12. März 2007

Neue Gräberfunde bei Marienburg

Die Ortschaft Marienburg liegt auf dem linken Ufer des Alt, nur 17 Kilometer nordöstlich von Kronstadt (Brașov) entfernt. Bereits im Mittelalter war die Siedlung unter zwei verschiedenen Namen bekannt: Der erste, Feldioara, ist vom ungarischen Wort Földvár abzuleiten, was soviel wie „Erdburg“ bedeutet. Der zweite Name, Marienburg – d. h. die Festung der Heiligen Maria – wurde von den deutschen Kolonisten verwendet und geht wahrscheinlich auf die Niederlassung der Kreuzritter im Burzenland im Jahr 1211 zurück, deren Ordenspatronin die Heilige Maria war.
Die von der heutigen Siedlung überlagerte historisch-archäologische Anlage befindet sich auf einer circa 20 Meter spitz zulaufenden hohen Terrasse, die vom Westen nach Osten in die Altaue eindringt. Hier liegen Spuren aus mehreren Perioden vor: aus dem Neolithikum, aus der Bronze-, Hallstatt-, La Tène- und Römerzeit sowie aus dem Mittelalter.

Das Archäologische Institut „Vasile Pârvan“ in Bukarest initiierte die Ausgrabungen in Marienburg. Die Arbeiten begannen im Sommer 1994 unter der Leitung des früh verstorbenen Radu Popa, unter Mitarbeit der Direktion für Archäologische Denkmäler und Historische Siedlungen (1990-1993) sowie des Militärischen Nationalmuseums (1991-1995). Die wichtigste Entdeckung bestand aus einer Nekropole mit über 100 Gräbern, die ein besonderes Bestattungsritual aufweisen: Die Grabgruben sind nach den Konturen des menschlichen Körpers ausgehoben, wobei für den Kopf ein nischenartiger Raum vorgesehen ist. Die in ein Grabtuch eingewickelten Verstorbenen wurden demnach ohne Holzsarg in die Erde gelegt. Die Nekropole wird mit der Anwesenheit der ersten deutschen Siedler im Burzenland in Zusammenhang gebracht, die sich dort noch vor den Kreuzrittern, schon unter der Herrschaft Geisas II. (1141-1162), niederließen. Da das zutage beförderte Denkmal in den Jahren 1998-1999 von einem Pilz befallen wurde, wurden die nachfolgenden Forschungen nur noch gezielt an der evangelischen Kirche durchgeführt.

Marienburg im Burzenland, Stahlstich von F. Foltz nach einer Vorlage von Ludwig Rohbock, um 1860, 11,7 x 16,4 cm
Marienburg im Burzenland, Stahlstich von F. Foltz nach einer Vorlage von Ludwig Rohbock, um 1860, 11,7 x 16,4 cm


1999 mussten die Ausgrabungen aus finanziellen Gründen unterbrochen werden. Dank der großzügigen Unterstützung von Dipl.-Ing. Hans-Christian Habermann, dem Vorsitzenden der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung München, wurden sie im Sommer 2006 wieder aufgenommen. Die Arbeiten beschränkten sich auf den südöstlichen Hofteil der evangelischen Kirche.

Bei der von August bis September 2006 durchgeführten Grabungskampagne wurden 20 Fundkomplexe erforscht: Vier stellten Bestattungen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts dar, während die übrigen 16 sich in die Zeit vom 14.-17. Jahrhundert datieren lassen. Die vier Gräber aus dem 12. Jahrhundert sind ohne Grabbeigaben. Als einziger Gegenstand wurde eine eiserne Pfeilspitze zwischen den Rippen eines Skelettes gefunden. Der Pfeil ist von hinten in den Körper eingedrungen und hat anscheinend den Tod des im Grab Liegenden verursacht. Dabei haben wir es vielleicht mit einem Jugendlichen (oder auch einer Frau) zu tun, der oder die durch einen Pfeil, vermutlich während einer Kumanen-Invasion in das Burzenland, ums Leben kam. Somit ist dies der erste archäologisch belegte Siedler, der bei der Verteidigung der neu gegründeten Siedlung starb.

Die späteren Gräber unterscheiden sich von denen aus dem 12. Jahrhundert durch die fehlende Kopfnische und die Tatsache, dass bei den Verstorbenen die Arme beziehungsweise die Hände auf der Brust oder auf dem Bauch lagen. Die Skelette aus den früheren Gräbern hatten die Arme entlang des Körpers gestreckt.

Sehr viele Gräber sind durch spätere Bestattungen zerstört worden, in einigen kamen Holzreste und Eisennägel von Särgen ans Tageslicht. In einem einzigen Grab fand man fünf Bronzeringe als Beigabe. Dies stellt einen sehr seltenen Fall dar – in Marienburg jedenfalls ein Unikum –, da die Gräber der sächsischen Bauern bekanntlich sehr sparsam mit Beigaben versehen worden waren.
Bei den Ausgrabungen trat unter der jetzigen Umfassungsmauer auch ein Baufundament zutage, das sich anscheinend unter der asphaltierten Kommunalstraße fortsetzt. Der Grundbau besteht aus großen Steinen im Mörtelverband (Kalk-Sand-Mischung) und hat eine Dicke von ungefähr 80-100 Zentimetern. Beim heutigen Forschungsstand sind die Chronologie und der Zweck dieser Konstruktion noch nicht zu bestimmen. Die Keramikfragmente aus dem 16.-17. Jahrhundert, die oberhalb des Fundamentes gefunden wurden, erlauben aber die Vermutung, dass der Bau in dieser Zeit niedergerissen worden sein dürfte. Außer den bereits erwähnten Funden wurden auch Scherben aus verschiedenen Perioden (Bronze- und Römerzeit, Mittelalter) entdeckt.

Wegen der großen Zahl an Bestattungen in diesem Bereich des Kirchenhofes und der daraus resultierenden extremen Mischung der Materialien kann die Altersfolge der Schichtgesteine (Stratigraphie) nicht bestimmt werden. So bleibt zunächst unklar, wann das Fundament unter der Umfassungsmauer im Vergleich zu den verschiedenen Bauphasen der Kirche entstanden ist. Von den folgenden Grabungskampagnen erhoffen wir präzisere Angaben über den Aufbau der Kirche.

Die archäologischen Grabungen werden im Sommer 2007 fortgesetzt. Zu den Zielen gehören vor allem weitere Untersuchungen des Gräberfeldes sowie die eventuelle Entdeckung von Bauten und auch Überresten, die unmittelbar mit der Anwesenheit der Kreuzritter in Verbindung gebracht werden können.

Dr. Adrian Ioniță


Weiterführende Literatur: Adrian Ioniță, Dan Căpățână, Nikolaus Boroffka, Rodica Boroffka, Adrian Popescu: Feldioara/Marienburg – Contribuții arheologice la istoria Țării Bârsei [Archäologische Beiträge zur Geschichte des Burzenlandes], București, Editura Academiei, 2004.

Schlagwörter: Kulturspiegel, Einwanderung, Archäologie

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