24. März 2020

Rumänien in der Corona-Krise

Staatspräsident Klaus Johannis hat am 16. März den Notstand in Rumänien für 30 Tage ausgerufen, um die Verbreitung von Covid-19 effektiver eindämmen zu können. Der Notstand bietet der Regierung die rechtliche Grundlage, um dem Gesundheitsministerium dringend benötigte Finanzmittel für den Kauf von medizinischer Schutzausrüstung, Analyseausstattung und Desinfektionsmitteln zuzuweisen. Der Notstand ist laut Gesetz auf 30 Tage beschränkt, kann aber bei Bedarf verlängert werden. Am 18. März waren in Rumänien 246 Corona-Infektionsfälle gemeldet.
Rumänien reagierte damit trotz noch moderater Fallzahlen vorausschauend, sowohl im Hinblick auf die zu erwartende Flut an Auslandsrückkehrern aus stark betroffenen Ländern wie Italien und Spanien, aber auch in Anbetracht der Tatsache, dass zahlreiche Bürger die Auflagen zur häuslichen Isolation und Quarantäne brechen. Angesichts der immer drastischeren Beschränkungen in anderen Ländern Europas rief die Regierung zudem die rund vier Millionen Auslandsrumänen auf, über die Osterzeit nicht nach Hause zurückzukehren. Rückkehrer aus roten Zonen müssten ausnahmslos für 14 Tage in Quarantäne, jene aus gelben Zonen für dieselbe Zeit in häusliche Isolation. Am 17. März gab Innenminister Marcel Vela die Maßnahme bekannt, dass Lokale schließen müssten. Das Gastgewerbe wurde auf Lieferungen und Abholservice beschränkt. Sämtliche Veranstaltungen in geschlossenen Räumen wurden untersagt, im Freien auf 100 Personen mit Mindestabstand von einem Meter beschränkt. Seit dem 18. März sind alle Flüge von und nach Spanien gestrichen. Die Italien-Flugsperre wurde auf weitere 14 Tage verlängert.

Größtes Problem: Ignoranz seitens der Bürger

Wegen mehrfacher Missachtung der Maßnahmen gegen die Verbreitung von Covid-19 wurde am 20. März ein Regierungserlass herausgegeben, demzufolge Zuwiderhandlungen mit Gefängnisstrafen von drei bis 15 Jahren belegt werden können. Wird als Folge jemand angesteckt, können fünf Jahre verhängt werden, stirbt diese Person, erhöht sich die Haftstrafe auf 15 Jahre.

Bereits am 22. März mussten diese Maßnahmen erneut verschärft werden. Die Fallzahlen waren inzwischen auf 367 gestiegen. Eine militärische Ordonanz schränkt nun die Bewegungsfreiheit der Bürger ab dem 23. März stark ein: Außerhalb der eigenen Wohnung dürfen sich nur noch maximal drei aus verschiedenen Haushalten stammenden Personen treffen. Von 6 bis 22 Uhr wird das Verlassen der Wohnung nur für die allernötigsten Versorgungsgänge und wenige klar definierte Zwecke, etwa im Interesse des Arbeitgebers, erlaubt. Noch handelt es sich um eine Empfehlung. Nachts, zwischen 22 und 6 Uhr, wird diese obligatorisch: Wer dann auf der Straße anzutreffen ist, muss einen Erlaubnisschein oder eine schriftliche Eigenerklärung vorweisen. Wer die Pflicht zur häuslichen Isolation oder institutionalisierten Quarantäne verletzt, wird von Ordnungskräften zurückgebracht und bewacht, die Isolationszeit auf erneute 14 Tage erhöht, eine Strafe von 4000 Euro erhoben und ein Strafverfahren eröffnet.
Hermannstadt in Zeiten der Corona-Krise: Trotz ...
Hermannstadt in Zeiten der Corona-Krise: Trotz Sonnenschein ist der Große Ring fast menschenleer, 17. März 2020. Foto: Mugur Frățilă (Hermannstädter Zeitung)
Die Verschärfung der Maßnahmen innerhalb kurzer Zeit resultiert aus dem unverantwortlichen Handeln zahlreicher Bürger. Mehrere Infizierte oder Verdachtsfälle waren aus Krankenhäusern oder Quarantäne-Unterkünften ausgebrochen. Ein Infizierter aus Spanien hatte seine Diagnose verheimlicht und war am 17. März in Madrid in ein Flugzeug nach Bukarest gestiegen und riskierte dadurch wissentlich die Infektion von ca. 60 Personen. Betreiber von Lokalen ignorierten die Pflicht zu schließen. Das größte Problem in der Bekämpfung der Verbreitung von Covid-19 ist die Ignoranz in der Bevölkerung; aber auch die Bereitschaft, aus der Krise Profit zu schlagen: Mehrere Strafverfahren wurden wegen illegaler Ausfuhr von medizinischem Schutzmaterial und Betrug mit solchem eröffnet. Am Klausenburger Flughafen wurde am 18. März der Versand von 10 000 Atemschutzmasken und medizinischen Schutzmaterial nach Italien aufgehalten.

Wirtschaftliche Konsequenzen

Die im Rahmen der Corona-Krise getroffenen Maßnahmen bleiben nicht ohne Folgen auf die Wirtschaft. Am 17. und 18. März hatten die größten Autokonzerne in Rumänien, Dacia und Ford, die Schließung ihrer Werke in Mioveni bzw. Craiova bis zum 5. April verkündet. Insgesamt 20 000 Angestellte wurden mit Lohnkürzungen in Zwangsurlaub geschickt. Über Zulieferfirmen hängen von diesen weitere Unternehmen und Arbeitsplätze ab. Stark betroffen sind auch der Transport- und Flugsektor, die Tourismusindustrie und das Gastgewerbe. Und nicht zuletzt bricht für die zahlreichen Rumänen, die im Ausland als Saison- oder Gastarbeiter tätig waren, die Wirtschaftsgrundlage weg.

Auch im Ausland stürzt das Fehlen rumänischer Arbeiter einige Branchen in die Krise. Laut Wiener Zeitung kommt die Hälfte der ca. 62 000 selbstständigen Betreuer für pflegebedürftige Personen in Österreich aus Rumänien. Die Schließung der ungarischen Grenze verhindert nun ihre Anreise. In Deutschland fehlen die Erntehelfer für die anstehende Spargelernte. Laut Beelitzer Spargelverein (Berlin) kommen 85 Prozent der Helfer aus Rumänien. Doch Busfahrer weigern sich, die Fahrt nach Deutschland anzutreten, denn bei Rückkehr müssen sie in Rumänien für 14 Tage in Quarantäne.

Menschen helfen Menschen

Trotz der widrigen Umstände haben sich in mehreren Städten Netzwerke von Freiwilligen gebildet, die Senioren und Risikopersonen sowie in Isolation oder Quarantäne befindliche Bürger mit Besorgungsgängen unterstützen. In Kronstadt gibt es eine Initiative des Demokratischen Forums der Deutschen: Helfer vermitteln Robert Marian und Paul Binder vom Jugendforum, Hilfsbedürftige können sich per E-Mail an binder.paul[ät]gmail.com oder robert.e.marian[ät]gmail.com wenden.

Nina May

Schlagwörter: Rumänien, Krise, Corona, Klaus Johannis

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