2. März 2017

Keine Ruhe in der rumänischen Politik: Stattdessen nationalistische Hetze gegen die deutsche Minderheit

Zwei Monate ist die rumänische Regierung nun im Amt – und seit vier Wochen wird ihr Rücktritt von Hunderttausenden Demonstranten landesweit verlangt. Es handelt sich um die größten Straßenproteste in der postkommunistischen Geschichte des Landes. Auslöser dafür war ein beispielloser Versuch der Regierung, bestehend aus Sozialdemokraten (PSD) und der liberalen Splitterpartei ALDE, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Strafgesetzgebung zu lockern und die Korruptionsbekämpfung zu schwächen (diese Zeitung berichtete). Eine Regierungsumbildung soll die Gemüter beruhigen, doch gleichzeitig wird in manchen rumänischen Medien eine Hetzkampagne gegen das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) geführt.
Den Massendemos, der internationalen Kritik und den Beanstandungen aus der eigenen Partei zum Trotz schließt Premierminister Sorin Grindeanu seinen Rücktritt weiterhin aus. Stattdessen hat der PSD-Politiker vor wenigen Tagen das Regierungskabinett umgebildet und zum Amtsnachfolger des zurückgetretenen Justizministers Florin Iordache den Verfassungs- und Strafrechtler Tudorel Toader berufen. Dieser war von 2006 bis 2016 Verfassungsrichter, anschließend Rektor der Universität Jassy, und gilt als Vertrauter des Senatspräsidenten Călin Popescu Tăriceanu (ALDE). Das Amt des zurückgetretenen Ministers für Handel und Unternehmertum übernimmt der bisherige Wirtschaftsminister Alexandru Petrescu, während das Wirtschaftsressort nun von Mihai Tudose geleitet wird. Ausgewechselt wurde zudem die Ministerin für EU-Fördermittel, Mihaela Toader, deren Nachfolge Rovana Plumb antritt. Tudose und Plumb (beide PSD) waren von 2014 bis 2015 Mitglieder der Regierung Ponta.

Das Parlament hat indes die umstrittene Eilverordnung zur Lockerung der Antikorruptionsgesetze abgeschmettert – doch gehen die Straßendemonstrationen weiter. Nachdem auch die Auslandsrumänen in mehreren europäischen Haupt- und Großstädten den Rücktritt der Regierung forderten, werden am kommenden Wochenende weitere Massendemos erwartet.

Medienhetze gegen die deutsche Minderheit

Die angespannte Lage wird nun von einigen rumänischen Medien für eine nationalistische Hetzkampagne gegen die Deutschen in Rumänien missbraucht. Veröffentlichungen im Stil von „fake news“ und Verschwörungstheorien richten sich gegen das DFDR und Staatspräsident Klaus Johannis. Die rumänische Tageszeitung „Cotidianul“ etwa veröffentlicht seit Mitte Februar regelmäßig „Enthüllungen“, in denen das Forum als Nachfolgeorganisation der NS-nahen „Deutschen Volksgruppe“ dargestellt wird. In dieser Eigenschaft und unter der Leitung von Klaus Johannis (damals Bürgermeister von Hermannstadt) soll das Forum Immobilienrückerstattungen im Wert von 14 Milliarden Euro vom rumänischen Staat erhalten haben. Das DFDR bezog vergangene Woche Stellung gegen die Verleumdungen und zeigte, dass lediglich elf Rückerstattungsgenehmigungen zugunsten des Forums erteilt worden sind. Der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, Ovidiu Ganț, forderte seine Kollegen im Parlament auf, sich von den nationalistischen Diffamierungen öffentlich zu distanzieren.

Zentral in den Veröffentlichungen, die wohl primär dem positiven Image von Klaus Johannis in Rumänien schaden sollen, ist das Argument, dass die „Deutsche Volksgruppe“ als faschistische Organisation nach dem Krieg „rechtmäßig“ enteignet worden sei („naționalizat de drept, și nu abuziv“, so ein Artikel vom 21. Februar). Damit macht sich „Cotidianul“ ein Argument zu eigen, das historische Fakten ignoriert und die willkürliche kollektive Enteignung nach dem Zweiten Weltkrieg zu legitimieren versucht. Auch Dr. Bernd Fabritius, MdB, Präsident des Bundes der Vertriebenen und Verbandspräsident des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, wurde zur Zielscheibe der Medienkampagne: der Sender B1 TV griff ihn Mitte Februar in einer Sendung an, woraufhin Fabritius Beschwerde bei der rumänischen Medienaufsicht CNA einlegte (siehe Artikel in der SbZ Online vom 2. März 2017).

Volksentscheid doch nicht erwünscht

In der rumänischen Politik kehrt keine Ruhe ein: Zwei Wochen nachdem das Parlament den von Klaus Johannis geplanten Volksentscheid über die Zukunft der Korruptionsbekämpfung gebilligt hat, wird jetzt aus Reihen der PSD ein Verzicht auf das Referendum gefordert. Der PSD-Chef und Vorsitzende des Abgeordnetenhauses Liviu Dragnea riet kürzlich dem Präsidenten, sich den Volksentscheid „zu überlegen“, und der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Șerban Nicolae, verlangte unter dem Vorwand der hohen Kosten den Verzicht auf die Volksbefragung. Auch ALDE-Politiker und Vertreter des Ungarnverbands UDMR sprechen sich inzwischen gegen das Referendum aus.

Jedenfalls scheinen die Regierungsparteien nicht gewillt, die seit Wochen andauernde politische Krise zu beenden. Stattdessen äußert sich Călin Popescu-Tăriceanu abschätzig über die Demos und wirft der Leitung der Antikorruptionsbehörde DNA ausgerechnet „Korruption durch Macht“ vor, während Liviu Dragnea mit Gegendemonstrationen der PSD-Anhänger droht. Die Zivilgesellschaft in Rumänien hat in den vergangenen Wochen zwar gezeigt, dass sie den Rechtstaat und die Demokratie verteidigen kann, doch liegt es nun an Parlament und Regierung, auf Machtkämpfe und Angriffe gegen die Justiz zu verzichten, sich von nationalistischem Populismus zu distanzieren und ein normales Regieren aufzunehmen.

Christine Chiriac

Schlagwörter: Regierung, Krise, Korruption, Forum

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