3. Januar 2019

Von Brenndorf bis Slava Cercheza: Porträts ethnischer Minderheiten in Rumänien

„Was ist besser geeignet, Aufmerksamkeit auf das Thema ethnische Minderheiten zu lenken, als visuelle Kunst?“ kontert Carla Schoppel auf die Frage, wie die Idee zu dieser Ausstellung entstand. Die 15 Bilder, die im Spätherbst an den Wänden der Elite Art Gallery in Bukarest, Galerie des Elite Art Clubs UNESCO, zu sehen sind, sind nur die „Schlusssteine“ des Projekts „Mosaik: Porträts der Verschiedenheit“. Es soll die Mehrheitsbevölkerung in Rumänien durch Kunst und Forschung neugierig machen auf Werte, Traditionen und Kultur der ethnischen Minderheiten, um Vorurteile abzubauen und Diskriminierung vorzubeugen.
Besucher studieren die Bilder an den Wänden: den schlohweißen, vollbärtigen Greis mit den wasserblauen Augen, die entrückt gen Himmel blicken, ein frommer Lipowaner. Das adrette ungarische Mädchen vor einer naiven Häuschen-Kirchen-Dorflandschaft. Die exotische Roma-Familie, ein Eindruck, der durch Palmen im Hintergrund verstärkt wird. Die einfache Frau in der Kittelschürze, eine Aromunin aus Pipera – und schließlich den Siebenbürger Sachsen in würdevoller Tracht, langer Mantel, besticktes Hemd, Hut, schwarze Blumenkrawatte. Halt, den kennen wir doch: Es ist Manfred Copony aus Brenndorf!
Manfred Copony mit Künstlerin Otilia Cadar ...
Manfred Copony mit Künstlerin Otilia Cadar (links) und Projektmanagerin Carla Schoppel. Fotos: George Dumitriu
Fünf Tage lang hielten sich die Künstler Otilia Cadar, Theodor Grigoraș, Eduard Andrei Simion, Nadejda Lungu und Daniela Donțu-Hașcevoi mit Forscherin Carla Schoppel im Umfeld ihrer Gastgeber und Studienobjekte in Slava Cercheza (Tulcea), Pipera (Ilfov), Sintești (Ilfov), Ernei (Mureș) und Brenndorf (Kronstadt) auf. "Otilia ist mit Wohnwagen und Familie angereist und hat auf meinem Hof gecampt", erzählt Manfred Copony über die Malerin, die ihn porträtierte. Das Pfarrhaus, das er dort als sächsisch eingerichtetes Gästehaus betreibt und der Hof von über 1.600 Quadratmetern boten den Projektteilnehmern ausreichend Platz für ihre Aktivitäten. Auch das Dorf studierten die Künstler, filmten, fotografierten, sprachen mit den Bewohnern.

Blick auf Brenndorf

Warum ausgerechnet Brenndorf (rumänisch: Bod)? Schon wegen der eigenen sächsischen Wurzeln, von denen sie wenig mitbekommen hat, gesteht Projektmanagerin Schoppel. Brenndorf hatte im August 650. Jubiläum seit der ersten urkundlichen Erwähnung gefeiert (diese Zeitung berichtete). Filmarbeiten fanden während der Zeremonie in der Kirche statt. Manfred Copony erzählt seine Geschichte als ausgewanderter, zurückgekehrter Brenndörfer (www.youtube.com/watch?v=NH0NmTQh4dc). Der Mensch als Brücke zu dem eher abstrakten Thema Minderheiten – der Neugierigmacher auf mehr. "Es war eine schöne Erfahrung", fasst dieser zusammen. "Als Sozialpädagoge freue ich mich immer, wenn Leute etwas von diesen Sachen sehen – und auch mitmachen."

Die Begleitbroschüre des Projekts soll die geweckte Neugier zu stillen: Ausführlich wird vom "Land der sieben Burgen", von der Rolle der Kirche als Zentrum der sächsischen Gemeinschaft, von Richttag, Nachbarschaften und Bruderschaften berichtet. Auch von Brenndorf, wo heute noch rund 40 Siebenbürger Sachsen leben.

Nachdem der Pfarrer 1992 ausgewandert war, blieb das Pfarrhaus lange verwaist und drohte zu verfallen, erzählt Copony, der vor 16 Jahren aus Deutschland zurückkehrte. Man hatte ihn gefragt, ob er es nicht pachten wolle. So entstand die Idee, dort ein Gästehaus als "lebendes sächsisches Museum" einzurichten, wobei ihm nicht nur seine Sammelleidenschaft, sondern auch die langjährige Erfahrung im Gastgewerbe zugute kam. Im Hof hoppeln nun als Attraktion für Kinder Häschen durchs Gras, Gänse watscheln zwischen pittoresk ausgelegten Kürbissen herum. Letztere verweisen auf eine neue "Tradition", die Copony in seinem Heimatdorf etabliert hat: Seit gut zehn Jahren veranstaltet er dort jeden Herbst das Martinsfest für Kinder.

Magisches Denken im Alltag

"Die Roma wurden ausgewählt, weil sie ansonsten wenig Gelegenheit haben, sich vor positivem Hintergrund darzustellen. Die Lipowaner hingegen schienen mir sehr in sich geschlossen und geheimnisvoll zu sein", motiviert Schoppel die Wahl der übrigen Ethnien. Die Aromunen wählte sie, weil sie offiziell gar keine anerkannte Minderheit sind. Ernei wurde als größtes Dorf mit ungarischer Minderheit, die dort die Mehrheit stellt, zum Ziel.
Die porträtierte Roma-Familie wirkt in ...
Die porträtierte Roma-Familie wirkt in Wirklichkeit eher brav als exotisch.
Die Bilder über die Roma deuten mit kontrastreichen Farben und Symbolen - Schleier, Palmen und einer stilisierten Schlange um Hals und Kopf einer Frau - exotische Fremdheit an. Sie steht in seltsamem Gegensatz zu den Fotografien mit den offenen Gesichtern. Die Broschüre erzählt von der Auswanderung aus Indien vor ca. 1000 Jahren, von aufgegriffenen Einflüssen auf der Wanderschaft, vor allem von den Persern und Armeniern. Von den über 40 Stämmen, die sich durch ihr Handwerk unterscheiden und ähnlich wie die Kasten der Hindus hierarchisch stark getrennt sind. Magisches Denken – auch Aberglauben - prägt ihren Alltag, die Macht des Schicksals steht weit über dem eigenen Vermögen.

Die Lipowaner, nach dem Kirchenschisma aus Russland ausgewandert, seit 1762 in Slava Cercheza attestiert, halten mit einem „angeborenen Fanatismus“ an ihren ursprünglichen religiösen Riten fest, wie sie selbst scherzen. Ihre Gottesdienste werden immer noch auf Slawonisch abgehalten, gesprochene Sprache ist ein altes Russisch mit rumänischen und ukrainischen Einflüssen. Die Werte eines gläubigen Lipowaners: Respekt, Korrektheit, Verzeihen und Liebe. Ihre Liedersammlung ist extrem reich, viele handeln vom Wasser oder der Kraft der Wälder. Nicht zuletzt schlagen sich Wälder und Wasser in den traditionellen Berufen nieder, viele sind Fischer oder bearbeiten Holz. Eine Besonderheit ist das Badehaus der Lipowaner, eine Art Dampfsauna, stets im Freien wegen der Brandgefahr für das Haus.

Die Aromunen betrachten sich selbst als romanisierte Ureinwohner Südosteuropas. Bis Mitte des 20 Jahrhunderts betrieben sie Transhumanz, der häufigste Beruf ist Schafhirte. Heute soll es in ganz Rumänien noch zwischen 50.000 und 100.000 Aromunen geben, die meisten leben in der Dobrudscha. Eine kleine Kolonie hat sich in Pipera (Ilfov) angesiedelt, Zielgruppe dieses Projekts. Auch bei ihnen spielen Glauben und Aberglauben eine große Rolle. Vor der österlichen Fastenzeit gibt es einen rituellen Tag des Vergebens. Um die Geburt eines Kindes ranken sich althergebrachte Rituale, die dem Neugeborenen Lebenskraft und Schutz sichern sollen.

Die Ungarn in Ernei, dem Dorf mit der größen kompakten Gruppe dieser Minderheit, wirken vergleichsweise wenig exotisch. Interessant ist allerdings, dass es ein Fest gibt, an dem die Lust am Arbeiten gefeiert und kultiviert wird. Typisch für Ernei sind die blumengeschmückten Gartenpavillions.

Die Ausstellung, die Anfang November für vier Tage gezeigt wurde, kann noch online auf https://www.eliteart-gallery.com/mosaic-portrayal-of-diversity/ eingesehen werden.

Nina May

Schlagwörter: Minderheiten, Rumänien, Ausstellung, Bukarest, Brenndorf

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