17. September 2016

Hedwig Kellner: Owendgewedder

In diesem Sommer 2016 haben wir – mancherorts schwere – Gewitter erlebt. Vor 20 Jahren hat Hedwig Kellner in dem Mundartgedicht "Owendgewedder" das Toben eines Gewittersturmes mit starkem Regen und Hagel bei anbrechender Nacht beschrieben.
Im häuslichen Raum geborgen, fürchtet sie nicht um die eigene Sicherheit. Quälend ist jedoch die Vorstellung der Verwüstungen, die im geliebten Gärtchen möglicherweise angerichtet werden. Wer hätte aber nicht auch schon mal diese Erfahrung gemacht: Man tritt am nächsten Morgen hinaus und – siehe da! – der Schaden ist doch nicht so groß, wie befürchtet. Könnte der sichtbar werdende Stern ein Symbol solcher Hoffnung sein? Bei Hedwig Kellner kommt sie formal zum Ausdruck: Dem Chaos in der Natur setzt die Autorin im Gedicht eine wohlgeordnete und streng durchgehaltene Gliederung der Verse entgegen.

Hanni Markel und Bernddieter Schobel




Hedwig Kellner

Owendgewedder


De Iërd låt ställ äm Owendfridden
vum schwårzen Hemmel zeagedakt;
gånz lies kitt uch de Noocht geschridden.



Gespenstesch flommt e Lächtschenj åf,
verschwåndj dron ierest än dem Deankel;
et koocht und prorrelt än der Låft.


Nea kråcht et, dått de Fenster klirren,
der Wändj tuewt schauerlich ämt Haus
und scherrelt wäld un ållen Dirren.


Däck Trope klåtschen un de Scheiwen,
Hoolkedjer schlohn mät Kråft unt Glos
und durch de Låft de Blädder dreiwen.


Wie än der Stuww um Fenster stiht,
äm Sächern vuer dem bise Wädder,
dem diet et äm de Flånze lied,


däi eageschätzt äm Goorte stohn.
Wäi knäckt der Sturm är Eest uch Stonjel,
wäi wärde se vum Hool zeschloon!


Det Wädder tuewt sich endlich aus,
et kråcht noch iest, dron äs et ställ;
um Hemmel kitt e Stern eraus.


De åfgestiërt Natur fånjdt Reah,
de Noocht mät ärem deankle Månkel
dakt gnedij ålle Wåndjen zea.

Mai 1996

Schlagwörter: Saksesch Wält, Nundart, Gedicht

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