24. September 2018

Gelegenheit macht Winzer oder Wie Bogeschdorf wieder Weinland wurde

„Ich will das alles wiederhaben“, sagte Heinrich Gaber plötzlich aus einer Laune heraus. Trotzig blickte er vom Bogeschdorfer Friedhof auf das ringsum liegende Land. Seit Jahrhunderten hatten die Sachsen hier Weinbau betrieben. „Du spinnst!“, rief Sohn Henry und wandte sich an seinen Bruder Helmuth. „Komm, wir bringen ihn weg von hier, Vater hat einen Sonnenstich.“ Es war August 2006 – 32 Jahre nach ihrer Auswanderung, erzählt Helmuth Gaber. Längst war Deutschland ihr neues Zuhause. Seit 1974 waren sie nicht mehr in der alten Heimat gewesen. Dann, zu seinem 70. Geburtstag, hatte sich sein Vater plötzlich diese Reise gewünscht, um Fotos von den Familiengräbern aufzunehmen.
„Kurz danach hatten wir eine Familienfeier“, erinnert sich Helmuth Gaber. Vor 70-80 Gästen, alles Siebenbürger Sachsen, habe sein Vater verkündet: „Übrigens, ich habe meinen Söhnen den Auftrag gegeben, alles Land zurückzukaufen.“ Der Bruder wollte erbost aufspringen, die Mutter hinderte ihn. Auf der Heimfahrt fragten die Kinder: „Warum hat sich Onkel Henry mit dem Opa gestritten?“ Helmuth Gaber erzählt von dem Moment am Friedhof. „Dann tu ihm doch den Gefallen“, meint Ehefrau Alexandra. Die Söhne fallen ein: „Ja, das machen wir, dann freut sich der Opa!“

„Es war eine rein emotionelle Geschichte“, gesteht Helmuth Gaber, der seit 2011 in Bogeschdorf das Weinguts „Terra Regis“ betreibt, das er nun von 18 auf 45 Hektar ausbauen will. 2015 ist eine biozertifizierte Landwirtschaft hinzugekommen. Doch „alles nur als Hobby!“, versichert der Kaufmann für Krisenmanagement aus Bremen.

Anfangs gab es keinen Gedanken, den Boden auch zu nutzen. „Es ging uns nur ums Gewinnen. Wir bestraften die politischen Umstände Rumäniens dafür, dass die Siebenbürger Sachsen ihre Lebensgrundlage verloren hatten. Wir wollten gewinnen und zeigen, dass wir jemand sind, dass wir einer Gemeinschaft angehören, die hier alles erreicht hat und wieder erreichen kann.“
Helmuth Gaber, der Abenteurer-Winzer aus ...
Helmuth Gaber, der Abenteurer-Winzer aus Bogeschdorf, vor dem Sitz des Weinguts Terra Regis. Foto: George Dumitriu
Kurz nach dem Familientreffen fliegen Helmuth und Heinrich Gaber wieder nach Rumänien. Im Flieger sagt der Vater zum Sohn: „Ich weiß, wie wir das anstellen. Ich gehe zum Bürgermeister, er soll den Dorftrommler losschicken, und der soll ausrufen: „Der Heinrich Gaber ist wieder da und will sein Land zurückkaufen.“ Am Dorfbrunnen sollte sich einfinden, wer verkaufen will, erinnert sich Helmuth Gaber. „Ich dachte, da kommt sicher kein Mensch...“ Es kamen 12 Leute. Nach kurzer Zeit hatten sie 30 Hektar erworben, nach drei bis vier Tagen weitere 40. Bis 2010 ging der Kaufrausch weiter. Gut eine halbe Million investierte Helmuth Gaber in etwa 200 Hektar.

Eines Tages erhält er einen merkwürdigen Anruf. Dr. Müller, Weinexperte, „Siebenbürger Sachse aus Leidenschaft“, stellt sich dieser vor. „Ich kann Ihnen helfen“, sagt Müller bestimmt. „Sie werden mich brauchen! Aber Sie müssen mich bald kontaktieren, denn ich bin schwer an Krebs erkrankt.“ Eine anonyme Person, die ihm helfen wollte, machte Gaber misstrauisch. „Das war im Frühling. Im Herbst rief er wieder an: ,Ich lebe noch!’ Da habe ich mich geschämt und einen Termin mit ihm vereinbart.“ Zu dem Treffen kam ein weiterer Sachse, Dr. Binder, beide Kapazitäten im Weinbau. Müller lehrte an der Veitshöchheimer Fachhochschule, Binder leitete die Kellerei an der Fachhochschule Neustadt, wo Gaber heute seine Weine aus Bogeschdorf ausbauen lässt. Müller insistierte, sofort nach Rumänien zu fliegen. Helmuth Gaber schmunzelt: „Ich hatte noch gar nichts beschlossen – er hatte das.“
Das Weingut Terra Regis ist in dem pittoresken ...
Das Weingut Terra Regis ist in dem pittoresken „Haus mit den Löwen“ untergebracht.
Am Flughafen wandte sich Dr. Müller an Gaber: „Ich sehe, Sie haben keine Ahnung von Weinbau. Nehmen Sie einen Zettel und schreiben Sie mit!“ Der Crashkurs, in dem er ihm die Grundfeste des Weinbaus eintrichterte, dauerte die ganze Reise, vom Frühstück bis zum Schlafengehen. Gemeinsam begingen sie die Weinberge. Auf einigen Flächen war Gaber zum ersten Mal persönlich. „Sie haben hier beste Lage“, urteilte Müller und klärte ihn auch über die Bedeutung des Königsbodens auf. „Dann“, erinnert sich Gaber, „sagte er, ohne mich zu fragen: ‚Sie werden hier wieder Wein anbauen!‘“

Heute ist „Terra Regis-Wein vom Königsboden seit 1318“ eine eingetragene Marke. Mit Technologie und neuesten Erkenntnissen aus Deutschland wurde 2011 bis 2013 der Weinberg bestellt, zunächst auf 18 Hektar. Die Weine – Riesling, Chardonnay, Grauburgunder und Königsast – bauten Dr. Müller und Dr. Binder aus, die die Stärken und Schwächen der Reblagen kannten. „Es ist gut gegangen, weil ich mit Leichtigkeit und locker rangegangen bin“, resümiert Helmuth Gaber. „Hätte ich einen Geschäftsplan schreiben müssen, jede Bank hätte mich für verrückt erklärt!“

Nina May

Schlagwörter: Bogeschdorf, Weinbau, Wirtschaft, deutsch-rumänische Beziehungen

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