11. Juni 2014

Baden-Württemberg unterstützt siebenbürgisch-sächsisches Kulturzentrum

Das Land Baden-Württemberg anerkennt das in Gundelsheim ansässige „bedeutendste siebenbürgisch-sächsische Kulturzentrum in der Bundesrepublik“, unterstrich der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall, MdL, bei der Kundgebung am Pfingstsonntag in Dinkelsbühl. In seiner Ansprache würdigte der SPD-Politiker den „hohen fachlichen kulturpolitischen Rang“ des Siebenbürgischen Museums „in der deutschen Museumslandschaft“. Baden-Württemberg werde den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat und zudem die Arbeit der den diesjährigen Heimattag mitausrichtenden Landesgruppe Baden-Württemberg weiterhin unterstützen. Lesen Sie im Folgenden die Rede des baden-württembergischen Innenministers Reinhold Gall im Wortlaut.
Sehr gerne bin ich der Einladung zu Ihrem diesjährigen Heimattag nach Dinkelsbühl gefolgt. Und ich muss schon sagen, alleine dieser tolle, dieser bunte, beeindruckende Festzug wäre Anlass genug gewesen, die baden-württembergischen Grenzen hin zu unserem befreundeten Nachbarland Bayern zu überschreiten. Es ist ein wunderbarer Anlass, denn der Heimattag mit seinen vielen Tausend Besuchern macht für alle Menschen, nicht nur in Bayern, Baden-Württemberg, ja, in ganz Deutschland sichtbar, wie sehr Sie, meine Damen und Herren, wie sehr die Siebenbürger Sachsen in ihrer Gemeinschaft verbunden sind, wie groß die Identifikation mit ihrer Geschichte und ihrer Tradition ist. Heute kommen die Siebenbürger Sachsen seit 1951 zum 64. Mal zu einem Heimattag zusammen. Alle diese Treffen haben hier in Dinkelsbühl stattgefunden, einer Stadt, die seit fast 30 Jahren eine gute Partnerschaft mit der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen pflegt. Deshalb habe ich mich gefragt, warum sich die Siebenbürger Sachsen wohl gerade in dieser Stadt so wohl fühlen. Ein Grund mag natürlich sein, dass viele von Ihnen hier und im gesamten süddeutschen Raum eine neue Heimat gefunden haben. Möglicherweise aber auch, weil dieses tolle Ambiente, dieses mittelalterliche Stadtbild von Dinkelsbühl an Städte und Dörfer in Siebenbürgen mit den Wehr- und Kirchenburgen erinnert. Vielleicht also, weil Dinkelsbühl heimatliche Erinnerungen hervorruft. Heimat – dieses Wort hat für alle Menschen einen besonderen Klang, besonders für diejenigen, die einmal etwas verloren haben, was ihnen Heimat gewesen ist.

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Denn: „Ohne Heimat sein heißt leiden“, so hat der russische Schriftsteller Dostojewski dies einmal beschrieben. Und so ist der heutige Tag nicht nur ein Bundestreffen, sondern dieser Heimattag ist vielmehr auch eine Reverenz an die Heimat. Dass das größte Fest, dieses große Fest mit Tanz und Unterhaltung, aber auch mit Erinnerung, Besinnung, mit Gottesdiensten außerhalb Siebenbürgens diesen Namen trägt, sagt uns, wie verbunden Sie sich mit Siebenbürgen fühlen, das über 800 Jahre lang Ihnen und Ihren Vorfahren Heimat war. Den Begriff der Heimat greift auch das Motto des diesjährigen Heimattages auf – „Heimat ohne Grenzen“.

Mit diesem Motto soll natürlich auch an das Schicksal von ca. 40 000 Landsleuten aus Nordsiebenbürgen erinnert werden. Nordsiebenbürgen war 1940 nach dem Zweiten Wiener Schiedsspruch zu Ungarn gekommen. Damit wurden zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Siebenbürger Sachsen politisch auseinander gerissen. Sie lebten nun in verschiedenen Staaten. Nach diesem – sozusagen politischen - Heimatverlust folgte im Jahr 1944 für die Deutschen in Nordsiebenbürgen die Evakuierung und Flucht, folgte der Verlust des Lebensmittelpunktes, der Verlust von Haus und Hof. Die in Rumänien verbliebenen Deutschen machte man mit verantwortlich für den Ausgang des Krieges und nahm sie in eine Art Sippenhaft.

Der baden-württembergische Innenminister Reinhold ...
Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall, MdL (SPD), spricht bei der Kundgebung vor der Schranne. Foto: Hans-Alfred Schüller (Don Alfredo)
Den Fortgang kennen wir alle. Im Januar 1945 wurden die arbeitsfähigen Männer und Frauen, unter ihnen etwa 30 000 Siebenbürger Sachsen, zum Wiederaufbau in die Sowjetunion deportiert. Viele von ihnen überlebten die schlimmen Jahre der Deportation nicht. Viele, die zurückkamen, wurden, in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands gebracht. Dies bedeutete letztlich eine weitere Trennung der ohnehin Leidgeprüften von ihren Familien, eine Trennung für weitere Jahre und Jahrzehnte. In diesem Zusammenhang bekommt der Begriff „Heimat ohne Grenzen“ noch eine andere Bedeutung. Eine Grenze hat über Jahrzehnte hinweg Europa in zwei Blöcke geteilt. Man nannte sie den „Eisernen Vorhang“. Diese Grenze trennte Ideologien, Staaten, Landschaften, Städte und Dörfer – und vor allem Menschen. Deshalb waren wir froh, dass ein Prozess der friedlichen Revolution angestoßen worden ist, aber auch durch die Weitsicht mächtiger Staatsmänner, wie Präsident Gorbatschow, der die Wege für dieses heutige Deutschland bereitet hat. Die Grenzen wurden im wahrsten Sinne des Wortes damals niedergerissen.

Ihr Bundesvorsitzender hat daran erinnert: 25 Jahre ist es jetzt her, seit die beiden deutschen Staaten wiedervereint worden sind. Aber den Begriff „Heimat ohne Grenzen“ sollten wir auch zukünftig nicht nur auf Deutschland beziehen. „Heimat ohne Grenzen“ galt und gilt natürlich auch für unser neues Europa! „Heimat ohne Grenzen“ verdeutlicht auch, dass Siebenbürger Sachsen immer über Grenzen hinweg sich mit großer gestalterischer Kraft einbringen in die Länder, in die Staaten, in denen sie ihren neuen Lebensmittelpunkt gefunden haben.

Ihr siebenbürgisch-sächsisches Kulturgut, ihre Identität, die wir heute wieder so toll vor Augen geführt bekamen, dient als Fundament hierzu, in ihr sind und bleiben sie auch zu Hause. Dies trifft auch auf die kleine Gemeinschaft in Siebenbürgen zu. „Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien hat als Kristallisationspunkt für ein selbstbewusstes 'Wir' gewirkt und das Selbstverständnis der kleinen deutschen Gemeinschaft in Rumänien Schritt für Schritt weiterentwickelt“. Diese Worte haben Sie, sehr geehrter Herr Dr. Fabritius, zum 20. Geburtstag des Forums selbst ausgesprochen.

Und dass es genauso ist, davon konnte ich mich selbst bei meiner Reise nach Hermannstadt und Kronstadt im vergangenen Jahr überzeugen. Bei meinen verschiedenen Gesprächen habe ich eine außerordentlich engagierte Gemeinschaft kennengelernt, die auf allen Ebenen bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Ich habe mit Vertretern der Politik gesprochen, Vertretern der Wirtschaft, mit Menschen, die in der Bildung tätig sind, und mit Vertretern der Kirche, beispielsweise auch mit Bischof Guib.

Den Mitgliedern des Deutschen Demokratischen Forums in den verschiedensten Gremien sage ich deshalb auch von dieser Stelle aus ganz herzlichen Dank für die tollen und vielfältigen Bemühungen, die sie in Rumänien wahrnehmen. Und ich freue mich sehr, dass heute Mitglieder des Forums, die ich auf meiner Reise in Hermannstadt kennen gelernt habe, heute auch in Dinkelsbühl sind. Herzlich willkommen, Frau Cosmatu, und vor allen Dingen herzlich willkommen, lieber Herr Johannis! Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen.

Lieber Herr Johannis, ich habe mich in „Ihrer“ Stadt, in Hermannstadt, sehr wohl gefühlt und war nachhaltig beeindruckt, was Sie als Stadtoberhaupt für Hermannstadt in den zurückliegenden Jahren geleistet haben. Es ist eine lebendige und attraktive Stadt, attraktiv auch für die Wirtschaft aus Baden-Württemberg, und hat als ehemalige Kulturhauptstadt Europas auch Siebenbürgen über seine Grenzen hinaus bekannt gemacht. Mit der Brukenthalschule, die ich gemeinsam mit ihrem Schulleiter Gerold Hermann besichtigt habe, besitzt Hermannstadt eine Exzellenzschule für die deutsche Sprache. Und wir wissen doch, von unserer Muttersprache geht die entscheidende Identitätswirkung für eine Minderheit aus. Sie ist Ausdruck der kulturellen Identität. Daher ist der Erhalt der deutschen Sprache auch entscheidend für das Bestehen der deutschen Minderheit in Rumänien. Gerade weil dies so wichtig ist, unterstützt das Bundesland Baden-Württemberg die Förderung der deutschen Sprache in Rumänien, in Siebenbürgen. Ich möchte hier die Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg nennen, die sich mit vielfältigen unterschiedlichen Projekten diesem Ziel der Förderung der deutschen Sprache verschrieben hat.

Das Land Baden-Württemberg hat aber natürlich auch einen ganz besonderen Blick auf die Siebenbürger Sachsen, die bei uns in Baden-Württemberg leben und, ich hoffe, sich bei uns auch wohlfühlen. Wenn man über die Siebenbürger Sachsen in Deutschland spricht, so kommt einem unwillkürlich ein geografischer Begriff in den Sinn: Ich meine Schloss Horneck in Gundelsheim in Baden-Württemberg.

Mit dem alten Deutschordensschloss, dem Museum und dem Archiv sowie dem Heimathaus wurde dort das bedeutendste siebenbürgisch-sächsische Kulturzentrum in der Bundesrepublik geschaffen. Das zentrale Museum außerhalb Rumäniens beansprucht zu Recht einen hohen fachlichen kulturpolitischen Rang in der deutschen Museumslandschaft und genießt einen hervorragenden Ruf über unsere Grenzen hinaus. Die Sammlungen des Siebenbürgen-Instituts gelten heute als eine Art „Nationalbibliothek“ und als „Nationalarchiv“ der Siebenbürger Sachsen. Auf Schloss Horneck hat sich eine besondere Symbiose entwickelt, nämlich Geschichte auch wissenschaftlich aufzuarbeiten und sie zu bewahren, in Verbindung zu bringen beispielsweise mit Zeitzeugen, die sich dort begegnen können, und beide ergänzen sich meines Erachtens hervorragend. Natürlich ist Schloss Horneck auch ein Ort der Erinnerung und ein Ort der Pflege und des Fortbestehens des Kulturerbes der Siebenbürger Sachsen. Und dass dies so bleibt, dazu will das Land Baden-Württemberg nach seinen Möglichkeiten beitragen und wird auch in Zukunft den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat und die Arbeit der Landesgruppe der Siebenbürger Sachsen weiter unterstützen.

Liebe Festgäste, ich freue mich ganz besonders, wie viele junge Menschen heute den Heimattag auch zu ihrem Tag gemacht haben, sich treffen, sich freuen, sich austauschen, die sich aber auch mit ihrer Geschichte beschäftigen. Das ist die Versicherung dafür, dass die Kultur der Siebenbürger Sachsen lebendig bleibt, dass sie gelebt wird.

Abschließend sei es mir gestattet, dass ich bei den Mitausrichtern des diesjährigen Heimattages, bei der Landesgruppe aus Baden-Württemberg mich ganz herzlich bedanke, bei ihrem Vorsitzenden, bei Ihnen, Herr Mrass, weil Sie ein tolles Programm für den Heimattag, für die vielen Tausend Teilnehmer auf die Beine gestellt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich nochmals bei Ihnen ganz herzlich zu bedanken für das Programm, das Sie im zurückliegenden Jahr für meinen Besuch in Siebenbürgen zusammengestellt haben. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und Begleitung. Sie haben mir Ihre Heimat sehr nahe gebracht und bleibend in Erinnerung gesetzt!

Ich wünsche allen Besuchern des Heimattages noch eine schöne Zeit heute und morgen in Dinkelsbühl. Ich wünsche Ihnen viel Freude mit dem vielfältigen Programm und den Begegnungen in landsmannschaftlicher Verbundenheit. Ihnen allen sage ich ganz herzlichen Dank für das gute Miteinander, das wir in diesen Jahren und Jahrzehnten bereits gepflegt haben und auch in Zukunft noch pflegen werden!

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Schlagwörter: Heimattag 2014, Dinkelsbühl, Kundgebung, Baden-Württemberg

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