11. Oktober 2017

Ein Fest des Glaubens: Eindrücke vom Kronstädter Kirchentag „Aus gutem Grund: Evangelisch in Rumänien“

Was macht die evangelische Identität in Rumänien aus? Was ist mir heute an meinem evangelischen Glauben wichtig? Wie lebe ich evangelisch, wie gebe ich den Glauben an die nächste Generation weiter? Diese und ähnliche, sehr persönliche Fragen standen im Mittelpunkt des Kirchentags, der aus Anlass des Reformationsjubiläums vom 29. September bis 1. Oktober in Kronstadt mit rund eintausend angemeldeten Teilnehmern über die Bühne ging. Das Großereignis trug den Titel „Aus gutem Grund: Evangelisch in Rumänien“ und wurde von der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) und der Evangelisch-Lutherischen Kirche veranstaltet. „Gastgeberinnen“ waren die Evangelische Kirche A.B. Kronstadt (Honterusgemeinde) und die Kronstädter (ungarische) Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde, die zum ersten Mal gemeinsam ein „Fest des Glaubens“ feierten. Auch war dies der erste Kirchentag der EKR seit 1999. Im Fokus des Geschehens stand die Schwarze Kirche, der zentrale Ort der siebenbürgischen Reformation – denn vor 475 Jahren war hier die erste evangelische Messe gehalten worden.
Bewusst hatten sich die Veranstalter entschieden, sich diesmal weniger mit der siebenbürgischen Geschichte oder der öffentlichen Wahrnehmung der Kirchen zu befassen. Vielmehr rückten sie die moderne evangelische Identität des Jahres 2017 ins Scheinwerferlicht. Die zahlreichen Veranstaltungen ließen über Weltoffenheit, christliches Miteinander und den Glauben als Grundlage für ein buntes, vielfältiges Gemeindeleben nachdenken und diskutieren.

Traditionen und Persönlichkeiten der Vergangenheit spielten zwar in Workshops und Gesprächen stets eine Rolle, doch ging es hauptsächlich um die gegenwärtige Situation der Gemeinden und um das persönliche (Er)Leben des evangelischen Glaubens in Rumänien. „Wir wollen nicht von vornherein Antworten geben, sondern Fragen stellen, das Hinterfragen anregen“, fasste der Kronstädter Stadtpfarrer Christian Plajer das Vorhaben des Organisationsteams zusammen, das mehr als ein Jahr an der Vorbereitung des Glaubensfestes arbeitete. Auch wurde auf dem Kirchentag im Geist der Ökumene stets die gemeinsame Grundlage aller christlichen Konfessionen hervorgehoben, wie Reinhart Guib, Bischof der EKR, betonte: „Gerade in einer Welt, in der Nationalismus, Radikalismus und andere ‚ismen‘ leider wieder Zuspruch finden, wollen wir ein Zeichen setzen, dass es auch anders geht.“ Zudem sei es den Kirchen ein Anliegen gewesen, den eigenen Mitgliedern – und insbesondere den Jugendlichen – zu zeigen, „dass sie Teil eines größeren Ganzen sind und dass es sich lohnt, die Gemeinde mitzugestalten“, so die Pfarrerin der Honterusgemeinde Adriana Florea.
Stadtpfarrer Christian Plajer vor dem Altar der ...
Stadtpfarrer Christian Plajer vor dem Altar der Schwarzen Kirche. Foto: Christine Chiriac
Viele Gäste folgten der Einladung nach Kronstadt: Tamás Fabiny, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, Miloš Klátik, Generalbischof der Evangelischen Kirche A.B. in der Slowakei, zahlreiche Vertreter der einheimischen Kirchen, des Deutschen Forums, Diplomaten und Politiker. Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. war durch die Bundesvorsitzende Herta Daniel vertreten. Im „Hintergrund“ des Kirchentags arbeiteten wiederum insgesamt 150 Menschen am guten Gelingen des Festes.

Bei der Auftaktveranstaltung am 29. September in der Kronstädter Evangelisch-Lutherischen Kirche begrüßten Bischof Reinhart Guib und Bischofsvikar József Zelenák die Gäste und Gulyás, Live-Musik sowie eine „christliche Zauberschau“ (Tommy Bright) stimmten auf die Feier ein. Die zentrale Feststellung des Abends war, dass vielleicht nur die Sprache die beiden Kirchen voneinander trennt, die sonst in der gesamten Gestaltung des Glaubens einander sehr ähneln und zudem historisch viel gemeinsam haben. Dies wurde auch bei der Abendandacht deutlich, die die Jugendlichen der beiden Kirchen eindrücklich ausführten. Überhaupt machten junge Menschen auf dem gesamten Kirchentag sehr engagiert mit, sei es bei den zahlreichen organisatorischen Aufgaben, bei der musikalischen Untermalung der Ereignisse oder als Betreiber des beliebten Jugend-Cafés „500“ im „A-Gebäude“ des Honterus-Lyzeums, wo es u.a. Leckereien mit Reformationsbezug wie Luther-Kekse zu kaufen gab.

„Evangelisch auch über Grenzen hinweg“

Der (eigentliche) Kirchentag am 30. September startete schon früh am Morgen mit Bibelarbeiten zu dem Vers Römer 1,16 („ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben“). Die Gespräche wurden in deutscher, ungarischer und rumänischer Sprache von Geistlichen aus Siebenbürgen, Berlin, Augsburg und München geleitet. Es folgte der Festgottesdienst „Die vier Zeiten“ in der Schwarzen Kirche, die – wohl als Anspielung an das Erntedankfest – mit Kürbissen, Astern und Sonnenblumen dekoriert war. Die Predigt bestand aus vier Ansprachen, die jeweils ein Merkmal des evangelischen Glaubens in Siebenbürgen in vier historischen Epochen der einheimischen evangelischen Kirche betonten. Pfarrerin Enikő Koszta nahm das Wirken des Reformators Johannes Honterus und die gesellschaftlichen Folgen der Reformation zum Anlass, um über Verantwortung im evangelischen Verständnis zu sprechen. Über die Kronstädter Brandkatastrophe von 1689 und die „Zeiten des Schreckens“ im 17. und 18. Jahrhundert mit Armut, Pest, Kuruzenkrieg und katholischer Restauration referierte Pfarrer Dr. Daniel Zikeli (Bukarest), der sich auf die Figur und das Wirken des Markus Fronius konzentrierte. Der bedeutende siebenbürgische Theologe hatte sich in jener Zeit für eine Erneuerung des Glaubens auf der Grundlage von Wissen, Herzensbildung, Buße und Bekehrung eingesetzt und sich den Beinamen „der zweite Reformator“ erworben.

Dem 19. Jahrhundert widmete sich in seiner Predigt der Kronstädter Stadtpfarrer Christian Plajer. Er sprach über die „innere Einstellung“, die in den biblischen Geboten und der Bergpredigt zum Tragen kommt und deren Kern der „Antrieb zum Guten“ ist. Dies sei auch die Basis für eine „neue Sicht für den Nächsten“, fern von der zerstörerischen Isoliertheit und der gegeneinander ausgerichteten Identitätskonstruktion des 19. Jahrhunderts. Der Stadtpfarrer gab die unterschiedlichen Gruppen innerhalb der Honterusgemeinde als aktuelles Beispiel. Deren Mitglieder gehören nicht immer der evangelischen Kirche an, jedoch leben sie „die Selbstverständlichkeit einer positiven Einstellung zueinander im Geiste der Bergpredigt“.

Schließlich sprach Pfarrerin Hildegard Servatius-Depner (Mediasch) über „Zeiten des Umbruchs“ im 20. Jahrhundert, insbesondere über Auswanderung, leere Kirchen, dem Verfall preisgegebene Häuser, aber auch darüber, dass „in jeder Umbruchsstimmung Neues entsteht“. Sie hob hervor, dass man nun stärker „zusammenrückt“, neue Initiativen entstehen und der eigene Einsatz besonders in kleinen Gemeinden sehr wichtig ist. „Staatliche Grenzen sind heute nicht mehr ausschlaggebend – evangelisch sein kann man auch über Grenzen hinweg“.

Den musikalischen Rahmen gestalteten rund 150 Mitwirkende aus zahlreichen siebenbürgischen Kirchenchören unter der Leitung des Landeskirchenmusikwarts Jürg Leutert (Hermannstadt) und anderer Chordirigenten aus ganz Siebenbürgen. Die Musikstücke waren sorgfältig auf die vier Predigtteile und den Anlass des Kirchentags abgestimmt: Es erklangen neben der Reformationshymne „Ein feste Burg ist unser Gott“, die zusammen mit der Gemeinde gesungen wurde, auch die einzige mehrstimmige Komposition Martin Luthers („Non moriar“) und Stücke aus dem „Senndorfer Cantionale“ (Hamruden) sowie aus der Feder des Hermannstädter Kantors Johann Sartorius (18. Jahrhundert). Zudem schlug der Organist Klaus-Dieter Untch mit der Uraufführung seines Choralvorspiels „Lobe den Herrn“ eine Brücke über die Jahrhunderte.

Workshops über evangelische Identität

Zwölf Workshops zu unterschiedlichen Themen boten einen Einblick in die Vielfalt evangelischer Identitätsmerkmale. So machte sich Richard Sterner mit den historisch Interessierten auf den Weg zu den Lebensstationen des Reformators Johannes Honterus in Kronstadt und sprach über die Geschichte der Gebäude sowie deren gegenwärtige Nutzung. Weitere Workshops gab es zu „biblischen Frauenbewegungen“ (Edith Tóth, Mediasch), der „siebenbürgischen Identität im Wandel“ (Prof. Dr. Berthold Köber, Flacht), Flüchtlingsarbeit als „umgesetztes Christ-Sein“ (Erika Klemm, Hermannstadt) und zur Frage „was uns im evangelischen Glauben eint“ (Dr. Hans Klein, Hermannstadt).

Unter dem Motto „Import-Export“ sprach Dr. Ulrich Andreas Wien (Landau), Vorsitzender des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, über Einflüsse und Wirkungen der Reformation aus Wittenberg, Zürich, Genf und Straßburg nach Siebenbürgen sowie, ausgehend vom Wirken des Reformators Johannes Honterus, über Bibelübersetzungen und theologische Schriften quer durch die unterschiedlichen Sprach- und Glaubensgemeinschaften des europäischen Südostens. Im Mittelpunkt seines Vortrags in der Obervorstädter Kirche stand somit Siebenbürgen als einzigartige „Pionierregion der Religionsfreiheit“.

Über die Sprachfähigkeit des evangelischen Glaubens in der heutigen rumänischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft diskutierten im Festsaal des Deutschen Forums der Lehrer und ehemalige Hermannstädter Kreisratsvorsitzende Martin Bottesch, der Hermannstädter Stadtpfarrer Kilian Dörr, der Kronstädter Wirtschaftsingenieur Herwig Arvay und die Direktorin des „Mihai Eminescu Trust“, Caroline Fernolend. Von der Journalistin Beatrice Ungar aufgefordert, in wenigen Wortassoziationen ihren evangelischen Glauben zu definieren, nannten die Podiumsgäste Wörter wie „Schlichtheit“, „Ordnung“, „Diakonie“, und „Bildung“. Caroline Fernolend, die sich für „Gemeinschaft“ und „Offenheit“ entschlossen hatte, argumentierte: „Ohne Gemeinschaftssinn und ohne die Nachbarschaften wären wir heute nicht hier“, unterstrich aber gleichzeitig, dass „seit 27 Jahren nun auch Anderssprachige und Anderskonfessionelle zum Erhalt unseres Erbes beitragen“.

Ein Apfelbäumchen als Zeichen der Hoffnung

Ein Zeichen von Gemeinschaft und Vernetzung über Grenzen hinweg setzt im Jubiläumsjahr der Reformation auch das Projekt „Zwölf Apfelbäumchen für ein klares Wort“. Die EKR hat mit diesem Vorhaben die Pflanzung von je einem Apfelbäumchen an verschiedenen, für die Reformation der Siebenbürger Sachsen wichtigen Orten in Europa angeregt. So soll einerseits die europäische Dimension der siebenbürgischen Reformation verdeutlicht werden, andererseits soll gerade die heute unverzichtbare ökumenische „Offenheit“ gegenüber dem jeweils „Anderen“ symbolisch umrahmt werden. Auch sind die Apfelbäume ein Zeichen der Hoffnung, in Anlehnung an das vielleicht bekannteste (allerdings nicht belegbare) Luther-Zitat „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Nicht zuletzt stellt das Projekt einen Versuch dar, die Gemeinschaften der Siebenbürger Sachsen aus ganz Europa stärker miteinander zu vernetzen. So tragen die Gemeinschaft evangelischer Siebenbürger Sachsen und der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland das Projekt der EKR als Partner mit. Nachdem siebenbürgische Apfelbäumchen im Laufe dieses Jahres bereits in Laibach/ Ljubljana (Slowenien), Thorenburg/Turda (Rumänien), Krakau/Krakow (Polen), Wittenberg (Deutschland), Mediasch (Rumänien), Marburg (Deutschland) und Karpfen/Krupina (Slowakei) Wurzeln geschlagen haben, war nun der Kirchentag in Kronstadt der passende Anlass, auch am wichtigsten Erinnerungsort der siebenbürgischen Reformation einen Baum zu pflanzen.
Bischof Reinhart Guib (rechts) und ...
Bischof Reinhart Guib (rechts) und Landeskirchenkurator Friedrich Philippi pflanzen das Apfelbäumchen. Foto: Dieter Drotleff
Dieser fand sein neues Zuhause im Hof der Obervorstädter Kirche in Kronstadt. Gepflanzt wurde er von Bischof Reinhart Guib und Landeskirchenkurator Friedrich Philippi. Die internationale Dimension war dadurch präsent, dass die Generalsekretäre des Martin-Luther-Bunds und des Gustav-Adolf-Werks, Michael Hübner und Enno Haaks, zugegen waren und Ansprachen hielten.

Evangelische Vielfalt

Ein Podiumsgespräch mit dem Titel „Evangelisch mit Herzen, Mund und Händen“ fragte zum Abschluss der zwölf Workshops nach dem gemeinsamen Nenner, der die vielfältigen evangelischen Ausprägungen und Identitäten miteinander vereint – allerdings fehlten diesmal die siebenbürgisch-sächsischen Mitdiskutierenden.
Über evangelisches Wirken in der Gesellschaft ...
Über evangelisches Wirken in der Gesellschaft diskutierten (von links): Kilian Dörr, Caroline Fernolend, Beatrice Ungar, Martin Bottesch und Herwig Arvay. Foto: Christine Chiriac
Ehrengast der Veranstaltung war der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. h.c. Nikolaus Schneider. Ihm seien überall auf der Welt in den evangelischen Kirchen einige Konstanten begegnet, so Schneider, und zwar der direkte Bezug auf die Bibel und der Wunsch mitzugestalten, statt Empfänger externer Entscheidungen zu sein. Auch sei es kennzeichnend für den evangelischen Glauben, dass man Freiheit „nicht als Beliebigkeit, sondern stets als verantwortete Freiheit“ betrachte.

Über Wandel und Vielfalt unter den Studierenden an der Abteilung für Protestantische Theologie des Theologischen Instituts in Hermannstadt sprach dessen Dekan Prof. Dr. Stefan Tobler, der gleichzeitig das Hermannstädter Institut für Ökumenische Forschung leitet. Auch der evangelisch-lutherische Stadtrat von Siebendörfer, Géczi Gellért, unterstrich die ökumenische Offenheit und Toleranz seiner Konfession „auch im Vergleich zu anderen Konfessionen in Siebenbürgen.“ Schließlich plädierte Diana Mureșan aus Mediasch, die in einer orthodoxen Familie geboren wurde und sich für den evangelischen Glauben entschlossen hat, dass die rumänische Gesellschaft „vielleicht dringender als andere Gesellschaften evangelische Tugenden wie Gemeinschaft und Ehrenamt braucht“.
An der Podiumsdiskussion über evangelische ...
An der Podiumsdiskussion über evangelische Identität beteiligten sich (von links): Géczi Gellért, Diana Mureșan, Nikolaus Schneider, Stefan Tobler und – als Moderator – Ștefan Cosoroabă. Foto: Christine Chiriac

Gelebte Ökumene

Die musikalische Krönung des Kirchentags erfolgte in Form einer Uraufführung in festlichem Rahmen in der Schwarzen Kirche. Hier wurde das Auftragswerk „Credo in unum Deum“ (auch bekannt als „Messe von Kronstadt“) von rund 80 Choristen aus der Taufe gehoben. Das Besondere an diesem Musikstück ist, dass es als multikulturelles und interkonfessionelles Gemeinschaftswerk entstanden ist: das „Kyrie“ in ungarischer Sprache hat der römisch-katholische Komponist Zoltán Szalay geschrieben; das „Gloria – Ehre sei Gott“ stammt aus der Feder von Steffen Schlandt, Kantor der Schwarzen Kirche und Koordinator des gesamten Projekts; das „Sanctus – Sfânt“ ist von dem orthodoxen Musikschaffenden Șerban Marcu komponiert worden; der in Deutschland lebende Heinz Acker zeichnet für das „Credo“ in lateinischer Sprache verantwortlich, und das „Agnus Dei – Lamb of God“ auf Englisch schrieb die Norwegerin und Kantorin der Hermannstädter Stadtpfarrkirche, Brita Falch Leutert.

Somit sind bereits im Text und in der Musik der Messe sowie bei den beteiligten Tonkünstlern die drei „siebenbürgischen“ Sprachen (Rumänisch, Ungarisch und Deutsch) und die internationale Dimension (Englisch, Latein) vertreten, aber auch die unterschiedlichen christlichen Glaubensgemeinschaften und die drei für Siebenbürgen so charakteristischen Gruppen (in der Heimat lebende und ausgewanderte Siebenbürger Sachsen sowie zugewanderte Wahlsiebenbürger).

Zudem reflektiert das ausführende Ensemble rund um den Kronstädter Bachchor der Schwarzen Kirche eindrücklich die bunte konfessionelle und ethnische Zusammensetzung Siebenbürgens. Allein im Bachchor singen vierzig Choristen, die drei Muttersprachen sprechen und sechs Konfessionen angehören. Hinzu kamen für die Weltpremiere am 30. September Sängerinnen und Sänger der evangelischen Kirchenchöre aus Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg, Sächsisch-Regen und Fogarasch sowie der katholische Chor „Lux Aurumque“ aus Szeklerburg. Zu Gast waren schließlich vier geschätzte Opernsolisten – Cristina Radu, Carmen Topciu und Dan Popescu aus Kronstadt sowie Răzvan Săraru aus Konstanza/Constanța – und die Instrumentalisten Amalia Goje (Orgel) und János Kertész (Schlagzeug).
Das Auftragswerk „Credo in unum Deum“ wurde von ...
Das Auftragswerk „Credo in unum Deum“ wurde von rund 80 Mitwirkenden unter der Leitung von Steffen Schlandt aus der Taufe gehoben. Foto: Christine Chiriac
Nach einem musikalischen Auftakt durch das Kinder- und Jugendensemble „Canzonetta“, das unter der Leitung von Ingeborg Acker alte Musik aus „Odae cum harmoniis“ (1548) interpretierte, erklang das an gregorianische Melodien erinnernde „Kyrie“, das sich aus dem „Codex Caioni“ des 17. Jahrhundert inspiriert und auch ungarische Motive aus dem 18. Jahrhundert bearbeitet. Neben dem ruhigen Anfangssatz wirkte das „Gloria“ äußerst lebendig und verbreitete mitreißende Freude, während das Herzstück der Messe, das „Credo“, eine harmonisch vielschichtige Musik und eine sehr bildhafte Vertonung des lateinischen Textes darstellte. Energisch und spielerisch wiederum war der Satz „Sfânt“, der mit modalen Motiven und prägnanten Rhythmen aus der südöstlichen Folklore die Herzen erfreute. Zum Schluss erklang tröstlich das „Agnus Dei“, das ein Thema aus dem „Kronstädter Cantionale“ (17.-18. Jahrhundert) zitierte und den Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“ von Martin Luther von Chor und Gemeinde zusammen singen ließ.

Auch waren liturgische Elemente wie das Vaterunser und der Segen mit der Musik organisch verbunden. Dem Ensemble gelang es unter der Leitung von Steffen Schlandt diese neue Musik sehr verständlich, präzise und reich an musikalischen Farben zu interpretieren. Die Freude, an einer Weltpremiere beteiligt zu sein, übertrug sich am Abend des 30. September von der Empore auf alle Zuhörenden – wer jedoch nicht dabei war, kann die Videoaufzeichnung sowohl der Uraufführung, als auch des Festgottesdienstes auf der Facebook-Seite der Schwarzen Kirche sehen (siehe Link unter www.honterusgemeinde.ro).

Der Kirchentag endete am 1. Oktober mit Gottesdiensten in rund zwanzig Gemeinden rund um Kronstadt, von Fogarasch und Neustadt bis Tartlau und Zaizendorf. Auch erklangen die Glocken in allen evangelischen Kirchen des Kronstädter Bezirks. Als Zeichen der Hoffnung wurden jene Gemeinden in den Mittelpunkt gerückt, deren Lage kritisch ist: So predigte Bischof Reinhart Guib gerade im Gottesdienst in Rothbach, wo vor eineinhalb Jahren der Kirchturm eingestürzt war. Die Bundesvorsitzende des Verbands der Siebenbürger Sachsen e.V., Herta Daniel, sprach im Rahmen des Gottesdienstes in Deutsch-Kreuz über christliche Grundsätze wie Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Nächstenliebe, die „uns Siebenbürger Sachsen über die Jahrhunderte geprägt haben“ und ohne die „eine demokratische Gesellschaft undenkbar wäre“. Ihre Schlussfolgerung lautete „Ja, ich bin evangelisch aus gutem Grund.“Am 3. Oktober um 14 Uhr erinnerten die Glocken der Schwarzen Kirche noch einmal an die erste evangelische Messe, die hier am gleichen Tag im Jahr 1542 gefeiert worden war.

Christine Chiriac

Online-Bildergalerie "Evangelischer Kirchentag in Kronstadt" mit Fotos von Christine Chiriac und Peter Simon

Schlagwörter: Kirchentag, EKR, Kronstadt, Reformation, Reformationsjubiläum, Kirche und Heimat, Gottesdienst, Uraufführung

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