28. Mai 2019

Rumänen stimmen für Rechtsstaat und Europa: Historische Schlappe der PSD beendet die Ära Dragnea

Bei den Europaparlamentswahlen und dem Referendum zur Justiz ist es am Sonntag, dem 26. Mai, in Rumänien zu einer historischen Wahlmobilisierung gekommen. Obwohl eine große Zahl an Diaspora-Rumänen die Wahlurnen wegen schlechter Organisation nicht erreichten – entsprechend groß war der Unmut in den sozialen Netzen – spricht das Ergebnis für sich: Rumäniens Bürger erteilten der Regierungspartei PSD eine klare Absage und unterstützten das Referendum von Staatspräsident Klaus Johannis für eine unabhängige Justiz mit überwältigender Mehrheit.

Referendum mühelos angenommen

Die hohe Wahlbeteiligung von 41,28 Prozent beim Referendum zeigt klar, dass die Mehrheit der Rumänen eine unabhängige Justiz wünscht, ohne Eilverordnungen und Begnadigungen in Korruptionsfällen. Die erste Schwelle für die Validierung des Referendums wurde schon am Sonntag um 17 Uhr erreicht, als die Wahlbeteiligung die 30 Prozent Hürde überstieg. Für die zweite Schwelle mussten 25 Prozent der Wähler die beiden Referendumsfragen bejahen, tatsächlich taten dies mehr als 89 Prozent. Im Inland beteiligten sich 7 541 311 Bürger am Referendum, davon 4 428 590 aus dem städtischen und 3 112 721 aus dem ländlichen Umfeld. Die Europäische Kommission begrüßte das Ergebnis des Referendums ausdrücklich, ein Sprecher verkündete, man erwarte nun entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung.

Europawahl: Überwältigender Sieg für die Opposition

Bei der Wahl der Europaparlamentarier hat die Opposition einen kolossalen Sieg eingefahren. Die Prozentpunkte der PSD hingegen sanken auf ein historisches Minimum. Experten sprechen auch hier von einer Rekordwahlbeteiligung mit 49,02 Prozent. Nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen gab die Zentrale Wahlbehörde am 27. Mai folgendes vorläufiges Ergebnis bekannt: Die liberale PNL erreichte 26,23 Prozent der Stimmen und lag damit in Führung. Die Allianz USR-PLUS kam auf 20,51 Prozent, während die PSD (im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen 2016) um 20 Prozentpunkte auf 23,68 Prozent absackte. Die ALDE verpasste mit nur 4,24 Prozent den Einzug ins Europaparlament. Der Ungarnverband UDMR und die PMP schafften die Hürde mit 6,07 und 5,55 Prozent, jedoch nur knapp. Die von Ex-Premier Victor Ponta gegründete Partei Pro-România erhielt immerhin 7,01 Prozent und wird damit im Europaparlament vertreten sein. Überraschend ist das Wahlergebnis der Allianz USR-PLUS, die erstmals an den Europawahlen teilnahm: Sie erzielte die Mehrheit vor allem in den großen Städten: Bukarest, Klausenburg, Kronstadt, Jassy, Konstanza, Temeswar, Galatz, Craiova, Pitești, Ploiești und Buzău. In der Hauptstadt erreichte sie sensationelle 46 Prozent, in der Diaspora über 42 Prozent.

Das schlechte Ergebnis für die PSD ist vor allem Parteichef Liviu Dragnea zuzuschreiben, der durch umstrittene Justizreformen bis zuletzt versucht hatte, seine Verurteilung wegen Korruption zu vereiteln. Dragnea ist jedoch am Montag nach der Wahl rechtskräftig zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden und sitzt bereits in der Haftanstalt Prahova ein (diese Zeitung berichtete). Die Interimsleitung der Partei hält Premierministerin Viorica Dăncilă inne. Sie gilt auch als Favoritin für seine Nachfolge. Mit Dragneas Verhaftung steht auch die Neubesetzung seines Postens als Präsident der Abgeordnetenkammer dringend an.

Diaspora: Chaos in den Wahllokalen

Im Ausland sorgten lange Warteschlangen vor den Wahllokalen für große Aufregung. Manche Wähler standen bis zu sieben Stunden an. In einigen Lokalen gingen die Wahlformulare aus. Hunderttausende Rumänen – selbst in großen Städten wie München, Berlin, Stuttgart oder Nürnberg – erreichten die Urnen nicht mehr vor Schließung der Wahllokale. Dennoch wurde die auf 21 Uhr festgelegte Zeit der Schließung von der Bukarester Zentralen Wahlbehörde nicht verlängert. Laut dieser nahmen an der Abstimmung im Ausland nur 375 219 Personen teil. Tatsächlich leben jedoch etwa fünf Millionen wahlberechtigte Rumänen außerhalb des Landes, davon über die Hälfte in der EU. Die Stimmen der Auslandsrumänen reflektieren im Wesentlichen das Wahlergebnis im Inland. USR-Chef Dan Barna kündigte an, sich dringend für ein Gesetz zur Briefwahl und zur elektronischen Wahl einsetzen zu wollen. Alt-Präsident Traian Băsescu forderte auf Facebook den Rücktritt von Außenminister Teodor Meleșcanu. Revista 22 berichtet von einer bereits eingeleiteten Online-Petition zu dessen Rücktritt, die 65 000 Unterschriften in den ersten 24 Stunden erzielte.

Umfragen: Rumänien geht den falschen Weg

Bereits im Vorfeld zu den Wahlen zeichnete sich eine generelle Unzufriedenheit der Rumänen mit dem Kurs der derzeitigen Regierung ab: Einer INSCOP-Umfrage vom Zeitraum 12. April bis 3. Mai 2019 zufolge meinten 76,4 Prozent der befragten Bürger, ihr Land entwickle sich in die falsche Richtung. Nur 18,5 Prozent waren gegenteiliger Meinung, der Rest unentschlossen. Die Zahl der Pessimisten in Bezug auf die Entwicklung Rumäniens nimmt zu, wie eine vergleichende Statistik von INSCOP im Auftrag der Konrad Adenauer Stiftung verrät: Im Januar dieses Jahres waren es 71,6 Prozent Pessimisten, im März 72,8 Prozent, aktuell 76,4. Konkret bezeichneten 76 Prozent die wirtschaftliche Situation des Landes als schlecht oder sehr schlecht, 78,3 Prozent das Bildungswesen und 83 Prozent das Gesundheitswesen. Am meisten besorgt die Bürger das Niveau der Korruption (84,2 Prozent), gefolgt von der Schere zwischen Arm und Reich (73,7 Prozent), der Umweltverschmutzung (72,2 Prozent), der Lage der nationalen Wirtschaft (70,6 Prozent) und der Gefahr eines bewaffneten Konflikts in der Region (44 Prozent).

Hingegen sind 54 Prozent der befragten Rumänen der Ansicht, Europa gehe den richtigen Weg, 30 Prozent sind gegenteiliger Meinung und 15 Prozent unentschlossen. Im Vergleich zu den Vormonaten ist eine steigende Tendenz der Europa-Optimisten zu erkennen. Die Anzahl jener, die meinen, Europa entwickele sich in die richtige Richtung, nahm stetig zu: Im November 2018 waren es 41,2 Prozent, im März 2019 bereits 46,7 Prozent und in der aktuellen Umfrage über 50 Prozent.

Nina May

Schlagwörter: Wahlen, Europawahlen, Referendum, Justiz, Klaus Johannis, Korruptionsbekämpfung, Liviu Dragnea

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