18. September 2001

Volker Petris Buch "Österreich - Deine Siebenbürger Sachsen"

Volker Petri, Bundesobmann der Siebenbürger Sachsen in Österreich, gelingt es durch das weit gespannte Thema, das von der Ansiedlungsgeschichte bis in die Gegenwart führt, "neugierig zu machen" und "Interesse zu wecken". In einem geschichtlichen Teil bietet er schon Bekanntes, aber auch, aus der Auswertung von bisher nicht bearbeiteten Archiven der evangelischen Kirche und des oberösterreichischen Landesarchivs, neue Erkenntnisse aus der jüngsten Vergangenheit.
Als ich im Jahre 1995 Volker Petri gebeten habe, mein Amt als Bundesobmann der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich zu übernehmen und damit den erforderlichen Generationenwechsel in der Leitung unsrer Gemeinschaft zu vollziehen, haben vor allem zwei Argumente für seine Person gesprochen: Er ist spät genug aus Siebenbürgen gekommen, um die Verhältnisse dort nach 1945 noch prägend miterlebt zu haben, und zweitens ist er früh genug nach Österreich gekommen, um die Eingliederung der hier lebenden Siebenbürger Sachsen noch mitzumachen. Volker Petri wurde am 11. Juli 1947 in Heltau geboren, absolvierte 1965 das Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt und war nach dem Studium der Theologie in Hermannstadt und Klausenburg sieben Jahre lang in der Pfarrei Huneodoara tätig. Seit seiner Aussiedlung wirkt Pfarrer Mag. Volker Petri in Seewalchen am Attersee in der dortigen siebenbürgisch-sächsischen Siedlung. So gehört er einer doppelten Erlebnisgeneration an. Wohl aus diesem Spannungsverhältnis und dem Erkenntnisreichtum aus seinem Leben zwischen Völkern und Zeiten nahm sich Volker Petri, als Bundesobmann, zusätzlich zu seiner enormen beruflichen Inanspruchnahme, die Herausgabe eines Buches über den Weg seiner Landsleute in den letzten Jahren 50 Jahren vor.
Petri will, wie er im Vorwort schreibt, "neugierig machen" und "Interesse wecken". Das gelingt ihm durch das weit gespannte Thema, das von der Ansiedlungsgeschichte bis in die Gegenwart führt und sowohl die Angehörigen der Kriegsgeneration als auch deren Nachkommen in hohem Maße angeht. Dann will Petri auch "Spuren sichern" und schildert in einem geschichtlichen Teil schon Bekanntes, bietet aber auch, aus der Auswertung von bisher nicht bearbeiteten Archiven der evangelischen Kirche und des oberösterreichischen Landesarchivs, neue Erkenntnisse aus der jüngsten Vergangenheit. Petri scheut sich nicht, zu den positiven Eindrücken aus der Geschichte, die ihn faszinieren, auch verdrängte Ereignisse und Erfahrungen der Jahre 1930 bis 1945 mit wohltuender Unbekümmertheit zu behandeln.
Die Schwierigkeiten der Flucht und die Probleme der Eingliederung in einem entstehenden Österreich nach 1945 werden im Buch sehr eingehend und offen geschildert. Die hier wiedergegebenen Tagebuchaufzeichnungen des Manierscher Dorfhannen Johann Graef sind hierzu ein authentisches, dramatisches Dokument.
Petris Verdienst ist es, alle zeitgeschichtlichen Schilderungen mit individuellen, universal gültigen und gütigen Schlussfolgerungen zu überlagern. "Vielleicht hilft dies den Enkeln und Urenkeln das So-Sein ihrer Opas und Omas zu verstehen." Geschichte ist für ihn nicht eine Aufzählung von Geschehnissen, sondern eine Ursache für geistige Konsequenzen. In der Schilderung der Eingliederung der Siebenbürger Sachsen in Österreich zieht Petri dann diese Konsequenzen sehr intensiv. Er bekennt sich, "als gebürtigter Siebenbürger und überzeugter Österreicher" zu beiden Kultur- und Lebenskreisen und sieht im Wirken der Landsmannschaften hier eine Aufgabe für die Zukunft: "Da unsere schnelllebige Welt sehr leicht auch unsere Konturen verwischen kann, möchte ich Mut machen, das (für uns) Typische festzuhalten und nicht über Bord zu werfen." Petri setzt Hoffnungen auf die siebenbürgische Jugend- und Volkstanzgruppen und Blamusikkapellen in Österreich, die "zeigen, wie man Tradition vermitteln und junge Menschen einer Gemeinschaft zuführen kann", und bekräftigt auch wiederholt die Verbundenheit der Siebenbürger Sachsen mit der Evangelischen Kirche.
In dem das Buch abschließenden Vortragstext formuliert Volker Petri einige "Thesen für die Zukunft der österreichischen Siebenbürger Sachsen". Diese sind deswegen interessant, weil der moderne Autor im Selbstverständnis und in der Bewertung der siebenbürgischen Kultur- und Gemeinschaftswerte für die Gesellschaft von morgen einen fast traditionalistischen Standpunkt findet. So sind "unsere bewährten Werte und ethischen Haltungen ein wichtiger Beitrag für die Gesellschaft" und: "unsere Gaben (sind) in die neue Heimat einzubringen, weil sie zur kulturellen, sozialen und historischen Bereicherung beitragen". Als Siebenbürger Sachse vom alten Schlag liest man das gerne, um so mehr als dadurch die bisherige Arbeit der siebenbürgischen Landsmannschaften eine Bestätigung und einen Zukunftsauftrag erhalten.
Wir finden im Buch viele solche persönliche Schlussfolgerungen des Autors, und sie beeindrucken immer wieder durch ihre Prägnanz und die Leichtigkeit, mit der sie gesagt werden. Er wird sich nicht vermeiden lassen, und ich glaube sogar, es ist gewollt, dass sich Historiker, Theologen und Volkspolitiker aus unseren Kreisen mit mancher Textstelle aus Petris Buch auch kritisch befassen werden.
Petris Aussagen werden durch Beiträge von Mitarbeitern ergänzt. So hat Dr. Jost Linkner einen Beitrag über die "Siebenbürger Sachsen in der österreichisch-ungarischen Monarchie" und über "Siebenbürgisch-sächsische Persönlichkeiten in der Geschichte Österreichs" beigesteuert, über die "Jugendarbeit der Siebenbürger Sachsen in Österreich" schreiben Christian Schuster und Fritz Frank und Letzter auch über "Treffen und Heimattage der Siebenbürger Sachsen in Wels". Der langjährige Bundessozialreferent der Landsmannschaft, Kurt Schell, berichtet über die Arbeit des Sozialreferates und die umfangreichen Hilfslieferungen, die er zusammen mit der leider verstorbenen, unvergessenen Frauenreferentin Herta Schell und deren Gatten Oswald in den Jahren 1965 bis 1998 nach Siebenbürgen abgewickelt hat. Dies sind alles Themen, die eine weitere zeitgeschichtliche Aufarbeitung verdienten. Wertvoll sind im Buch statistische Daten zu Museen in Österreich mit siebenbürgisch-sächsische Exponaten und eine Information über siebenbürgische Blasmusikkapellen. Der Bucheinband wurde vom Schwiegersohn des Autors, dem Grafiker Daniel Sack aus Wien, geschmackvoll gestaltet.
Alles in Allem: ein sehr lesenswertes Buch, das informiert sowie zum Nachdenken und auch Diskutieren anregt.

Fritz Frank


Volker Petri: "Österreich - Deine Siebenbürger Sachsen", Dresden: Verlag Wort und Welt und Bild, 2001, ISBN 3-9807949-0-3, Preis: 37,80 DM/19,32 Euro/264,60 öS, Bestelladresse: Buchversand Südost Brigitte Rill, Seebergsteige 4, D-74235 Erlenbach, Telefon: (0 71 32) 9 51 16 12, wochentags zwischen 18.00 und 21.00 Uhr, Fax: (0 71 32) 9 51 16 13, E-Mail: buchversand_rill@t-online.de.
Österreich - Deine Siebenbürge
Volker Petri
Österreich - Deine Siebenbürger Sachsen

Wort + Welt + Bild
Taschenbuch
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Schlagwörter: Verbandspolitik, Integration

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