17. Mai 2016

Premier Dacian Cioloș: "Die Kirchenburgen Siebenbürgens zu neuem Leben wecken"

Beim 66. Heimattag in Dinkelsbühl hat der rumänische Ministerpräsident Dacian Cioloș die Siebenbürger Sachsen für ihren herausragenden Beitrag zur Entwicklung Rumäniens und als Brückenbauer in den deutsch-rumänischen Beziehungen gewürdigt: „Sie sind die besten Botschafter, die Rumänien haben kann.“ Der Regierungschef stellte mit Freude fest, wie lebhaft die Siebenbürger Sachsen ihr Brauchtum und ihre Gemeinschaft in Deutschland pflegen und wie begeistert die Jugend dabei mitmacht. Die deutsch-rumänischen Beziehungen bezeichnete Dacian Cioloș als exzellent. Rumänien bekenne sich dezidiert zum deutschen Kulturerbe, zu den siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen, die in ihrem einmaligen Charakter erhalten werden sollen. Nach dem kürzlichen Einsturz der Kirchtürme in Radeln und Rothbach im Kreis Kronstadt hat die Regierung ein Notfallprogramm aufgelegt. Aufgrund einer für Europa vorbildlichen Initiative, die vom Verband der Siebenbürger Sachsen angestoßen wurde, entschädigt Rumänien seit 2013 die ehemaligen deutschen Zwangsarbeiter, die nach Russland und in den Bărăgan deportiert wurden. Die rumänische Regierung arbeite nun intensiv daran, die Eigentumsrückgabe – ein weiteres Anliegen der Deutschen aus Rumänien – einem guten Ende zuzuführen, versicherte der Premier. Cioloș ist der erste Ministerpräsident eines Herkunftslandes, der bei einem Heimattag der deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedler spricht. Seine Ansprache, die eine absolute Premiere für Deutschland ist, wird im Folgenden in deutscher Übersetzung wiedergegeben.
Sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier, sehr geehrter Herr Verbandspräsident Fabritius, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde!

Ich bedanke mich für die Einladung zum 66. Heimattag der Siebenbürger Sachsen, die ich sehr gerne, ohne zu zögern, angenommen habe. Ich begrüße Dr. Christoph Hammer, den Oberbürgermeister dieser wunderschönen Stadt, die die Siebenbürger Sachsen Jahr für Jahr mit offenem Herzen zum Heimattag empfängt. Ich begrüße alle Besucher des Heimattages und übermittle Grüße von Staatspräsident Klaus Johannis, der Ihnen ausrichten lässt, dass er auch in diesem Jahr mit Herz und Seele auf Ihrer Seite steht.

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Meine Teilnahme an diesem Heimattag zeigt das große Interesse und den Einsatz der rumänischen Regierung, um die Verbindung zu Ihnen aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig würdigen wir die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben für ihren Beitrag zur Entwicklung Rumäniens und der deutsch-rumänischen Beziehungen. Sie sind die besten Botschafter, die Rumänien in ihren Beziehungen zu Deutschland jemals haben konnte!

Ich stelle mit Freude fest, wie lebendig der Zusammenhalt in der Gemeinschaft und die jahrhundertealten Traditionen sind. Besonders erfreulich sind die vielen Jugendlichen, die am Heimattag teilnehmen.

Ihre Gemeinschaft war und bleibt im Laufe der Jahrhunderte ein Wegbereiter, Sie ermöglichen den Dialog zwischen Menschen und Institutionen, Ihre Feste sind ein kraftvoller Ausdruck des Zusammenhalts in der Gemeinschaft und des Wunsches, die Verbindung zur Heimat Siebenbürgen und Rumänien zu pflegen. Sie sind eine wahrhaftige Brücke zwischen Rumänien und Deutschland, eine Brücke, die in jüngster Zeit immer mehr zu einer Autobahn, mit vielen Abzweigungen, ausgebaut wurde. Heute gehört zu dieser Brücke auch die rund halbe Million Rumänen, die zweite Gemeinschaft in der Europäischen Union, die sehr gut in den Arbeitsmarkt integriert ist.

Der rumänische Ministerpräsident Dacian Ciolos ...
Der rumänische Ministerpräsident Dacian Ciolos war Festredner beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl. Foto: Petra Reiner
Ich stelle erfreut fest, dass die Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland, in allen Hinsichten, exzellent sind. Unser politischer Dialog hat in jüngster Zeit eine besondere Dynamik erfahren – dies ist mein zweiter Besuch in diesem Jahr als Ministerpräsident in Deutschland, der Präsident Rumäniens war im Februar hier, im Juni erwarten wir den Besuch des deutschen Staatspräsidenten Joachim Gauck in Rumänien. Wir streben nicht nur eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit dem Bund, sondern auch direkt mit den Ländern an. Die baldige Eröffnung eines rumänischen Generalkonsulats in Stuttgart ist ein Teil dieser Logik, wobei sich das Generalkonsulat in München künftig auf die Zusammenarbeit mit dem Freistaat Bayern konzentrieren wird.

Ich erwähne mit Genugtuung die fruchtbare Arbeit der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission, die vor einigen Wochen in Goslar tagte, deren Ko-Präsident der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Hartmut Koschyk, ist. Vereinbart wurden dabei Projekte zur Wiedergutmachung des im Kommunismus erlittenen Unrechts sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Fördermaßnahmen für die deutsche Minderheit in Rumänien. Das Gesetz für die Entschädigung der nach Russland und in den Bărăgan Deportierten wurde 2013 verabschiedet – es ist eine einmalige Geste in den Ländern der Europäischen Union.

Ich weiß, dass die Eigentumsrückgabe ein großes Anliegen von Ihnen ist, Verbandspräsident Bernd Fabritius hat es in seiner Ansprache erwähnt. Rumänien ist eines der besonders aktiven Länder in Sachen Rückgabe des im Kommunismus konfiszierten Eigentums. Es ist ein Prozess, der in vollem Gange ist. Ich weiß, dass es einige schwierige Fälle gibt, die wir noch lösen müssen. Ich versichere Ihnen, dass die von mir geführte Regierung sich weiterhin einsetzen wird, diesen Prozess zu einem guten Ende zu führen.

Wir haben inzwischen ein Prozedere gefunden, um den Austausch zwischen den interessierten deutschen Bürgern und der zuständigen Restitutionsbehörde in Rumänien zu erleichtern. Ich danke dem Botschafter Emil Hurezeanu, der sich aktiv dafür einsetzt, die offenen Restitutionsfälle zu bündeln und an die zuständige Behörde in Bukarest weiterzugeben.

Wir stehen zu den traditionellen Kirchenburgen und Denkmälern der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben und betrachten sie sowohl als deren Kulturerbe als auch als Kulturerbe Rumäniens. Wir werden sie entsprechend weiterpflegen. Dieses Kulturerbe weist uns allesamt als Europäer aus, ob Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben oder Rumänen. Wir haben die gemeinsame Pflicht, dieses Kulturgut zu erhalten, aber nicht nur museal, sondern indem es auch genutzt wird. Die rumänische Regierung hat kürzlich Geld für die Erhaltung der Kirchenburgen bereitgestellt und wird das auch in den nächsten Jahren tun. Wir wollen die Kirchenburgen nicht nur renovieren, sondern sie auch zu neuem Leben wecken. Deshalb rufe ich alle siebenbürgischen Vereine, die hier versammelt sind, auf, gemeinsam darüber nachzudenken, wie neues Leben in diese Bauten einkehren könnte. Ich denke da zum Beispiel an Sommerschulen, Jugendlager, Geschichtsunterricht für Jugendliche. Das wäre der beste Weg, nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft zu blicken, wenn es um unsere Gemeinschaft geht.

Ich lade die siebenbürgische Jugendlichen zu Gesprächen nach Rumänien ein, damit wir schon für das nächste Jahr Jugendlager, Sommerakademien planen, veranstaltet von rumänischen und deutschen Universitäten und vermittelt von Ihnen.

Zugleich kümmern wir uns um den Unterricht in deutscher Muttersprache in Rumänien. Die deutschsprachigen Schulen erfreuen sich, obwohl es an einer Mehrheit deutscher Schüler fehlt, eines sehr hohen Ansehens: die Honterusschule in Kronstadt, das Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt, das Lenau-Lyzeum in Temeswar oder das Goethe-Kolleg in Bukarest. Sie gehören zu den Elite-Schulen Rumäniens.

Eine Schlüsselrolle im Dialog zwischen den rumänischen Behörden und der deutschen Minderheit spielt das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR), das heute –über 25 Jahre nach seiner Gründung – die kulturellen und politischen Anliegen der Siebenbürger Sachsen, der Banater und Sathmarer Schwaben in unserem Land aktiv vorantreibt.

Viele von Ihnen sind erfolgreiche Unternehmer. Ich laden Sie ein, Rumänien an Ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen. Sie sind in Rumänien willkommen, um einen gemeinsamen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Rumäniens zu leisten. Ihr Unternehmergeist und Ihre berufliche Kompetenz können auch für Rumänien sehr nützlich sein, denn wir brauchen weiterhin möglichst viel deutsche Wertarbeit („treabă făcută nemțește“). Und kommen Sie auch jenseits der Karpaten, denn auch in der Moldau und Oltenien brauchen wir „deutsch gemachte Arbeit“.

Jene, die die rumänische Staatsangehörigkeit bewahrt oder wieder erworben haben, sind aufgefordert, an den Wahlen in Rumänien teilzunehmen. In diesem Jahr sind Kommunalwahlen im Juni und Parlamentswahlen im Herbst geplant. Als Menschen, die sich ihrem Geburtsland verbunden fühlen, haben Sie – zusammen mit uns – die Pflicht, dass die Dinge in der Heimat besser gehen. Dabei sollten Sie vom Wahlrecht Gebrauch machen und auch die Vorteile der Briefwahl nutzen.

Ich blicke hoffnungsvoll in die Zukunft und bin – ebenso wie die junge siebenbürgische Schriftstellerin Iris Wolff, Autorin des Romans „Halber Stein“ – der Meinung, dass es Orte gibt, die uns die Vergangenheit offenbaren und gleichsam in die Zukunft führen. Wir befinden uns heute an einem solchen Ort.

Wir vermissen Sie sehr in Rumänien. Dass ich Sie aber heute hier erleben durfte, zeigt, dass es Orte in Europa gibt, wo wir alle noch zusammenfinden und gewissermaßen rumänisch empfinden können. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie in dieser Gemeinschaft weitexistieren. Gott segne Sie mit dem, was Sie in Ihren Herzen und Seelen mitgebracht haben, als Sie weggingen, und mit dem, was Sie von Ihrer Heimat lebendig erhalten haben. Ich danke Ihnen!

Schlagwörter: Heimattag 2016, Dinkelsbühl, deutsch-rumänische Beziehungen, Eigentumsrückgabe

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Neueste Kommentare

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