10. September 2014

Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Kulturerbe der Siebenbürger Sachsen nicht wegzudenken“

Berlin - „Die Bundesregierung steht zu ihrer Verantwortung für die Vertriebenen“, bekräftigte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel beim zentralen Festakt des Bundes der Vertriebenen zum Tag der Heimat am 30. August in Berlin. In ihrer Rede erinnerte Merkel an den von Deutschland vor 75 Jahren entfesselten Zweiten Weltkrieg und die NS-Verbrechen, zugleich an das Leid jener rund 14 Millionen Deutsche, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder fliehen mussten. Die Erinnerung an ihr Schicksal müsse wachgehalten werden. Der Bund der Vertriebenen zeichnete die Bundeskanzlerin mit der Ehrenplakette in Gold aus. An der feierlichen Veranstaltung nahm seitens des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius, MdB, Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen, teil.
Der zentrale Festakt des Bundes der Vertriebenen (BdV) zum „Tag der Heimat“ am 30. August in Berlin stand unter dem Leitwort „Deutschland geht nicht ohne uns!“. Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde mit der erstmalig verliehenen Ehrenplakette in Gold des Bundes der Vertriebenen ausgezeichnet für ihre außerordentlichen Verdienste um die Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel nimmt beim ...
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel nimmt beim zentralen Festakt zum Tag der Heimat in Berlin die Ehrenplakette in Gold aus den Händen der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, entgegen. Bildquelle: BdV-Archiv/Bildschön
BdV-Präsidentin Erika Steinbach, MdB, würdigte in ihrer Laudatio Merkels maßgeblichen Anteil an der Realisierung der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ als staatliche Einrichtung sowie an der Einführung eines nationalen Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung (siehe "20. Juni wird Gedenktag für Opfer von Flucht und Vertreibung"). Bundeskanzlerin Merkel betonte, sie nehme die ihr verliehene Ehrenplakette in Gold „vor allem als Ansporn für die Zukunft an“.

„Weg der Versöhnung bleibt ohne vernünftige Alternative“


Angela Merkel legte in ihrer Rede dar, dass die Erinnerung an das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen „in dreierlei Hinsicht“ wachgehalten werden müsse. Es gelte erstens an „die Schrecken von Flucht und Vertreibung“ zu erinnern, forderte die Bundeskanzlerin: „Die Schicksale der Vertriebenen sind uns Mahnung, dass Vertreibung unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist und niemals Mittel der Politik sein darf.“

Zweitens solle an die Heimat, die die Vertriebenen verlassen mussten, erinnert werden, so Merkel: „Auch Deutsche, die keine familiären Wurzeln östlich der Oder haben, sollten wissen, (…) dass die Siebenbürger Sachsen oder die Russlanddeutschen ihre eigene Kultur und ihr eigenes Brauchtum haben wie die Bayern, Sachsen oder Württemberger. Dieses Erbe ist nicht wegzudenken. Es ist Teil unserer kulturellen Identität in Deutschland und darüber hinaus in ganz Europa.“ Zur Pflege dieses kulturellen Erbes „wird die Bundesregierung die Kulturarbeit des Bundes mit Bedacht und Augenmaß weiterentwickeln“. Überdies werde die Bundesregierung die Angehörigen der deutschen Minderheiten in Ost- und Südosteuropa weiterhin fördern mit „Maßnahmen zur Wahrung und Stärkung ihrer Identität und zur Verbesserung ihrer Lebensperspektiven“. Dabei seien die „Bindung an die deutsche Sprache und die dauerhafte Sicherung ihrer kulturellen Identität“ von essenzieller Bedeutung. Auch künftig werde die Bundesregierung diesen Landsleuten ermöglichen, „ihre Zukunft in ihrer Heimat zu gestalten oder aber im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen nach Deutschland auszusiedeln“. Durch die 2013 erfolgte Novellierung des Bundesvertriebenengesetzes sei die Zusammenführung bislang getrennter Spätaussiedlerfamilien grundlegend erleichtert worden. Merkel lobte das häufig ehrenamtliche Engagement vieler beim Aufbau von Begegnungsstätten und Bibliotheken, bei der Restaurierung von Kirchen in den Heimatgemeinden, bei der Organisation von Ausstellungen und Studienfahrten. Dies fördere die Begegnung mit den in der Heimat Verbliebenen ebenso wie mit den europäischen Nachbarn.

Drittens solle auch an die Ankunft und Integration der Heimatvertriebenen erinnert werden. Trotz anfänglicher Ausgrenzung, Diskriminierung und wirtschaftlichem Abstieg nach dem Verlust von Hab und Gut sei die Integration der Vertriebenen gut gelungen, „eine Leistung, auf die wir stolz sein können“, unterstrich die Bundeskanzlerin.

Es müsse freilich noch mehr als bisher gelingen, führte Angela Merkel weiter aus, die Erinnerung an das Schicksal und die Kultur der Vertriebenen in die Gesellschaft zu tragen. Die derzeit „im Herzen Berlins“ im Deutschlandhaus entstehende Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ werde diese „wichtige erinnerungspolitische Aufgabe“ übernehmen. Merkel dankte BdV-Präsidentin Steinbach nachdrücklich für ihr langjähriges beharrliches Einfordern – „oft gegen Widerstand“ – eines sichtbaren Zeichens gegen Flucht und Vertreibung. Die Bundeskanzlerin verwies in diesem Zusammenhang auch auf den im Bundeskabinett kurz zuvor beschlossenen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung: „Ich bin sicher, dieser Gedenktag wird dazu beitragen, Schicksal und Kultur der deutschen Heimatvertriebenen vielen Deutschen in Erinnerung zu rufen, denen dieses Thema nicht oder nicht mehr bekannt ist.“ Das Gedenken werde aber „über das erlittene Unrecht der deutschen Vertriebenen am Ende des Zweiten Weltkriegs hinausgehen“, da bis in diese Tage Opfer von Flucht und Vertreibung „leider immer noch allgegenwärtig“ seien. Allein 2013 wären weltweit 51 Millionen Menschen vor kriegerischen und gewalttätigen Auseinandersetzungen geflohen oder wegen politischer, ethnischer oder religiöser Verfolgung gezwungen gewesen, ihre Heimat zu verlassen. „Wir müssen Verständnis und Empathie für die Flüchtlinge und Vertriebenen der heutigen Zeit haben“, appellierte Merkel. Der „Weg der Versöhnung“, den die deutschen Vertriebenen gegangen seien, indem sie „neue Brücken zu unseren Nachbarn geschlagen und damit das geeinte Europa mitgeprägt“ hätten, bleibe ohne vernünftige Alternative. Hierfür ebenso wie für Ihr gesamtes, meist ehrenamtliches Engagement danke ich Ihnen sehr“, betonte die Bundeskanzlerin am Ende ihrer Rede.

Im Veranstaltungsverlauf hielt neben der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, auch der Präsident des ungarischen Parlaments, László Kövér, als Ehrengast eine Ansprache. Im Anschluss an den Festakt legte BdV-Vizepräsident Dr. Bernd Fabritius im Namen des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer einen Kranz an der Gedenkstätte der Heimatvertriebenen nieder.

Christian Schoger

Schlagwörter: BdV, Tag der Heimat, Berlin, Bundeskanzlerin, Ehrung

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