22. Juni 2018

Erstes dreikonfessionelles ökumenisches Kolloquium in Rumänien

Hermannstadt/Sâmbăta de Sus – „Weil die Menschen die Fähigkeit verloren hatten, miteinander zu kommunizieren, hat ihnen Gott im Turm von Babel die Sprachen vermischt. Ähnlich war das auch mit den Kirchen. Doch wir müssen miteinander reden, damit wir wieder einig werden.“ Mit dieser Botschaft richtet sich der orthodoxe Erzbischof Teodosie von Tomis zur Morgenandacht im Kloster von Sâmbăta de Sus an rund 80 Menschen aus zwei Ländern und drei Konfessionen – Theologen, Kirchenrechtler, Pfarrer, Studenten, Journalisten und sonstige Interessierte.
Es ist der Auftakt zu einer der Seminarsitzungen, die vom 11.-14. Mai zuerst in der Hermannstädter Evangelischen Akademie Siebenbürgen, dann in der Orthodoxen Akademie von Sâmbăta de Sus stattfanden. Für Idee und Organisation dieses hochrangig besetzten ökumenischen Kolloquiums ist der bayerische evangelische Pfarrer Prof. h.c. Dr. Jürgen Henkel über das von ihm mitbegründete Institut „Ex fide lux“ zur deutsch-rumänischen theologischen Kooperation zuständig. „Wir haben alles dreikonfessionell geplant, um Breitenwirkung zu erzielen“, erklärt Henkel, der von 2003 bis 2008 die Evangelische Akademie Siebenbürgen leitete und in diesem Rahmen mit der ökumenischen Arbeit begann. „Denn es ist wichtig, wie sich die Botschaft der Tagung danach in die Welt hinaus verbreitet.“

Zu den Teilnehmern – je ein Drittel sind orthodox, katholisch und evangelisch – zählen prominente Namen wie Kardinal Gerhard-Ludwig Müller aus dem Vatikan. Zur Eröffnung waren der päpstliche Nuntius Erzbischof Miguel Maury Buendia und der Metropolit Siebenbürgens, Laurențiu Streza, erschienen. Zum Programm gehörte auch die Besichtigung der evangelischen Stadtpfarrkirche Mühlbach, der katholischen und orthodoxen Kathedralen in Karlsburg und ein Besuch in Hermannstadt beim Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Reinhart Guib.

Finanziert wurde die Tagung vom rumänischen Staatssekretariat für Kultusangelegenheiten, dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, dem Universitätsverein Fürth der Wilhelm Löhe Hochschule, dem Martin-Luther-Bund Erlangen und der Münchner Unternehmensgruppe HMP Medizintechnik.
Morgenandacht im Kloster von Sâmba˘ta de ...
Morgenandacht im Kloster von Sâmba˘ta de Sus, kirchliche Amtsträger, erste Reihe von links: Prof. Dr.h.c. Hermann Schoenauer, Prof. h.c. Dr. Jürgen Henkel, Kardinal Gerhard Müller, Erzbischof Teodosie von Tomis. Erster von rechts in der zweiten Reihe: Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli. Foto: George Dumitriu
Der Titel der intensiven Diskussionen und Vorträge, interdisziplinär, interkonfessionell und über Ländergrenzen hinweg, lautete „Heilige und Heiligenverehrung“. Ein spannendes Thema, so Henkel, denn nirgendwo sonst werden die Differenzen zwischen den Konfessionen deutlicher. Ein gemeinsames christliches Glaubenszeugnis abzulegen in einem „Europa der Orientierungslosigkeit in geistlichen Fragen“ sei eine große Herausforderung, meint Prof. Hermann Schoenauer, der Vorsitzende von „Ex fide lux“.

Den orthodoxen Standpunkt zum Thema erläutert Metropolit Streza: Die Verehrung der Heiligen überschatte Gott nicht, ihre Aufgabe sei es, als einst selbst fehlbare Menschen vorzuführen, dass jeder die Stufen der Entwicklung erklimmen kann, an dessen Spitze Heiligkeit steht. Erzbischof Teodosie von Tomis hielt einen Vortrag über die Märtyrer des frühen Christentums in der Dobrudscha und ging auf die Bedeutung von Reliquien in der Orthodoxie ein.

Die evangelische Perspektive vermittelte Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli. Martin Luther waren die Heiligen ein Dorn im Auge, denn die Anrufung bestimmter Schutzheiliger je nach Sparte der Bittstellung war zu einer Art Götzendienst verkommen. An die Stelle der Heiligenverehrung solle stattdessen Nächstenliebe treten – Hei­ligkeit vollzieht sich an den Herausforderungen des Alltags. Die spätmittelalterlichen Flügelaltäre evangelischer Kirchen in Siebenbürgen, auf denen Heilige dargestellt sind, könnten als „Erinnerung an die prägenden Gestalten der Frömmigkeitsgeschichte“ verstanden werden.

Die katholische Kirche stellt die Heiligen weder ins Zentrum des Glaubens, noch werden sie als Nebensache abgetan. „Entscheidend (für die Ökumene) wird sein, ob es gelingt, die ursprünglichen Intentionen, die zur Ausbildung des Heiligenkults und seiner eigentümlichen Formen geführt haben, aufzuspüren, und ihren Ort und ihre Funktion in der christlichen Glaubenswelt zu bestimmen“, vermittelte Kardinal Müller.

Aber auch moderne Themen fanden Eingang in die Diskussionen. Prof. Dr. em. Hermann Pitters (Protestantisches Theologisches Department, Lucian Blaga Universität Hermannstadt) lieferte einen „Werkstattbericht“ über die Erstellung des überkonfessionellen Rumänischen Märtyriologiums, das 2007 an Papst Benedikt XVI. übergeben wurde – ein 800 Seiten starker Gedenkband über die „Märtyrer für Christus in Rumänien zur Zeit des kommunistischen Regimes“. Mit dem Thema moderne Christenverfolgung setzte sich Berthold Pelster von „Kirche in Not“ auseinander. Vor allem im Nahen Osten würden Christen systematisch vom Islamischen Staat (IS) verfolgt. Schockierender Höhepunkt: das IS-Video von der Enthauptung von 21 koptischen Christen aus Ägypten im Februar 2015, als Drohung gegen die gesamte Christenheit zu verstehen. Auch auf die Situation der Christenvertreibung im Irak geht der Vortragende ein. „Mesopotamien ist uraltes christliches Gebiet“, erinnert Pelster. „Nun besteht Gefahr, dass die Christen nie wieder dorthin zurückkehren.“ Henkel kritisierte die mangelnde Wahrnehmung seitens Presse und Politik: „Man diskutiert, ob der Islam zu Deutschland gehört – aber niemand stellt die Frage, ob die Christen im Nahen Osten dazugehören.“

Ein Kolloquium dieser Größe und ein bis zwei kleinere Veranstaltungen will „Ex fide lux“ in Zukunft jedes Jahr organisieren, vorzugsweise in Rumänien, verrät Dr. Jürgen Henkel. Auch zu den Themen gibt es schon Ideen: „Wie politisch darf Kirche sein?“, lautet das erste und befasst sich mit der Frage, inwiefern sich die Kirche in tagespolitische Themen einmischen darf oder soll. Im zweiten, „Diktatur des Kapitalismus“, geht es um die schleichende Gefährdung des Christentums durch die Konsumgesellschaft. Während der Kommunismus eine offene Gefahr für den christlichen Glauben darstellte, bedrohe ihn nun die Konsumgesellschaft schleichend.

Nina May

Schlagwörter: Ökumene, Kolloquium, Hermannstadt, Kirche

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