mitgliederzuwachs durch Beitritte verzeichnen, im Schnitt 800 Familien im Jahr. Daraus kann auf eine breite Zustimmung zur Arbeit des Verbandes in unserer Gemeinschaft und hier besonders in der jungen Generation geschlossen werden.


Welches waren die Kernanliegen Ihrer Verbandsarbeit? Was davon würden Sie als umgesetzt einstufen, was bleibt auf der Agenda stehen?

Das wichtigste Anliegen war mir eine Stärkung der positiven Identitätswahrnehmung und der kulturellen Selbstverortung in unserer Gemeinschaft. Das ist unerlässlich die Basis für alles Weitere.
Dr. Bernd Fabritius vor dem Reichstagsgebäude in ...
Dr. Bernd Fabritius vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Foto: Patrick Levin
Besonders wichtig war mir die Schaffung guter Rahmenbedingungen für eine eigenverantwortliche, kreative und damit erfolgreiche Jugendarbeit. Die professionelle Öffentlichkeitsarbeit durch unsere Siebenbürgische Zeitung und unsere Social-Media-Präsenz ist ebenso unerlässlich und erfüllt eine Doppelfunktion: Sie wirkt ins Innere und fördert die Identitätsfestigung und ist gleichzeitig Fenster und Sprachrohr nach draußen, in die Gesellschaft und in die Politik. Das brauchen wir für eine engagierte und erfolgreiche Vertretung der Mitgliederanliegen. Diese waren und sind vielfältig. Ein besonderer Schwerpunkt war die Frage der sozialen Gerechtigkeit für Spätaussiedler. Die ungerechten und systemwidrigen Rentenkürzungen der 90er Jahre haben mich erst zur Verbandsarbeit gebracht.


Welche gezielten Maßnahmen ergriffen Sie seinerzeit, als Jurist Anfang 30?

Ich habe meine Tätigkeit auf Bitten der damaligen Landesvorsitzenden in Bayern, Hannelore Scheiber, als ehrenamtlicher Rechtsreferent des Landesverbandes begonnen. Es folgte dann die Gründung der Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen, in der wir in einem Schulterschluss mit den Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Deutschen aus Russland einen ersten Etappensieg erzielen und ein Übergangsrecht durchsetzen konnten, das zwar leider keine Lösung für das Problem gewesen ist, aber für die erste Zeit die gröbsten Härten abgemildert hat. Hier gilt es weiter am Ball zu bleiben. Als Erfolg unseres Verbandes verbuche ich im gleichen Themenkomplex das Abwenden des sogenannten Fiktivabzuges, also die weitere Kürzung unserer Renten um fiktive – tatsächlich nicht gezahlte – Renten aus Rumänien. Diese rechtsgrundlose Praxis der Rentenbehörden hat unsere Landsleute in große Bedrängnis gebracht, konnte aber durch beständigen Einsatz beendet werden.


Gleichfalls als Erfolg ist die Zukunftssicherung unserer zentralen Kultureinrichtungen auf Schloss Horneck zu bewerten.

Absolut, dieser fast beispiellose Kraftakt zum Kauf des Schlosses aus einer Insolvenzmasse hat den Zusammenhalt und die Leistungskraft unserer Gemeinschaft eindrucksvoll bewiesen. Auch die Durchsetzung der Entschädigung für das im kommunistischen Rumänien erlittene Unrecht der Deportation sehe ich als einen Meilenstein der letzten Jahre. Nur durch den beherzten Einsatz unseres Verbandes hat Rumänien ein eigenes Gesetz geschaffen und unseren in Deutschland lebenden Landsleuten den Bezug einer monatlichen Entschädigungsleistung ermöglicht. Ein steter Kampf ist und bleibt leider die angemessene Entschädigung und Restitution von enteignetem Vermögen in Rumänien. Das Land hat dazu zwar gesetzliche Regelungen geschaffen, setzt diese aber nicht bzw. sehr zögerlich und meist nur nach zig Interventionen um. Es war und ist auch künftig viel Einsatz von allen, in unseren Bundes- und Landesgeschäftsstellen, in den Kreisgruppen und allen Referaten nötig. Ich nutze diese Gelegenheit daher, allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern für ihren Einsatz aus ganzem Herzen Danke zu sagen und um Fortsetzung ihres Einsatzes in aller Verbundenheit zu bitten.


Naturgemäß bleiben immer Baustellen. Die Entwicklung der Mitgliederzahlen ist rückläufig. Heute gehören unserem Verband ca. 20 000 Familien an, 2002 waren es noch 28 000. Sehen Sie gerade angesichts der Altersstruktur Möglichkeiten, diesen Negativtrend zu stoppen?

Ich bin sicher, dass dieser Trend enden und sich unsere Mitgliederzahl auf einem normalen und beständigen Niveau einpendeln wird. Es wird kurzfristig ein weiteres Absinken geben, weil die großen Zuzugszahlen der 90er Jahre durch einen Generationswechsel abschmelzen werden. Auch die erfreulich hohen Neueintritte können das hohe Durchschnittsalter im Verband und das dadurch bedingte Ausscheiden von Mitgliedern durch Ableben noch nicht auffangen. Sobald aber die Zahl der Neueintritte in etwa die Zahl der Sterbefälle erreichen wird, folgt daraus eine Stabilisierung der Mitgliederzahlen.


Kann der Verband unter diesen Voraussetzungen noch das Gleiche leisten wie bisher?

Wir müssen immer effektiver werden, um den Rückgang der Mittel zu kompensieren. Unser Verband ist letztlich genau so stark oder so schwach, wie wir, alle Siebenbürger Sachsen zusammen, ihn machen. Wenn wir ihn stärken, etwa durch persönliches konstruktives Mitwirken, durch eine angemessene Beitragszahlung – und auch die eine oder andere Zuwendung, z. B. durch Nachlässe oder Spenden, dann wird er handlungsfähig bleiben. Bemerkenswert ist, dass die Erwartungshaltung bei vielen Landsleuten gestiegen ist und manchmal den Bereich des Unrealistischen erreicht.


Zum Beispiel?

Ich erinnere mich mit einem Schmunzeln daran, dass ein Mitglied erbost aus unserem Verband austreten wollte, weil es mit einer Entscheidung der Friedhofsverwaltung in Kronstadt in Siebenbürgen unzufrieden war. Erst die Aufklärung über die Einflussmöglichkeit und den Wirkungsbereich unseres Verbandes hat die Frau dann zum Nachdenken und zur Rücknahme der Kündigung gebracht. Unser Verband ist jedenfalls auf viel Solidarität und ausgeprägten Gemeinschaftssinn angewiesen, der zwar vielfach vorhanden ist, in Einzelfällen – etwa bei einigen, wenigen Nutzern unserer Internetpräsenz – aber noch entwicklungsfähig ist. Es darf auch dort nicht darum gehen, dass und ob der Einzelne Recht hat, sondern darum, dass die Gemeinschaft Recht behält. So verstehe ich Demokratie und Gemeinschaftsgeist im besten Sinne.


Wie hat sich in dem vergangenen Jahrzehnt die öffentliche Wahrnehmung unseres Verbandes als Interessenvertreter der Siebenbürger Sachsen verändert?

Ganz deutlich. Wir gelten als sehr gut organisierte und stets zusammenhaltende Gemeinschaft, die konstruktiv und lösungsorientiert Anliegen vertritt und auch einen Gesamtzusammenhang im Blick behält. Die Rettung unserer Kultureinrichtungen auf Schloss Horneck aus eigener Kraft und Initiative heraus hat etwa dazu geführt, auch künftig als Partner ernst genommen zu werden. Auch die sehr guten Beziehungen zu unseren Landsleuten in Rumänien, die nach den harten Proben, auf die uns die Geschichte in den letzten Jahrzehnten gestellt hat, nicht immer selbstverständlich waren, wie auch die sachliche und lösungsorientierte Zusammenarbeit mit unserem Herkunftsland werden als mustergültig angesehen. Von dem negativen Ruf, den ein bestimmtes politisches Spektrum und die Medienwelt den Vertriebenenverbänden in vergangenen Zeiten gerne und beharrlich zugeschrieben haben, sind wir jedenfalls gut erkennbar weit entfernt.
Unter dem landsmannschaftlichen Schirm vereinte ...
Unter dem landsmannschaftlichen Schirm vereinte Ehrengäste beim Heimattag 2013 in Dinkelsbühl: Dr. Bernd Fabritius (rechts) mit dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und heutigen Bundesinnenminister Horst Seehofer mit Gattin Karin. Foto: Sieglinde Schuster

Sie haben in führender Position, als Gründungsvorsitzender, dazu beigetragen, den Standort Gundelsheim für unsere zentralen Kultureinrichtungen zu retten. Trotz der enormen Spendenbereitschaft unserer Landsleute und der Förderung des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien in Höhe von 1,9 Millionen Euro ist das Projekt Siebenbürgisches Kultur- und Begegnungszentrum Schloss Horneck noch längst nicht über dem Berg.

Richtig. Kulturgutsicherung passiert nicht von alleine, sondern ist ein Vorgang, der nie endet. Auf Schloss Horneck liegt unser aller Schatz, materiell und immateriell. Es wäre ein großer Fehler, in dem Engagement für dieses Vermächtnis nachzulassen. Kein verantwortungsvoller Landwirt hört das Pflügen und Düngen auf, nur weil einmal volle Blütenpracht zu sehen ist. Gleiches gilt für Schloss Horneck, unsere „Sachsenburg am Neckar“. Diese gehört übrigens nicht nur den Siebenbürger Sachsen in Deutschland, sondern allen Landsleuten in der Welt. Ich lade auch sie zum Pflügen und Düngen ein.


Es ist höchst erfreulich, dass die Heimattage in Dinkelsbühl im letzten Jahrzehnt kontinuierlich steigende Besucherzahlen verzeichneten. Was antworten Sie aber Kritikern, die Auftritte auch von Politikern anderer Parteien als seitens der CSU und CDU vermissen?

Recht haben sie, ich teile diese Kritik! Dass es so ist, liegt aber bestimmt nicht am Verband: Wir laden stets – ohne Ausnahme – überparteilich und unabhängig von Parteizugehörigkeiten ein. Adressaten unserer Einladungen sind Verantwortungsträger auf Bundes- und Landesebene, ganz unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Ich habe mich ganz persönlich mehrfach etwa darum bemüht, unsere langjährige Patenschafts-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zumindest einmal zu einem Besuch bei unserem Heimattag zu bewegen. Förmliche und sehr konstruktive Einladungen gab es jedes Jahr. Ich könnte noch viele Beispiele aus allen demokratischen Parteien nennen. Jeder Politiker setzt aber eigene Prioritäten danach, was ihm selbst wichtig ist. Ich bedauere, wenn einige Politiker meinen, unser Personenkreis gehöre nur in ein bestimmtes politisches Eck und daher sei Interesse und Verbundenheit mit uns strategisch unwichtig. Für mich ist das eine klare Fehleinschätzung und belegt Desinteresse an uns.


Über das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen leistet unser Verband seit Jahrzehnten humanitäre Hilfe in Siebenbürgen. Die sinkenden Mitgliederbeiträge führen zwangsläufig auch zu Mindereinnahmen im Sozialwerk. Kann es seiner Mittlerrolle noch gerecht werden?

Das Sozialwerk verrichtet eine nach wie vor wichtige Aufgabe, die unverzichtbar ist. Gerade in unserer Heimat gibt es besonders viele ältere Menschen, die inzwischen alleine sind und jede Zuwendung gut brauchen können. Dafür gebührt ihm Dank. Es ist aber ein eigenständiger Verein mit einem eigenen Vorstand, der diese Frage besser beantworten kann.


Wenden wir den Blick über Deutschlands Grenzen hinaus. Wie hat sich die Föderation der Siebenbürger Sachsen unter Ihrem Vorsitz entwickelt?

Die Föderation leistet einen wichtigen Beitrag zur Schaffung und Festigung eines überregionalen Gemeinschaftsgefühls. Gerade die Landsleute in Kanada und den USA benötigen die Rückkopplung zu uns und auch unserer Heimat in Siebenbürgen ganz besonders, weil der zeitliche Abstand zur gemeinsamen Geschichte immer größer wird. Hier ist es Aufgabe der Föderation, zu verbinden, wach zu halten und einen Erinnerungs- und Bekenntnistransfer zu den kommenden Generationen zu schaffen. Wir haben eine Zweigstelle in Hermannstadt eröffnet und durch Schaffung des Föderationssterns als weltweite Auszeichnung die Möglichkeit der Fokussierung auf Vorbilder geschaffen. So sind herausragende Persönlichkeiten, wie etwa Altbischof D. Dr. Christoph Klein, unser Ehrenvorsitzender Dr. Wolfgang Bonfert, Staatspräsident Klaus Johannis, unser Landsmann Peter Maffay oder auch die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm durch eine entsprechende Hervorhebung auch in der öffentlichen sächsischen Wahrnehmung Vorbilder und Fokuspunkte geworden. Das Föderationsjugendlager ist eine wichtige Plattform zum grenzüberschreitenden Zusammenkommen. Gerade hier würde ich noch Raum für deutliche Verbesserung sehen.


Woran denken Sie konkret?

Ich würde mich über häufigere Treffen auch in unserer Heimat Siebenbürgen sehr freuen. Ein Kollege im Deutschen Bundestag hat nach einer gemeinsamen Reise nach Siebenbürgen spontan gefordert, es müsse „Aufenthalt in Siebenbürgen auf Krankenschein“ geben, weil dieser für Geist und Seele so derart wohltuend sei. Das gleiche Gefühl empfinden junge Kanadier und US-Amerikaner mit siebenbürgischen Wurzeln nach einem Besuch in einem Föderationsjugendlager, und das sollten wir nach Kräften weiter fördern.


Die Zusammenarbeit mit dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien ist enger und intensiver denn je. Inwiefern konnten und können unsere Landsleute davon profitieren?

Wichtige Anliegen erreichen wir nur gemeinsam, wenn wir am gleichen Strang und in dieselbe Richtung ziehen. Das gilt hier und dort. Die nachhaltige Förderung des muttersprachlichen Unterrichtes in Rumänien, die für das kulturelle Überleben unsere Landsleute unentbehrlich ist, oder die Entschädigung für Deportationsopfer, um nur einige Beispiele zu nennen, hätten wir ohne dieses Ziehen am selben Strang nie erreicht. Und letztlich ist das gute Miteinander die Basis einer steten Selbstvergewisserung: Wir sind eine einzige Gemeinschaft, über Grenzen und Jahreszeiten hinweg. Mit dem EU-Beitritt Rumäniens haben wir nun auch wieder ein gemeinsames Dach, unter dem sich unsere Gemeinschaft grenzenlos entwickeln kann, wenn wir das nur wollen.


Mit welchen Gefühlen beenden Sie Ihre langjährige Verbandstätigkeit?

Ich empfinde tiefe Freude, Dankbarkeit und Genugtuung, dass ich als Siebenbürger Sachse eine Zeit lang in der Mitte unserer Gemeinschaft wirken durfte. Das hat zwar oft viel Einsatz, Aufwand, Zurückstecken an anderer Stelle und manchmal auch Nerven gekostet, aber das, was an positivem Ergebnis gespiegelt wird, und der emotionale Zugewinn rechtfertigen jede Mühe. Dies möchte ich gerne auch Nachfolgerinnen und Nachfolgern auf allen Ebenen und deren Nachfolgerinnen und Nachfolgern mit auf den Weg geben. Das Gefühl von Zusammengehörigkeit in einer Gemeinschaft, von Freundschaft und Zusammenwirken, ist unbezahlbar, gerade wenn es in einem Ehrenamt gelebt und zumindest ein bisschen auch Teil des eigenen Lebens wird.


Was werden Sie in Berlin am meisten vermissen?

Vermissen werde ich in Berlin gar nichts! Ich habe nicht die Absicht, unsere große siebenbürgisch-sächsische Familie zu verlassen. Mein „Dabeisein“ wird nur anders. Eine weitere Herausforderung, der ich mich gerne stelle.


Herzlichen Dank für das Gespräch! Und viel Erfolg bei Ihrer neuen Tätigkeit in Berlin!


Der Aufgabenbereich des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten


Das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen wurde 1988 eingerichtet und am Bundesministerium des Innern angesiedelt. 2002 wurde das Amt durch die Beauftragung für die nationalen Minderheiten ergänzt. Für die Spätaussiedler ist er zentraler Ansprechpartner auf Bundesebene und verantwortlich für die Koordinierung der Aussiedlerpolitik der Bundesregierung, der Integrationsmaßnahmen mit Bund, Ländern und Gemeinden sowie der im Eingliederungsbereich tätigen Kirchen, Wohlfahrtsverbände und gesellschaftlichen Gruppen. Zusätzlich betreut er die in den Herkunftsgebieten der Aussiedler verbliebenen Deutschen, koordiniert die Maßnahmen der Hilfenpolitik und übernimmt den Co-Vorsitz der bestehenden Regierungskommissionen zu Angelegenheiten der deutschen Minderheiten. Als Beauftragter für Aussiedlerfragen ist er verantwortlich für die Informationsarbeit im Inland und bei den deutschen Minderheiten im Ausland. Im Zuständigkeitsbereich für die nationalen Minderheiten ist der Beauftragte zentraler Ansprechpartner auf der Bundesebene. Er vertritt die Bundesregierung in den bestehenden und möglicherweise künftig zu schaffenden Kontaktgremien. (Quelle: Bundesministerium des Innern)

Schlagwörter: Bernd Fabritius, Verbandspräsident, Aussiedlerbeauftragter, Bundesregierung, Rente, Restitution, Schloss Horneck, Föderation, Rumänien, Bundesregierung, Bundesinnenminister, Horst Seehofer, Herta Daniel, Sozialwerk, Aussiedlerfragen, Christian Schoger

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