5. Februar 2010

Franz Zimmermann, der Anti-Teutsch

Vor 75 Jahren verstarb am 27. Januar 1935 in Linz Franz Zimmermann, der Begründer des modernen Archivwesens in Siebenbürgen, ein bedeutender Urkundeneditor und der erste von Berufs wegen als Historiker arbeitende Siebenbürger Sachse. Anders als Georg Daniel und Friedrich Teutsch, die sich als Bischöfe und Volksführer berufen sahen, Geschichte zur geistigen und geistlichen Erbauung ihres Volkes zu schreiben, hat sich der am renommierten Österreichischen Institut für Geschichtsforschung als Archivar und Historiker ausgebildete Zimmermann streng an die Kriterien der Fachwissenschaft gehalten, nicht heldisch überhöhend erzählend, sondern quellenbasierte Studien verfassend.
Trotz dieser Gegensätze legten Teutsch und Zimmermann die Grundlagen der siebenbürgisch-sächsischen Historiographie. Diese verdankt den beiden Teutsch den großen, bewusstseinsprägenden Wurf einer vierbändigen Geschichte „für das Volk“, Zimmermann aber das bis heute stets genutzte und nützliche Urkundenbuch „für die Wissenschaft“.

Franz Joseph Zimmermann wurde am 9. September 1850 in Hermannstadt geboren, wuchs aber in Wien auf, wo sein Vater, der bekannte Jurist und Professor an der Rechtsakademie Joseph Andreas Zimmermann, 1852 Ministerialsekretär und 1859 Präsident des k.k. evangelischen Oberkirchenrates wurde. Er besuchte das bekannte Wiener Schottengymnasium und studierte dann klassische Philologie und Geschichte in Leipzig und Wien. 1873 wurde Zimmermann Mitglied des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung in Wien, der international bekannten Archivschule, die er 1875 mit dem Staatsexamen absolvierte. Er war nun qualifiziert „für diejenigen Zweige des öffentlichen Dienstes, für welche gründliche Kenntnis der österreichischen Geschichte und ihrer Quellen sowie der historischen Hilfswissenschaften verlangt wird, und speziell für Anstellungen in Archiven und Bibliotheken.“

Franz Zimmermann, Bildarchiv des Siebenbürgen ...
Franz Zimmermann, Bildarchiv des Siebenbürgen-Instituts Gundelsheim
Es spricht für die damalige Führung der Siebenbürger Sachsen, dass sie noch im gleichen Jahr diesen hervorragend ausgebildeten, aber sehr jungen Fachmann anwarb und ihm die Leitung des Archivs der Stadt Hermannstadt und der sächsischen Nation übertrug. Mit Elan ging Franz Zimmermann an die Arbeit und begann eine gründliche, an den modernsten Kriterien der Archivistik orientierte Reorganisation des verstaubten Aufbewahrungsortes der wichtigsten Schriftquellen der Siebenbürger Sachsen, die er bereits 1887 weitgehend abgeschlossen hat. Das Ergebnis ist eine bis heute in ihren Grundzügen bestehende Ordnung, die in seinem unübertroffenen Archivführer (1. Auflage 1887, 2. Auflage 1901) dokumentiert und den Forschern von größtem Nutzen ist.

Doch sollte das Archiv nach Zimmermanns Überzeugung nicht nur der sachgerechten Aufbewahrung, sondern auch der Kenntnis des Quellenschatzes dienen, den es beherbergt. Er öffnete das Archiv den in- und ausländischen Forschern, so dass etwa ein Nicolae Iorga zwei wichtige Dokumentenbände zur rumänischen Geschichte herausgeben konnte. Mit der Realisierung der schon vom Göttinger Aufklärer August Ludwig von Schlözer abgegebenen Empfehlung einer nach wissenschaftlichen Kriterien edierten Quellensammlung hat Zimmermann auch die Grundlagen der wissenschaftlichen Erforschung der mittelalterlichen Geschichte der Siebenbürger Sachsen gelegt. Die drei von ihm zusammen mit seinen „Archivschülern“ Carl Werner und Georg Müller herausgegebenen Bände des „Urkundenbuchs zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“ sind bis heute unverzichtbare Grundlagenwerke. Die Fortführung dieser Edition, die inzwischen auf sieben Bände gediehen ist, gehört zu den Langzeitprojekten des Vereins und dann des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde. Dem Verein diente er in den Jahren 1878-1879 auch als Redakteur des „Korrespondenzblattes“, des Vorgängers der „Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde“.

Als Historiker war Zimmermann bei weitem nicht so produktiv wie Georg Daniel oder Friedrich Teutsch. Das von Fritz Sontag erstellte Werkverzeichnis (im Band „Figuri de arhiviști, 1971) zählt nur 50 Titel. Wichtig sind seine Arbeiten zur Wappen- und Siegelkunde und zur Ansiedlungszeit, anregend und weiterhin gültig seine kritischen Bemerkungen zum Werk von Georg Daniel und Friedrich Teutsch. Der methodischen wissenschaftlichen Forschung sei der Vorgang völlig fremd, eine Geschichtsdarstellung zu schreiben, ohne auf verlässliche Quelleneditionen und monographische Vorarbeiten zurückgreifen zu können, da es sie noch nicht gibt, schrieb er im Jahr 1900. Auch wies Zimmermann auf die Gefahr hin, die jungen, gut ausgebildeten Hochschulabsolventen drohe, wenn sie sich einer veralteten, bischöflich sanktionierten Geschichtsdeutung zu unterwerfen hätten. Seinen Aufsatz hat Zimmermann in den „Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung“ veröffentlicht. Friedrich Teutschs zeigte die menschliche Größe, den Aufsatz nicht totschweigen zu lassen, sondern sogar eine positive Einschätzung möglich zu machen. Es handle sich, schrieb das „Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt“, um eine Abhandlung, die wir der Aufmerksamkeit unserer siebenbürgisch-sächsischen Geschichtsforscher empfehlen möchten, weil sie über den gegenwärtigen stand unserer Geschichtsschreibung und ihre Mängel, sowie über eine reihe teils noch ungelöster, teils einer neuen Untersuchung und Bearbeitung bedürftiger Fragen unserer Volksgeschichte neue und beachtenswerte Ansichten enthält.“ Doch wurde festgehalten, dass „jede Zeit nicht nur das Recht, sondern auch die Aufgabe [hat], sich der Summe ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis in zusammenfassender Darstellung bewusst zu werden, auch wenn es im einzelnen noch ungelöste Fragen gibt.“

Trotzdem fühlte sich Zimmermann in der „wissenschaftlichen Idylle“ der Siebenbürger Sachsen, die er nach eigenem Bekunden gestört hatte, zunehmend isoliert. 1905 schrieb er – schon im Krankenurlaub in Österreich – ein 57seitiges Pamphlet über „die Lage“ des Archivs, in dem er auf die schlechte Unterbringung der Archivalien und die niedrigen Löhne der Mitarbeiter hinwies. Weder diese Schrift noch sein beständiges Drängen, die Situation des Archivs zu verbessern, stieß auf offene Ohren, so dass Zimmermann 1906 seinen Rücktritt einreichte. Erst seinem Schüler und Nachfolger Dr. Georg Eduard Müller war es vergönnt, den Bau eines modernen Archivgebäudes zu erleben. Franz Zimmermann aber zog sich nach Österreich zurück. Dort schrieb er kaum noch über Siebenbürgen, wohl aber über die Geschichte und die Situation der evangelischen Kirche in Österreich. Als er starb, wurde sein Tod in Siebenbürgen kaum noch wahrgenommen. Heute aber zählt er zu den Großen unter den siebenbürgisch-sächsischen Historikern.

Konrad Gündisch

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Schlagwörter: Historiker, Archivar, Hermannstadt

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Neueste Kommentare

  • 05.02.2010, 16:29 Uhr von Johann: Einfach nur hervorragend. [weiter]
  • 05.02.2010, 07:29 Uhr von bankban: Schöner, guter Artikel. [weiter]

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