2. November 2007

Internationales Diplomanden- und Doktorandenkolloquium in München

Auch in diesem Jahr hat das Siebenbürgen-Institut (Gundelsheim) gemeinsam mit dem Ungarischen Institut (München) und der Akademie Mitteleuropa (Bad Kissingen) ein Internationales Diplomanden- und Doktorandenkolloquium veranstaltet. Vom 10. bis zum 11. Oktober trafen sich im Internationalen Begegnungszentrum für Wissenschaft in München zahlreiche junge Akademiker, die sich in ihren Abschlussarbeiten mit dem Donau-Karpatenraum beschäftigen.
Das Kolloquium hat sein Hauptziel, eine akademische „Heerschau“ zu leisten, wieder mit Erfolg erreicht. Sein Verdienst ist dabei stets mehrdimensional: Zum einen ermöglicht es den fachlichen Wissensaustausch und eine strenge Wissenschaftlichkeit der Beiträge, indem es deren methodische Grundlagen besonders kritisch prüft. Zum anderen sorgt es für die Überwindung fachlicher Grenzen und jener national beschränkten, sich selbst genügenden Wissenschaftsdiskurse.

Die Tagung begann mit der Sektion Geschichts- und Sozialwissenschaft unter der Leitung von Dr. Zsolt K. Lengyel, Prof. Dr. Martin Schulze Wessel, Dr. Ralf Thomas Göllner und Dr. Martin Brusis. Die vom Mittelalter bis zur Zeitgeschichte reichenden Vorträge umfassten sowohl ausgreifende Synthesen als auch Detailforschungen. Dirk Moldt (Berlin) bot eine Zusammenfassung seiner am Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der TU Berlin abgeschlossenen Dissertation zur Rechtsstruktur im mittelalterlichen Siebenbürgen. Julia Riedel (Tübingen) stellte ihr Promotionsvorhaben vor, eine Untersuchung der Auswirkungen der Reformmaßnahmen Maria Theresias und Josephs II. auf das katholische Schul- und Bildungswesen. Mátyás Kéthelyi (Tübingen) widmete sich der evangelischen Gemeinde in Pest, die zwischen 1787 und 1848 einem besonderen Spannungsfeld zwischen Konfession, Staat und Nation ausgesetzt war. Márkus Keller (Budapest – Berlin) stellte in Aussicht, in seiner Arbeit Schlussfolgerungen über die Elite Preußens und Ungarns mit Hilfe einer vergleichenden Profilanalyse des Gymnasiallehrers in beiden Länder ziehen zu können. Die Beziehungen zwischen Deutschen und Rumänen in Siebenbürgen während der Magyarisierungspolitik untersuchte Stephanie Danneberg (München) fallweise für die Städte Hermannstadt und Kronstadt. Laura Polexe (Freiburg – Basel) bot einen Einblick in sozialdemokratische Netzwerke zwischen Rumänien, Russland und der Schweiz am Anfang des 20. Jahrhunderts. Dennis Dierks (Jena) beschäftigte das Problem der Geschichtsschreibung im multikulturellen Raum Bosniens zwischen 1878 und 1941. Die Vorträge Jan Kokoráks (Ingolstadt) und Iris Engermanns (Frankfurt/Oder) behandelten Themen der Minderheitenpolitik in der Slowakei: Die Beziehungen der deutschen Minderheit zum Mutterland in der Zwischenkriegszeit und die Slowakisierung Pressburgs zwischen 1918 und 1948. Gabriela Ghindea (Klausenburg) stellte die methodischen Grundlagen ihres Dissertationsvorhabens vor, das die deutsch-rumänischen Beziehungen im Zeitalter der Ostpolitik (1967-1974) analysiert. Die abgeschlossene Arbeit Simona Werschings (Frankfurt/Oder) untersucht auf Basis sozialwissenschaftlicher und ethnographischer Ansätze die Netzwerke rumänischer Arbeitsmigranten im Banat. Bíborka Ádám (Regensburg) verglich Rahmenbedingungen und Politik der bislang gescheiterten Autonomiebestrebungen der ungarischen Minderheit aus Rumänien mit dem Fall Südtirols, das bereits weitgehende Autonomie innerhalb Italiens erreicht hat. Der Tag wurde mit dem Vortrag von Patrícia Spiegler (Pécs – München) abgeschlossen, die ihrer Frage nach den Wechselwirkungen zwischen dem Regionalbewusstsein der Bevölkerung und der künstlichen Schöpfung eines touristischen Images anhand einer eingegrenzten Region, West-Ungarn, nachging. Die Sektion Literatur- und Sprachwissenschaft tagte am nächsten Vormittag unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Sienerth. Katalin Luffy (Klausenburg) entnahm ihrer Doktorarbeit als Beispiel der Quellenkritik die Untersuchung eines bislang unbekannten ungarischen Manuskriptes, während Attila Verók (Eger) eine kurze Zusammenfassung seiner Dissertation zur Person und Bibliothek Martin Schmeizels gab, die er als die „erste Hungarica-Bibliothek der Welt“ bezeichnete. Annamária Bíró (Klauseburg) und Noémi Kordics (Budapest) stellten ihre Arbeiten zu den Persönlichkeiten und Werken von August Ludwig Schlözer und Arthur Holitscher vor. Natalia Matica (Klausenburg) untersuchte die literarischen Balkanbilder in Werken von Dieter Schlesak und Richard Wagner. Stefan Sassenberg (München) stellte sein linguistisches Dissertationsvorhaben vor: Er analysiert das Entstehen sprachlicher Variationen in der siebenbürgisch-rumänischen Sprache durch den Einfluss des Ungarischen.

Dr. Gerald Volkmer leitete die abschließende Sektion Kunst- und Kulturwissenschaft. Bálint Ágnes stellte an zwei Fallbeispielen ihre Methoden zur Rekonstruktion von Gestalt und Ausstattung der Schwarzen Kirche aus der Zeit vor und nach dem großen Brand von 1698 vor. Einen Ausblick auf seine begonnene Dissertation in Kunstgeschichte gab Timo Hagens (Heidelberg), der die Baukunst von Hermannstadt und Temeswar als städtische Zentren der Donaumonarchie auf deren Formenkanon und kunst- und kulturhistorischen Determinanten hin vergleichen wird. Catherine Roth (Lyon) schloss die Vortragsreihe mit einem mutigen Beitrag, der nach den identitätsstiftenden Determinanten der siebenbürgisch-sächsischen Ethnogenese fragte, um sie als Vorbild und Handlungsanweisung für die Europäische Union bzw. für das Ziel, eine „europäische“ Identität zu schaffen, zu erwägen.

Angesichts der herausragenden Bedeutung des Kolloquiums für junge Akademiker bleibt für die Zukunft zu hoffen, dass dessen Tugend, faire Zeitfenster für eine vertiefte Diskussion der Beiträge zu schaffen, beibehalten wird. Während universitäre Kolloquien zu gehasteten Kontaktbörsen degenerieren, sollte dieses Forum das einmalige Potential einer versammelten Fachvertretung zum Vorteil einer interdisziplinären Auswertung der Beiträge ausschöpfen, ohne dabei deren Zahl zu mindern. Nicht zuletzt Dank des selbstlosen und versierten Engagements der Organisatoren, denen wir an dieser Stelle ausdrücklich danken, bestätigte das Kolloquium seine Rolle als unabdingbares Forum für die Vorstellung einschlägiger akademischer Abschlussarbeiten erneut voll und ganz.

Bálint Ágnes und Frank-Thomas Ziegler

Schlagwörter: Dissertation, Jungakademiker, Jugend

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