30. August 2007

Bedeutender Arzt mit poetischer Ader

Der bedeutende Arzt und Lyriker Carl Henning wurde am 14. Februar 1860 in der siebenbürgischen Stadt Broos geboren, wo sein Vater, Gottfried Wilhelm Henning, ein gebürtiger Schäßburger, zu jenem Zeitpunkt als Finanzrat tätig war. Nach Gymnasialjahren in Temeschburg im Banat, wo sein Vater inzwischen zum Leiter des Königlich-Ungarischen Gebührenbemessungsamtes (Finanzamt) avanciert war, studierte er Medizin in Wien.
Seinen Studieneifer belegt die Äußerung seiner Studienkollegen: „Wenn man noch so früh in den Seziersaal kommt, ist der Henning schon da, und wenn man noch so spät weggeht, ist der Henning noch da.“ Die frühzeitige Neigung zu zeichnerischer Betätigung führte dazu, dass Henning die vorhandenen klinischen Anschau­ungsmittel durch plastisch-koloristische Dar­stel­lung der Krankheitsbilder bedeutend verbessern konnte, als Leiter des von ihm gegründeten Universitätsinstitutes für Moulage eine große Anzahl von unübertroffenen Krankheits­nachbildungen schuf und als Meister auf diesem Gebiet auf zahlreichen medizinischen Kongres­sen mit höchsten Ehrungen ausgezeichnet wurde. Als praktischer Arzt war er nur wenige Jahre tätig und widmete sich vor allem der Behandlung der Armen, die ihm umso weniger eintrug, als ihn sein gütiges Herz bewog, in vielen Fällen dem Rezept auch eine Geldspende beizufügen.

Dr. Carl Henning (1860-1917) ...
Dr. Carl Henning (1860-1917)
Zu einem Wohltäter vieler Leidender wurde Dr. Carl Henning durch Erfindung der elastischen Gesichtsprothesen, durch die viele Ent­stellte ein normales Aussehen und damit Le­bensfreude und Berufsmöglichkeit wiedererlangen konnten, insbesondere die Kriegsver­stüm­melten in den Jahren des Ersten Welt­kriegs. Bei der Herstellung der Prothesen und den entsprechenden Versuchen hatte er auch mit giftigen Substanzen zu tun, mit denen sorgsam umgegangen werden musste. Die Tragik jedoch wollte es, dass er durch eine in das Labor eingedrungene Fliege, die von dem Gift gesogen hatte und ihn stach, innerhalb von drei Tagen am 3. Juni 1917 im Alter von 57 Jahren in Wien der Vergiftung erlag.

Als vortrefflicher Turner und Fechter hatte er schon im Jahre 1887 die Gründung des Wiener Akademischen Turnvereins angeregt, den er, führend, zu großer Blüte brachte, bewundert angesichts seiner Reckengestalt und seines wallenden Bartes.

Nicht vergessen werden darf, dass Carl Hen­ning auch über eine poetische Ader verfügte – ein Erbe seines Vaters. Drei Bände lyrischer, von Gemüt, Humanität und tiefem Weit­blick durch­sonnter Inhalte kennzeichnen seine poetische Richtung.

Ein ausgeprägter Familiensinn und Treue zu seiner siebenbürgischen Heimat, insbesondere zur Stadt Bistritz, wo seine Eltern den Lebens­abend zubrachten, zeichneten ihn auch aus. Zudem war seine Ehegattin die nicht minder bekannte Thusnelda Henning, geborene Her­mann, gebürtig aus Kronstadt, Schwester des gut bekannten Hermannstädter Malers Hans Hermann, welche gelegentlich einer Ausbildung im Malen, Zeichnen und Kunststicken in Wien weilte und Carl Henning kennenlernte. Sie leitete in Wien auch eine Volksspielgruppe, bestehend aus siebenbürgisch-sächsischen Studen­ten und Studentinnen, mit denen sie Österreich, Deutschland und auch die siebenbürgische Heimat bereiste und siebenbürgisch-sächsisches Brauchtum, Volkstänze und Mundart­lieder bekannt machte. Durch Gedichte, Kurz­geschichten und Novellen wurde sie auch bekannt, ihr wichtigstes Werk aber – „Der Höl­zerne Pflug“ – Chronik eines siebenbürgischen Geschlechts – ist eines der bedeutenden Werke der siebenbürgisch-sächsischen Literatur.

Die wesentlichen obigen Daten wurden dem Geleitwort zum Lyrikband „Lebensfluten“ von Carl Henning entnommen.

Julius Henning

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 15. August 2007, Seite 8)

Schlagwörter: Medizin, Lyrik, Schäßburg

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