28. November 2015

Bundesvorsitzende Herta Daniel will junge Generation an Führungsaufgaben heranführen

Zum ersten Mal in der 66-jährigen Geschichte des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland hat eine Frau die Führungsfunktion übernommen: Die beim Verbandstag (siehe "Ein Ruck geht durch die Gemeinschaft": Verbandstag der Siebenbürger Sachsen wählt Doppelspitze) am 7. November in Bonn gewählte Bundesvorsitzende Herta Daniel (1952 in Hermannstadt geboren, Ausreise 1977, Diplom-Chemikerin, verwitwet, zwei Töchter, wohnt in Geretsried), bis dahin Stellvertretende Bundesvorsitzende und Vorsitzende des Landesverbandes Bayern, tritt die Nachfolge an von Dr. Bernd Fabritius, MdB, der zum Verbandspräsidenten gewählt wurde (siehe Interview Verbandspräsident Bernd Fabritius ist zuversichtlich bei Schloss Horneck: "Wir schaffen das!"). Das nachfolgende Gespräch, das Christian Schoger mit Herta Daniel führte, kreist um die neue personelle Konstellation sowie die vordringlichen landsmannschaftlichen Aufgaben und Projekte, allen voran das im Aufbau befindliche Siebenbürgische Kultur- und Begegnungszentrum auf Schloss Horneck in Gundelsheim.
Frau Daniel, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zur Bundesvorsitzenden! 79 Prozent der Delegierten haben für Sie gestimmt. Wie bewerten Sie das Ergebnis?

Danke für den Glückwunsch! Dieses Wahlergebnis ist ein ausgezeichnetes Zeugnis für die verbandspolitische Reife unserer Delegierten! Wir sind in einer echten Demokratie angekommen und haben uns deren Regeln zu eigen gemacht! Ich hatte während meiner Vorstellung vor der Wahl dazu aufgefordert, die Person als Bundesvorsitzende/n zu wählen, von der man selber überzeugt sei, dass sie den Verband sicher und gut über die nächsten Jahre bringen kann. Über 20 % waren der Meinung, dass nicht ich diese Person bin, und das ist gut so, hat es doch den Vorteil, dass eine gesunde Opposition mich bzw. meine, unsere Verbandsarbeit kritisch begleiten und sich in einen konstruktiven Dialog einbringen kann.


Empfinden Sie auch eine gewisse Genugtuung, dass mit Ihnen erstmals eine Frau an der Spitze unseres bisher von Männern geführten Verbandes steht?

Diese Frage stellt sich für mich nicht. Auch in unseren Verband haben ganz normale Veränderungen der Gesellschaft – ohne Einführung einer Frauenquote - Einzug gehalten: Genauso wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft sind die vielen tüchtigen Frauen aus unserem Verband nicht mehr wegzudenken!


Beabsichtigen Sie Ihr Amt als Vorsitzende des Landesverbandes Bayern fortzuführen?

Leider nein, das ist wegen möglicher Interessenkollisionen nicht sinnvoll. Als Bundesvorsitzende muss man objektiv sein und alle Landesgruppen gleich behandeln. Ist man zusätzlich auch Landesvorsitzende des größten Landesverbandes, dürfte die Sicht einseitig geprägt sein und Interessenkonflikte wären vorprogrammiert, teilweise sicher auch zu Ungunsten des eigenen Landesverbandes, um dem Vorwurf der Vorteilsnahme entgegenzuwirken. Wir haben sehr fähige Mitglieder im Landesverband Bayern, so dass ich mir um meine Nachfolge auf Landesebene keine Sorgen mache.


Kraft der von den Delegierten des Verbandstages beschlossenen Satzungsänderung bilden Sie als Bundesvorsitzende und Dr. Fabritius als Verbandspräsident die Verbandsspitze. Die jeweiligen Kompetenzen sind klar geregelt. Ihnen obliegen im Wesentlichen die innergemeinschaftlichen Aufgaben des Verbandes. Bitte konkretisieren Sie Ihren Wirkbereich.

Gemäß unserer Satzung obliegen dem bzw. der Bundesvorsitzenden die Einberufung und Leitung der Bundesvorstandssitzungen, der Sitzungen des Geschäftsführenden Vorstands, des Verbandstages. Die Zusammenarbeit mit den Gliederungen des Verbandes, wie Landesverbände, Kreisgruppen, HOGs fällt ebenfalls in meinen Aufgabenbereich. Zu den angenehmsten Aufgaben gehören wohl die Unterzeichnung von Beitrittsprotokollen von Personenvereinigungen und die Verleihung von Ehrungen an verdiente Mitglieder unseres Verbandes. Erfahrungsgemäß werden die Entscheidungsfindungen zusammen mit den anderen Vorstandsmitgliedern über verschiedene Verbandsthemen, das Tagesgeschäft also, die meiste Zeit in Anspruch nehmen.
Das neue Führungs-Tandem will in bewährter Weise ...
Das neue Führungs-Tandem will in bewährter Weise zusammenarbeiten: Verbandspräsident Dr. Bernd Fabritius, MdB, und Bundesvorsitzende Herta Daniel nach der Wahl beim Verbandstag in Bonn. Foto: Siegbert Bruss
Haben Sie bereits abgesprochen, wer beim nächsten Heimattag bei der politischen Kundgebung am Pfingstsonntag vor der Schranne spricht?

Das ist die häufigste Frage, die mir vor und nach der Wahl gestellt wurde! Man könnte den Eindruck gewinnen, dass sich die Tätigkeit eines Bundesvorsitzenden in den Augen vieler Mitglieder auf diese ca. 15 Minuten dauernde Ansprache beschränkt! Meines Erachtens kommt es eher darauf an, WAS bei der politischen Kundgebung gesagt wird und nicht WER spricht! Bevor allerdings etwas Substanzielles gesagt werden kann, muss zunächst viel geleistet werden. Pfingsten liegt in unserem Terminkalender noch sehr weit entfernt in der Zukunft und ich bin erst ein paar Tage in diesem Ehrenamt!


Welche Schwerpunkte wollen Sie in den nächsten Jahren in der Verbandsarbeit setzen?

Eine vermehrte Einbindung der jungen Generation in alle Ebenen der Verbandsarbeit halte ich für sehr wichtig, um diese an Führungsaufgaben heranzuführen. Bei der Pflege unserer Traditionen müssen wir darauf achten, alle Bereiche unserer Kultur abzudecken und uns nicht nur auf die Brauchtums- und Trachtenpflege zu beschränken, um vor allem der Jugend Identifikationsmöglichkeiten zu bieten und so deren Assimilation entgegenzuwirken. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Weitergabe unserer Werte an die junge Generation.
Ein bedeutendes Anliegen ist der Erhalt der Einheit unserer kulturellen Einrichtungen auf Schloss Horneck in Gundelsheim. Zudem erhoffe ich mir durch die neue Referatsleiterin Öffentlichkeitsarbeit, Ingrid Hermann, neue Impulse für eine verstärkte Wahrnehmung der Siebenbürger Sachsen in Politik und Gesellschaft.
Gemeinsam mit der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD), den HOGs bzw. deren Dachverband wollen wir eine weitere Vernetzung innerhalb der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen anstreben, genauso wie eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kreis- und Landesgruppen.
In Anbetracht der bekannten demographischen Verhältnisse in unserem Verband werde ich ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der Mitgliederzahlen und auf die Mitgliederwerbung haben.


Die bundesweiten Mitgliederzahlen sind im Zeitraum von 1996 bis 2015 von rund 42 000 auf knapp 33 000 gesunken. Wie wollen Sie dieser Entwicklung entgegenwirken?

Ich verstehe diese Frage so, dass wir auch in der Beeinflussung der Entwicklung der Mitgliederzahlen als Gemeinschaft agieren, hier sind wir alle gefragt, etwas zu tun! Zunächst möchte ich wiederholen, was ich bei der Vorstellung meiner Ziele auf dem Verbandstag gesagt habe: Ich werde nicht versprechen, dass die Mitgliederzahlen steigen, weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass das trotz unterschiedlicher Maßnahmen nicht funktioniert hat.


Es ist ja nicht so, dass unserem Verband keine neuen Mitglieder beitreten würden …

Im Gegenteil: Wir verzeichnen jedes Jahr einige Hundert Neumitglieder. Deren Anzahl kann aber die Anzahl der Verluste von Mitgliedern, meistens durch Ableben, nicht aufwiegen! Und wenn man die Altersstruktur unseres Verbandes kennt, ist klar, dass sich diese Entwicklung in ähnlicher Weise fortsetzen wird. Es gilt also, den Hebel dort anzusetzen, wo er auch wirken kann: bei den Jüngeren unter uns! Und da kommt das familiäre Umfeld, in dem ein Kind aufwächst, ins Spiel: Hier entscheidet sich, ob es an das Siebenbürgisch-Sächsische herangeführt wird oder nicht – und sich dann im Erwachsenenalter für eine Mitgliedschaft entscheidet – oder nicht! Wenn sich erst mit 27 Jahren – der Zeitpunkt, an dem die Familienmitgliedschaft endet – die Frage stellt: Wer und was ist dieser Verband überhaupt? Dann sind Chancen vertan worden. Wir können als Verband nicht in die Erziehung eingreifen, wir können aber die Rahmenbedingungen schaffen oder verbessern, damit sich Kinder und junge Leute bei uns wohlfühlen.


Das leuchtet grundsätzlich ein. An welche Maßnahmen in der Praxis denken Sie?

Der Bundesvorstand hat auf meinen Vorschlag hin ein Kinderreferat auf Bundesebene eingerichtet, der Verbandstag hat Ute Bako als Kinderreferentin bestätigt. Es ist eine erste Kinderreferententagung für an der Arbeit mit Kindern Interessierte geplant. Ein Fokus wird dabei auf der Bildung von neuen Kindergruppen an der Basis liegen. Meine Erfahrung als Kreis- und Landesvorsitzende hat gezeigt, dass jede Kindergruppe bzw. deren Auftritte Verwandte und Freunde zu den Veranstaltungen nach sich ziehen, die dann ganz ohne Zwang Mitglieder werden – können, ganz wichtig: nicht müssen!
Überzeugungsarbeit muss auch bei den Skeptikern geleistet werden, die von den vielfältigen Leistungen und Aktivitäten unseres Verbandes wenig oder keine Kenntnis haben, damit diese die Bedeutung einer möglichst großen gemeinsamen Interessenvertretung erkennen, die letztendlich allen Siebenbürger Sachsen zugutekommt. Kaum eine Landsmannschaft hat in den letzten Jahren so viel für ihre Mitglieder erreicht wie unser Verband. Ich erinnere nur an die Abschaffung des Fiktivabzugs bei Fremdrenten, die Entschädigungsleistungen für die Opfer der Deportation in die Sowjetunion, um nur einige Beispiele zu nennen.
Diejenigen Kreisgruppen, die steigende Mitgliederzahlen verzeichnen, haben neue Mitglieder in der Regel durch persönliche Gespräche gewonnen, die bei den verschiedensten Anlässen wie Veranstaltungen der Kreisgruppen, HOG-Treffen, Geburtstagsfeiern geführt wurden. Und das kann jeder von uns tun.


Genügt Ihnen das bisherige Einbinden der Jugend in die Verbandsarbeit?Immerhin ist beim Verbandstag mit Edwin-Andreas Drotleff der kommissarische Bundesjugendleiter der SJD zum Stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt worden.

Die SJD ist die einzige Gliederung unseres Verbandes, die seit Jahren einen stetigen Mitgliederzuwachs verzeichnet. Also ist dort einiges sehr gut gelaufen und die Attraktivität unseres Verbandes konnte durch das erfolgreiche Wirken vieler ehrenamtlich tätigen jungen Leute gesteigert werden– an dieser Stelle möchte ich diese Arbeit und die Anstrengungen würdigen und ein herzliches Danke sagen!


Danke und weiter so?

Es ist nichts auf dieser Welt so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Die SJD arbeitet völlig selbstständig und ich habe nicht vor, mich in diese hervorragende Arbeit einzumischen. Was wir aber verbessern können, sind, wie bereits erwähnt, die Rahmenbedingungen. Und das haben die Delegierten des Verbandstags getan: Eine Satzungsänderung sieht vor, dass die SJD zusätzlich zu den bisherigen Delegierten weitere Delegierte zugesprochen bekommt, deren Anzahl von der Entwicklung der Mitgliederzahlen abhängig ist. Ferner finden wir in den Reihen dieses neuen Bundesvorstands mehr Vertreter der jüngeren Generation als bisher, was sich sicher auf die Entscheidungen, die auf dieser Ebene unseres Verbandes getroffen werden, im Sinne der Jugend auswirken kann! Zusammen mit der Einbindung des kommissarischen Bundesjugendleiters in den Vorstand werden diese Maßnahmen das Mitsprachrecht der Jugend zukünftig stärken.


Als Vorstandsmitglied des Vereins Siebenbürgisches Kulturzentrum „Schloss Horneck“ engagieren Sie sich persönlich für dieses zugleich immens wichtige und mühevolle Gemeinschaftsprojekt. Welchen Beitrag kann und soll unser Verband in den kommenden Jahren noch leisten?

Die Spendenbereitschaft unserer Landsleute war und ist beeindruckend! An dieser Stelle nochmals ein herzliches Danke an alle Spender! Es ist ein Beleg dafür, dass unsere Landsleute unsere Gemeinschaft hoch schätzen, sich darin wohlfühlen und unseren Kultureinrichtungen eine dauerhafte Bleibe sichern wollen. Und diese Gewissheit soll in die Leitgedanken unserer zukünftigen Verbandsarbeit einfließen. Um dieses Kulturzentrum lebensfähig zu machen, ist noch sehr viel zu tun: umfangreiche Brandschutz- und Umbaumaßnahmen sind notwendig, die sehr viel Geld kosten. Der Trägerverein Siebenbürgisches Kulturzentrum Schloss Horneck e.V. geht mit dem gespendeten Geld sehr verantwortungsbewusst um und wird versuchen, so viel wie möglich an Kosten für die notwendigen anstehenden Arbeiten am und im Schloss zu sparen, indem auf freiwillige Helfer aus den Reihen unseres Verbandes gesetzt wird, die unter fachlicher Leitung die anstehenden Arbeiten in ihrer Freizeit durchführen können. Ich erlebe es immer wieder, wie spontan und hilfsbereit sich Landsleute engagieren.

Das Fazit, das Sie sich zum Ende Ihrer Amtszeit wünschen würden?

In der Ruhe liegt die Kraft.


Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Schlagwörter: Herta Daniel, Bundesvorsitzende, Verbandstag, Interview, Bernd Fabritius

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