18. Februar 2020

„Abstufung dreier Nuancen von Grau“: Kristiane Kondrat liest in Nürnberg

Wer den Roman „Abstufung dreier Nuancen von Grau“ von Kristiane Kondrat liest, erfährt von der ergreifenden Geschichte einer Frau, die, verfolgt und in die Enge getrieben, eine Traumatisierung durch Angst und Gewalt, durch Diktatur und Neubeginn erlebt, überlebt und schließlich, wenn auch unter Schwierigkeiten, überwindet. Dabei kann auch der besonders kunstvolle Umgang der Autorin mit Sprache bewundert werden.
Wer am 6. Februar im Zeitungs-Café Hermann Kesten der Nürnberger Stadtbibliothek bei der Lesung mit Kristiane Kondrat dabei war, konnte darüber hinaus tiefere Einblicke in die biografischen, politischen, historischen Hintergründe der Entstehung eines komplexen, sprachlich dicht und gediegen geformten Textes und deren Autorin bekommen. Zur gelungenen Präsentation, akkurat organisiert vom Nürnberger Kulturbeirat zugewanderter Deutscher in Kooperation mit dem Bildungscampus Nürnberg, trug durch seine schlüssige Moderation mit ihren wohlüberlegten und wohlgeformten Fragen auch Thomas Zehender, Gründer des Ulmer danube books Verlags, beträchtlich bei.
Kristiane Kondrat, Thomas Zehender und dazwischen ...
Kristiane Kondrat, Thomas Zehender und dazwischen Anna Richter, die Projektleiterin des Kulturbeirates zugewanderter Deutscher, im Zeitungs-Café in Nürnberg. Foto Inge Alzner
Die aus Augsburg angereiste Autorin, als Aloisia Fabry 1938 in Reschitz im Banater Bergland geboren, im rumänischen Banat in einer sozialdemokratisch geprägten Familie aufgewachsen (ihr Vater entging der Deportation in die Sowjetunion 1945 nicht) und mit der kommunistischen Diktatur konfrontiert, darf 1973 nach Deutschland ausreisen und wohnt an verschiedenen Orten in Süddeutschland. „Jeder Umzug ist auch eine kleine Entwurzelung“, bekennt sie freimütig. Vor der Ausreise aus Rumänien wurde sie genötigt eine „Erklärung“ zu unterschreiben, dass sie weder mündlich noch schriftlich etwas sagen oder veröffentlichen würde, das „dem Ruf der Sozialistischen Republik Rumänien Schaden zufügen könnte“. 1968 erschien ihr Gedichtband „Regenbogen“ im Jugendverlag Bukarest. Vieles von dem, was sie schrieb, durfte in der Diktatur nicht veröffentlicht werden und blieb somit in der Schublade. Diese „Schubladenliteratur“ kam auf Umwegen nach Deutschland, erzählt sie. Darunter das Material für den Roman „Abstufung dreier Nuancen von Grau“ – zum Teil eingenäht in den Saum eines Wintermantels. Als freiberufliche Journalistin arbeitet Kristiane Kondrat vorwiegend für die Süddeutsche Zeitung. Sie verfasste Romane, Erzählungen, Lyrik und Satire.

Kristiane Kondrats Roman „Abstufung dreier Nuancen von Grau“ überzeugt durch die packende Gestaltung ungezählter Grenzsituationen, durch seine poetischen und surrealen Bilder, die besonders auffallende dichte Sprache mit aparten Wortschöpfungen. Sie schafft es bestechend, panische Angst – die rumänische Securitate lässt grüßen – oder das Verschwimmen äußerer und innerer Wirklichkeit, gemeinhin schwer in Worte zu fassen, authentisch zu artikulieren. Im Gespräch im Anschluss an den Vortrag zweier prägnanter Ausschnitte aus ihrem Roman erläutert sie wach, akkurat, in deutlicher Diktion u.a., wieviel Fiktion, wieviel Realität, wieviel Autobiographie, Selbsttherapie bzw. Vergangenheitsbewältigung dieser enthält. Sie bekennt freimütig „Ich schreibe sehr gerne Lyrik“, was auch an diesem konzentrierten, andeutungsreichen Text klar wird.

Der ertragreiche Abend mit Kristiane Kondrat endete mit wohlgeformten Dankesworten von Anna Richter, neue Projektleiterin des Kulturbeirats.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Lesung, Nürnberg, Kristiane Kondrat, Banat, Roman

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