8. Februar 2018

Zurück zu unseren Wurzeln: Urzelnlauf in Agnetheln 2018

Als Folge einer Nachricht, die mir mein Bruder Holger am 8. Dezember 2017, dem Tag als unser Opa Schimmi Graef aus Ognitheln 115 Jahre alt geworden wäre, geschrieben hatte, flog ich am Freitag, dem 26. Januar 2018, mit dem Agnethler Urgestein Manfred Preiss und meinem jüngeren Bruder Holger – wir sind beide in Deutschland geboren – nach Hermannstadt, um zwei Tage später am Urzelnlauf teilzunehmen.
Aus Hermannstadt wurden wir zusammen mit Marius Muntean, einem jungen in Ellwangen arbeitenden Agnethler, den Manfred schon am Stuttgarter Flughafen als Urzel identifiziert hatte, von dessen Freund Nicu aus Agnetheln abgeholt. Nicu fuhr uns direkt zu Horea Schiopata, unserem Gastgeber in Agnetheln, den wir vor einem Jahr kennengelernt hatten, als wir mit der großen Sachsenheimer Delegation zum zehnjährigen Jubiläum geflogen waren (2007 hatte erstmals eine Gruppe aus Sachsenheim am Urzellauf in Hermannstadt und Agnetheln teilgenommen). Horea ist „pompier“, hauptberuflicher Feuerwehrmann, der seinen 48-Stunden-Dienst erst am nächsten Morgen um 8.00 Uhr beenden sollte, was ihn aber nicht davon abhielt, plötzlich in voller Montur im Wohnzimmer zu erscheinen, wo seine Frau Laura uns mit einer wunderbaren „tocăniță“ mit Kraut und Palukes verwöhnte. Und abends durften wir nach der Urzelsitzung unseren Freund, den Zunftmeister Radu Curcean begrüßen.
250 Urzeln sorgten am 28. Januar 2018 für ...
250 Urzeln sorgten am 28. Januar 2018 für Aufsehen in Agnetheln, hier ein Teil davon beim gemeinsamen Singen des Siebenbürgen-Lieds. Foto: Hans-Jürgen Albrich
Am Samstag besuchten Holger und ich Mardisch, den Heimatort unseres leider verstorbenen Vaters Hans. Zum Frühstück verwöhnte uns Laura mit Sarmale. Die zarten Krautwickel zergingen auf unseren Zungen – sie spielten mit Rahm und mamaligă eine Symphonie. Im 25 km entfernten Mardisch trafen wir Ilie Pua, einen guten Freund, und gingen durch den Ort spazieren. Dann kehrten wir nach Agnetheln zurück, wo Manfred inzwischen fünf Schellen für uns und sechs Quetschen (Krapfenhalter für die Krapfen) für uns und unsere fünf Söhne zu Hause besorgt hatte.

Am Sonntagmorgen stellten wir uns um 9.30 Uhr am Ortsrand auf, es konnte losgehen: Urzelnlauf im Heimatort unserer Eltern und Vorfahren Agnetheln. Brauchtum, das die Rumänen von uns Sachsen eins zu eins übernommen haben und fast noch strenger leben als wir. Schneider-Rössel, Treiber mit tanzendem Bär, Reifenschwinger. Aber vor allem: eine Tanzgruppe, in der Rumänen in unserer Tracht tanzen: Was gibt es Schöneres? Doch, es gibt es: Urzeltreiben auf den Straßen mit Hausbesuchen, wie ich sie nur aus meiner Kindheit in Sachsenheim kenne – ich war 1972 der jüngste Urzel und habe danach jedes Jahr am Urzellauf teilgenommen und erst als längst Erwachsener zwei bis drei Mal ausgesetzt. Und diese beispiellose rumänische Gastfreundschaft bei den Hausbesuchen.

Manfred Preiss sprach den Agnethler Urzelspruch: „Mer wäinschen vill Gläck än diesem Hais, mer draiwen mät asen Gaußeln och Schallen de Suarjen ais. As Lauder och Wätz koun en jäider hieren, daut mer Ech besecken zaucht daut mer Ech ieren!“ Diesen sächsischen Spruch übersetzte der Ungar Caroly dann ins Rumänische. Das passierte bei jedem der sieben Hausbesuche. Und das allerschönste dann immer am Schluss: Wir umarmten uns alle und es sangen, Rumänen und Ungarn, die kein Wort deutsch sprechen zusammen mit uns Sachsen alle drei Strophen des Siebenbürgen-Liedes und schmetterten am Schluss: „Drum sei gegrüßt in deiner Schöne und um alle DEINE Söhne …“ Und Stephan Ludwig Roth hat aus dem Himmel über Siebenbürgen mitgesungen.

Hans-Jürgen Albrich, Brackenheim

Schlagwörter: Urzeln, Agnetheln

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