27. Mai 2011

Sicherungs- und Bestanderhaltungsmaßnahmen an Mardischer Kirchenburg werden fortgesetzt

Wo sich Hase und Fuchs gute Nacht sagen, da liegt Mardisch. Von der Straße Hermannstadt – Mediasch biegt man in Marktschelken ins Kaltbachtal ab und fährt dann eine geraume Strecke vorbei an Feldern, auf denen Pferde und Holzpflug aber auch Traktoren mit Stahleggen zu sehen sind. Die wunderschöne Hügellandschaft wird ab und zu durch ärmlich aussehende Dörfer unterbrochen. Die Fahrt von Hermannstadt nach Mardisch scheint weit. Die Reise per Bus von München war lang, die Entfernungen aller Art veranlassten Johannes Tussbass im Namen der über fünfzig Gefährten zur Frage: „Wo sind wir hier?“. Seine Antwort: In einer Umgebung, in der sie sich herzlich aufgenommen fühlen, wo sie in gegenseitigem Geben und Nehmen bestandserhaltende Maßnahmen an einer Kirchenburg durchführen, und dabei für den Beruf und das Leben lernen.

Aufgegebene Kirchenburg

Die Dörfer im Kaltbachtal sind klein, ebenso waren es die evangelisch-sächsischen Gemeinden, die in guten Zeiten um 300 Mitglieder zählten, erläutert Friedrich Gunesch, der Hauptanwalt der Evangelischen Kirche A.B., auf der Fahrt. In diesen Dörfern, die zum Mediascher Bezirk gehören und von Pfarrerin Hildegard Servatius-Deppner betreut werden, gibt es evangelische Restgemeinden oder gar keine mehr. Von Mardisch hatte man sich verabschiedet. Anfang der 1990er Jahre war die Ende des 14. Jahrhunderts entstandene Saalkirche nach der massiven Auswanderung der sächsischen Bevölkerung aufgegeben worden. Die sie umgebenden Ringmauern aus dem 15. Jahrhundert sind teilweise eingerumpelt und grasbewachsen. Das daneben stehende evangelische Pfarrhaus wurde an die babtistische Gemeinde verkauft (die es verfallen lässt).
Den Brauch des Maibaumes führten die bayerischen ...
Den Brauch des Maibaumes führten die bayerischen Handwerker in der Mardischer Kirchenburg vor. Foto: Hannelore Baier
„Wo sind wir hier?“ fragten sich die am 30. April in diese triste Kirchenburg eintretenden Gäste. Im Kirchhof wimmelte es von jungen Männern in Lederhosen, die Bayerisch sprachen. Zwischen Baugerüsten und -geräten, Baumaterialien und -schutt lag eine blau-weiße Stange mit einer Krone aus Tannenzweigen dran. Eingeladen worden war zu einer Familienfeier der Freunde und Unterstützer der Kirchenburg, sagte Friedrich Roth, der Vorsitzende der HOG Mardisch. Die rund 30 angehenden Meister und 20 Auszubildenden der Bauinnung München haben es sich dabei nicht nehmen lassen, am Vortrag des 1. Mai, den Gästen auch den Brauch des bayerischen Maibaumes zu präsentieren. Den Siebenbürgern, mit dem ähnelnden Kronenfest vertraut, ging das fachgerechte Aufstellen des Baumes etwas zu langsam. Ein älterer Rumäne war untröstlich, dass keiner der Burschen den Stamm hochkletterte. Aufgetischt wurden Schmalzbrote und siebenbürgischer Hanklich. Sie fanden Zuspruch unter den Ehrengästen, Mitarbeitern und Mitstreitern, Zimmererlehrlingen und Schülern der Fachschule für Bautechnik München, den einheimischen Rumänen und Roma sowie den zu Besuch gekommenen, aus Mardisch stammenden Deutschen.

Die Rettung

Zur Feier war eingeladen worden, weil in der Zeitspanne vom 27. April bis 14. Mai fortgesetzt wird, womit man im vorigen Sommer begonnen hatte: der Bestandssicherung der Bausubstanz. Vor fast genau einem Jahr hatten 23 Meisterschüler und vier Lehrer der bekannten Münchner Fachschule über ein Europa-Projekt hier eine minutiöse Schadensaufnahme gemacht und sodann die dringend notwendigen ersten Schritte getan, um den weiteren Verfall zu stoppen.

Die Rettung dieser Kirchenburg ist auf die Aneinanderreihung glücklicher Zufälle zurückzuführen. Johannes Tussbass war ein Jahr lang als Entwicklungshelfer in Siebenbürgen gewesen und hatte dabei die zerrumpelnden Kirchenburgen kennengelernt. 2009 lud er drei ehemalige Lehrer der Baufachschule in München zu einem Besuch hierher ein und stellte den Kontakt zum Architekten Jan Hülsemann und zur Leitstelle Kirchenburgen her. Deren Fachleute zeigten als mögliche Objekte, an denen die bayerischen Auszubildenden ihr theoretisches und praktisches Wissen beim Sanieren einer Kirche umsetzen können: Hundertbücheln, Rothberg und Mardisch. Dass man sich für letztgenannte Kirchenburg entschied, lag daran, dass der HOG-Vorsitzende Friedrich Roth im gleichen Flugzeug saß, sagte Hans Gröbmayr, der stellvertretende Schulleiter der Münchner Fachschule für Bautechnik. Benötigt wurde nämlich jemand, der die Logistik in Verpflegung und Verköstigung vor Ort sichert, und das übernahm die HOG: Die jungen Bayern sind im nahen Martinsdorf untergebracht, wo zwei Köchinnen mit der Unterstützung zweier Küchendienst-Leistender für das leibliche Wohl sorgen. Unterkunft und Verpflegung werden aus einem EU-Projekt finanziert. Am Morgen wird zunächst gelernt, und zwar Rumänisch, mit der pensionierten Lehrerin Inge Bloss, die aus Probstdorf stammt, sowie in den technischen Unterrichtsfächern. Um 11 Uhr fährt man zur praktischen Übung nach Mardisch los, wo bis 18.30 Uhr gewerkt wird. Die Mittel für die Baumaterialien beantragte die Leitstelle Kirchenburgen aus dem Ambassadors Fund for Cultural Preservation der USA-Botschaft und bekam 38 000 US-Dollar bewilligt.

Die Nachhaltigkeit

Die Rettung dieser Kirchenburg hat 2009 begonnen, als aus Spenden der Mardischer Landsleute in Deutschland sowie mit der Unterstützung der gemeinnützigen Hermann Niermann-Stiftung im Herbst das Kirchendach und der nördliche Wehrturm abgedichtet wurden. Was die Vorfahren aufbauten, wird für die Kinder und Enkel erhalten und dies dank zahlreicher Gefährten, betonte Bischof Reinhart Guib in seiner Andacht. Er ging auf den Sinn dieser Gefährten ein, ihre Bedeutung hob der Abgeordnete des Deutschen Forums, Ovidiu Ganț, in seinem Grußwort hervor. Die Präsenz der bayerischen Fachleute stelle neben der tatkräftigen Unterstützung auch einen wichtigen Know-how-Transfer dar, so Ganț. In ihre Arbeiten zögen die Auszubildenden zahlreiche Leute vor Ort ein, die von den deutschen Kollegen lernen könnten, zumal es in Rumänien kein ähnliches duales System für das Ausbilden der Facharbeiter gebe.
Bischof Reinhart Guib (rechts) hielt die Andacht ...
Bischof Reinhart Guib (rechts) hielt die Andacht im Kirchhof. Zu den Ehrengästen der Feier gehörte Landeskirchenkurator Friedrich Philippi, der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganț und Sozialattaché Barbara Schöfnagel. Foto: Hannelore Baier
Ihr Fachwissen sowie die geplanten Bestandserhaltungsmaßnahmen stellten die Zöglinge der Baufachschule in einzelnen Sparten vor Ehrengästen – zu denen Dr. h.c. Barbara Schöfnagel, Sozialattaché an der Botschaft Österreichs, und Landeskirchenkurator Friedrich Philippi gehörten – und Besuchern vor. Die Maurertruppe erklärte zum Beispiel, wie das Gemäuer dauerhaft wiederaufgebaut und den lokalen Gegebenheiten entsprechend witterungsresistent verputzt wird. Die Pflasterer demonstrierten, wie mit „pietre“ und „nisip“ ein charmanter Kircheingang gestaltet werden kann mit einem Wasserweg weg vom Gebäude. Die Vermessertruppe nutzt die digitale Technologie für das Feststellen der Schäden und die minutiöse Dokumentation aller unternommenen Schritte. Die erste Aufgabe der Zimmerer war, zwei „Klohäusel“ in Mardisch und weitere zwei in Martinsdorf zu bauen. Ausbesserungen werden sie auch am Gemeindehaus in Martinsdorf durchführen, aber auch den Dachstuhl der Kirche denkmalpflegegerecht (mit Holznägeln) reparieren. Im Vorjahr seien sie skeptisch beäugt und die Nachhaltigkeit ihres Unterfangens hinterfragt worden. Heuer habe man sie freudig empfangen. Es hätten sich dreimal mehr potentielle Mitarbeiter aus dem Dorf gemeldet als sie annehmen konnten, sagte Hans Gröbmayr. Er hoffe, dass es Nachahmer in der Bevölkerung gebe, die ihre Häuser renovieren. Es sei eine Bürgerversammlung geplant, um den Bewohnern im Ort zu erklären, was da getan werde, gab der HOG-Vorsitzende Roth bekannt. Als Ziel nannte er eine „strahlende Kirchenburg“, auf die alle stolz sein sollten.

Hannelore Baier

Schlagwörter: HOG-Nachrichten, Mardisch, Kirchenburg, Bischof

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