8. Februar 2019

50 Jahre seit Wiederbelebung des Urzeltages in Agnetheln/Jubiläum festigt Freundschaften

Es gab in den 1960er Jahren das so genannte Tauwetter in der Minderheitenpolitik Rumäniens, als man u.a. versuchte, der Auswanderung der Siebenbürger Sachsen entgegenzuwirken. In Agnetheln lebte damals die junge Chemielehrerin Erika Berger, eine Nordsiebenbürgerin, die den Urzelbrauch noch nie erlebt, jedoch die Begeisterung beim Erzählen aus dessen Geschichte mitbekommen hatte. Sie nutzte beherzt die Gunst der Stunde, überzeugte Politiker und schaffte es mit kundigen Agnethlern, dass der Urzeltag 1969 nach langer kriegsbedingter Pause wieder erlaubt wurde. Bis 1990 war der Urzeltag das größte Fest der Agnethler, das auch viele Gäste von auswärts anzog. 2006 von Bogdan Pătru neu belebt, ist es seit 2007 als „Fuga lolelor“ wieder das größte Fest in Agnetheln.
Der Vorabend war nicht nur der Heimkehr vieler Agnethler aus der ganzen Welt vorbehalten, sondern bot neben herzlichen Begrüßungen auch einen bebilderten Vortrag von Bogdan Pătru über die Wiederbelebung des Urzelbrauches 1969 und die Entwicklung danach. Zeitzeugen ergänzten den Vortrag, so dass die meist sehr jungen Zuhörer die Atmosphäre der Diktatur und des sächsischen Gemeinschaftssinnes schmecken konnten.

„Parada lolelor“ heißt der Umzug, den heuer am 27. Januar 261 lole (rumänisch für Urzeln), darunter einige aus Deutschland, gestalteten. Die Traditionsfiguren präsentierten die Zünfte nach altem Muster. Vor dem Rathaus begrüßte der stellvertretende Bürgermeister Murgoci Costel im Namen der Stadt, Zunftmeister Radu Curcean und Bogdan Pătru boten einen kurzen geschichtlichen Hintergrund für das Jubiläum, dankten für die Anstrengungen der Helfer und schworen die Urzeln auf diesen besonderen Festtag ein. Doris Hutter überbrachte den Gruß der HOG Agnetheln und der Nürnberger Urzeln und betonte, dass Erika Berger sich 1969 das Siebenbürgenlied für den Urzeltag gewünscht und man es auch durchgesetzt hatte. Auch wenn es das Lied in rumänischer und ungarischer Sprache gibt, singen es die lole in Agnetheln nur noch auf Deutsch:
Das Rössel mit dem Reiter ist die Traditionsfigur ...
Das Rössel mit dem Reiter ist die Traditionsfigur der Riemnerzunft. Foto: Ilarion Bârsan
… un cântec special! ... Un vis împlinit,/ căci noi anual cântăm cu mult drag/ „Siebenbürgen“ – cântecul este un leac/ pentru cei cu dor de locul natal!/ Dar mai important – pot să spun în final –/ e faptul, că el ne unește pe noi:/ pe lole și Urzeln cu publicul. Voi/ veniți în stradă, un act important,/ căci voi pentru lole sânteți un garant/ ca simpatia să crească cu spor,/ să dea obiceiului un viitor .../ Hirräiii!

Der Urzelspruch gilt dieser Stadt,/ die uns geprägt und Recht drauf hat:/ Wir wünschen Glück der Heimatstadt,/ Kummer und Sorg’ vertreib’n wir glatt./ Unseren Lärm soll jeder hören,/ denn wir sind da, um euch zu ehren!/ Hirräii!
Das Band der Freundschaft reiße nicht!/ Drum, Freunde, wenn wir singen schlicht/ vom Land, das uns vertraut anzieht,/ eint uns das Siebenbürgenlied!

Danach präsentierten sich die Traditionsfiguren, die Reifenschwinger diesmal mit sechs vollen Gläsern im Reifen, es tanzte die Jugendvolkstanzgruppe der Schule und man sang zu den Klängen der Blasmusik das Siebenbürgenlied.

Bis zum späten Nachmittag liefen die neun Parten durch Agnethelns Straßen. In der Part mit dem Partenzeichen „Schmetterlinge“ wurde bei jeder Einkehr in ein Haus der Urzelspruch auf Sächsisch gesagt und das Siebenbürgenlied auf Deutsch gesungen, die restlichen Lieder dann meist in Rumänisch.
Die Urzelparade wird vom Hauptmann mit den Engeln ...
Die Urzelparade wird vom Hauptmann mit den Engeln angeführt. Foto: Ilarion Bârsan
Am Abend traf man sich beim Ball in der ehemaligen Turnhalle, die jetzt zum Restaurant „Prut“ gehört. Dort wurden die lole, die zum ersten Mal mitmachten, von Doris Hutter mit der Urzelpeitsche zünftig getauft. Über 50 Urkunden wurden dabei überreicht.

Währenddessen war das Agnethler Fest in etwa sieben Fernseh- und Radioprogrammen des Landes erwähnt worden. Mindestens sechs Zeitungen dürften danach berichtet haben, das Interesse der Medien ist ungebrochen groß.

Im Anbetracht der Renovierung der Agnethler Kirchenburg will die HOG Agnetheln die touristische Vermarktung der Kirchenburg auch in Absprache mit der „Breasla Lolelor“ erörtern. Diese Vision fußt auf dem seit 2007 wachsenden Verständnis zwischen den Agnethler lole und den ausgesiedelten Urzeln und festigt ihre Freundschaft.

Doris Hutter

Schlagwörter: Urzeln, Agnetheln, Jubiläum, Brauchtum, Fasching

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