19. November 2017

AfD polarisiert: Verbandspräsident Fabritius antwortet auf kritischen Leserbrief

Leserkritik zum Artikel „Bundestagswahl 2017: Dr. Bernd Fabritius will nach Mandatsverlust Arbeit als BdV-Präsident ‚mit voller Kraft‘ fortsetzen“ in der Druckausgabe, Folge 16 vom 15. Oktober 2017, Seite 3, und die Stellungnahme des Verbandspräsidenten Dr. Bernd Fabritius.
Politiker sollen sich für das Wohl unseres Volkes mehr einsetzen


Die Empörung über das schlechte Wahlergebnis der Altparteien bei der Bundestagswahl 2017 und den Erfolg der Alternative für Deutschland kann ich nicht nachvollziehen. Dieses Ergebnis war vorauszusehen, wenn man die Entwicklung in diesem Lande verfolgt und begreift. Der Verbandspräsident des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Dr. Bernd Fabritius, äußerte sich, er würde jeder „populistischen Rattenfängerei“ eine Absage erteilen. Diese Aussage hat mich sehr enttäuscht. Abgesehen von der Beleidigung der Wähler dieser neuen Partei, sind die angeblichen „Ratten“, die sich fangen lassen, aufgeweckte Bürger und nicht nur Aussiedler aus Russland und Rumänien, sondern auch diejenigen aus der ehemaligen DDR sowie Bürger aus allen Teilen Deutschlands, wie z.B. aus dem Ruhrgebiet in NRW, die ihr Leben in ihrem Wohnort unerträglich finden. Die Enttäuschung dieser Menschen in die Politiker der Altparteien ist so groß, weil man ihre Sorgen ignoriert, sie als Nationalisten und Rechtsradikale bezeichnet und sie sich über die vorhandenen Missstände nicht äußern dürfen, so wie es einst in den Ostblockstaaten der Fall war.

Wenn man bei dem Begriff „Rattenfänger“ bleiben darf, könnte man all diejenigen Verantwortlichen benennen, die unsere Kinder und Jugendlichen in den Schulen und sonstigen Institutionen alle in eine vorgegebene Richtung erziehen, nämlich für Globalisierung, Multikulti, Gender-Ideologie usw. Ebenso gibt es in unserm Lande einige Organisationen und Gruppierungen, die Hass gegen Andersdenkende verbreiten, Deutschland abschaffen wollen, die somit auch zur Spaltung dieses Volkes beitragen. Daran stört sich kein Politiker der Altparteien. Mein Wunsch wäre, dass alle Politiker unseres Landes sich für das Wohl unseres Volkes mehr einsetzen und nicht für ihre eigenen Interessen, sonst gehen wir einer düsteren Zukunft entgegen.

Irmgard Schneider, Bergneustadt




Stellungnahme von Dr. Bernd Fabritius:


Der Rattenfänger von Hameln – die bekannteste deutsche Sage. Oder doch nicht?


Der Sage nach soll etwa zur gleichen Zeit, als Siebenbürgen besiedelt wurde, ein „gar wunderlicher Mann“ aus Zorn über nicht eingehaltene Versprechen der Stadt Hameln „Kinder, Knaben und Mägdlein, vom vierten Jahre an“ – nach anderen Erzählungen ganz einfach „die Söhne und Töchter der Stadt“ – mit seinem Geflöte verführt haben, auf dass „alle ihm gefolgt und dann verschwunden“ waren. Zwei sollen irgendwann zurückgekehrt, alle anderen bis heute nicht mehr aufgetaucht sein. Soweit die Sage.

Von „Rattenfängerei“ spricht man landläufig in Anlehnung an diese Sage, wenn Menschen durch „Geflöte“ – Täuschungen, Gerüchte, Verdrehungen – zu etwas verführt werden, wozu sie sonst nicht gekommen wären. Die Bezugnahme auf diese Sage stellt keinesfalls die „Verführten“ mit Ratten gleich und kritisiert diese in keiner Weise. Vielmehr sollen durch Erinnerung an diese Sage „die Söhne und Töchter Hamelns“ vor drohender Gefahr gewarnt und dazu ermuntert werden, das „Geflöte“ zu durchschauen. An genau das erinnert mich der aktuelle Erfolg der AfD und die dringend nötige inhaltliche Aufklärung über diese Bewegung, besonders wenn ich die Zustimmung dazu im Personenkreis der Aussiedler und Spätaussiedler zu verstehen versuche.

So verwundert, wenn etwa Aussiedler und Spätaussiedler als eines ihrer relevanten Probleme zu Recht ihre Benachteiligung in den Rentengesetzen (so etwa die 40%-Kürzung und die Deckelung der Entgeltpunkte) kritisieren, dann aber der AfD zustimmen, die das Fremdrentengesetz – und damit die Anerkennung der Rentenzeiten der Aussiedler und Spätaussieder aus den Herkunftsgebieten – als „versicherungsfremde Leistung“ ganz abschaffen möchte. Ebenso wundert, dass einerseits Spätaussiedler zu Recht darauf bestehen, sofort ab Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eben wie in Deutschland geborene Staatsbürger gleichwertige deutsche Staatsangehörige zu sein, dann aber der AfD zustimmen, die in den ersten zehn Jahren nach Erwerb der Staatsangehörigkeit noch eine Entziehungsmöglichkeit der Staatsangehörigkeit in bestimmten Fällen fordert und so zwischen in Deutschland geborenen Deutschen „erster Klasse“ und aus dem Ausland zugezogenen Deutschen „zweiter Klasse“ unterscheidet.

Menschen, die sich so täuschen lassen, schreiben dann z.B. auch unkritisch von „Altparteien“, einem von Joseph Goebbels regelmäßig verwendeten Begriff der NSDAP-Propaganda, den AfD-Rechts-Außen Björn Höcke mit gleicher Zielrichtung wie dazumal bei Werbung um Gefolgschaft wieder in den Sprachgebrauch gebracht hat. Solches bedauere ich. Natürlich muss die Politik Antworten auf reale Sorgen und Lösungen für bestehende Probleme bieten. Jede Partei, die ihre Arbeit ernst nimmt, beteiligt sich an der Suche nach den nötigen Kompromissen – Lösungen werden in aller Regel gefunden. Keine einzige der demokratischen Parteien möchte „Deutschland abschaffen“, auch glaube ich nicht, dass das Leben in einzelnen Städten in Nordrhein-Westfalen, unserem Patenland, objektiv betrachtet „unerträglich“ ist.

Ich lade alle Landsleute sehr herzlich dazu ein, in dem vielfältigen Angebot des Spektrums demokratischer Parteien in Deutschland mit kritischem Blick zu überlegen, welche Positionen den eigenen Interessen entsprechen – und welche nicht, sich zu informieren, sachlich in gesellschaftliche und politische Entscheidungsfindung einzubringen und so mitzugestalten. „Rattenfängereien“ im Sinne der bekannten und eingangs geschilderten Sage hingegen erteile ich für mich eine klare Absage.

Schlagwörter: Leserecho, Kritik, AfD, Verbandspräsident, Bernd Fabritius

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