27. Oktober 2005

Siebenbürgen mit anderen Augen gesehen

Seit Jahren erlebt Siebenbürgen einen regelrechten Tourismusboom. Was nehmen Reisende bei ihrem ersten Aufenthalt wahr? – Davon künden die beiden folgenden Berichte zweier sehr unterschiedlicher Reisegruppen aus Deutschland, die in diesem Sommer das „Land des Segens“ erkundeten. Neben der „Unternehmungslust unserer eingeschworenen Gruppe“ beeindruckte Antje Krauss-Berberich „dieses infrastrukturell noch teilweise – Gott sei Dank – unentwickelte Land, die tagelange Radfahrt auf durchlöcherten Straßen, auf und ab, schwitzend, mit verdientem Picknick am Bach ...“. Den ersten Reisebericht hat eine Arbeitsgruppe im Rahmen des Pressereferentenseminars in München gemeinschaftlich redigiert.
Radeln durch die Vergangenheit


Zehn Radlerinnen und Radler aus Ebersberg und Grafing bei München unternahmen vom 15. bis 30. Mai 2005 eine von der gebürtigen Kronstädterin Antje Krauss-Berberich mit organisierte Fahrradtour durch Siebenbürgen und die Bukowina. Den Bericht von Eva Egerer-Niederreiter, einer gebürtigen Münchnerin, geben wir in verkürzter Form wieder.

Rumänisch-orthodoxe Choräle, farbenprächtige, in grüne Hügel gebettete berühmte Klöster (Humor, Sucevita, Moldovita, Voronet) sind nur wenige Ausschnitte des Spektrums, das sich einem Rumänienreisenden bietet. Unser Reiseleiter Radu Zaharie, sprachgewandter, ehemaliger Schüler der Brukenthalschule, ermöglichte uns mit seinem Hintergrundwissen das Eintauchen in die Geschichte dieses Landes. Wir hatten eine Woche Zeit, um die Landschaft und die Gastfreundschaft der Menschen in der Bukowina zu erfahren. In der zweiten Woche führte uns der Reiseleiter durch die Welt der Kirchenburgen Siebenbürgens. Wir wohnten in ehemals deutschen Städten und Dörfern, wo heute Ungarn und Rumänen, seltener auch Siebenbürger Sachsen leben. Die deutsche Bevölkerung in Siebenbürgen ist nach der Wende 1989 stark geschrumpft. In Kronstadt besuchten wir die Schwarze Kirche, in der ein Konzert Eckhart Schlandts und eines Bukarester Kinderchors stattfand. Ein Instrumentenbauer gewährte uns in der ehemaligen Gerbergasse, jetzt Schwarzgasse, Unterkunft. Wir erfuhren wichtige Details über das siebenbürgische Leben in der deutschen Diaspora.

Wir besuchten Schäßburg, das siebenbürgische „Rothenburg“, und Hamruden, wo wir dem Kirchenkurator begegneten. In Hermannstadt bezogen wir unsere Zimmer im Altenheim Dr. Carl Wolff und fühlten uns geborgen. Hermannstadt wird zusammen mit Luxemburg europäische Kulturhauptstadt 2007, und es tut gut zu sehen, wie die Schönheiten dieser an Geschichte so reichen Stadt allmählich wieder strahlen.

Wir haben von dieser Tour viel, sehr viel mit nach Hause genommen. Die Reise in die rumänische, aber auch unsere eigene Geschichte hat gut getan. Uns ist klar geworden: Ein genauer Blick auf eine mit Vorurteilen belastete Beziehung, wie die zwischen Deutschen und Rumänen, kann zu positiven Ergebnissen führen.

Ökumenische Gruppe beeindruckt


Im Gemeindebrief der Evangelischen Kreuzkirchengemeinde Ludwigsburg berichtete Pfarrer Martin Kreuser kürzlich von einer dreiwöchigen Siebenbürgenreise, die er mit einer ökumenischen Reisegruppe aus Ludwigsburg Ende Juli unternommen hatte. Die Anregung zu der privat organisierten Reise kam von einem siebenbürgischen Ehepaar in Ludwigsburg.

Nach drei überaus erlebnisreichen Wochen in Siebenbürgen kann ich die Trauer vieler Übersiedler aus ehemals deutschen Gebieten besser verstehen und sogar nachempfinden. Sie haben eine Heimat zurücklassen müssen, die über Jahrhunderte hinweg deutsch geprägt und kultiviert worden ist. In Siebenbürgen hat der deutsche Bevölkerungsteil über viele Generationen hinweg in Toleranz mit seinen Nachbarn gelebt; und was mich sehr beeindruckt hat: Das Bildungsgebot der Reformation wird bis in die Gegenwart weiter vorangetrieben.

Unsere 34-köpfige, zumeist jugendliche ökumenische Reisegruppe war im evangelischen Erholungsheim in Wolkendorf untergebracht. Der Urlaub war erlebnisreich. Wir sind auf Bärenspuren gestoßen und haben Karpatengipfel bezwungen. Die deutsch-rumänischen Jugendbegegnungen fanden inmitten von Kuhfladen bei hochklassig geführten Fußball-Länderspielen (7:9, 10:11, 8:6) auf dem örtlichen Bolzplatz statt. Unterwegs waren wir im Zug, per Anhalter, auf Pferdefuhrwerken und mit an Ort und Stelle gecharterten Sprinter-Bussen. Dabei haben wir junge Rumänen kennen gelernt, die sich und ihr Land voranbringen wollen. Allen voran unser Busfahrer Florin! Vierstimmig im Chor traten wir auf im Gottesdienst in Zeiden, auch in Wolkendorf und im Altenheim Schweischer wurde musiziert. Unsere ehemalige Mesnerin Katharina Dörr hat uns dort zu einer eindrücklichen Begegnung verholfen. Wir spürten: Die beeindruckenden Kirchenburgen sind viel zu groß für die sehr klein gewordenen Gemeinden. Doch ob in Schäßburg oder Mediasch, ob in Kronstadt oder Birthälm: Überall sind wir auf junge Christen gestoßen, die sich zu ihrem Glauben bekennen und davon erzählen können. Bei der Heimreise geleiteten die Grenzer eine Schar von Rumänen aus dem Zug, die ohne Visum in die EU einreisen wollten – für viele die einzige Möglichkeit, durch Arbeit Geld zu verdienen.

Schlagwörter: Reisebericht, Kronstadt, Hermannstadt

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.