28. November 2019

Gert und Uwe Tobias: Black Wind Blowing

Seit dem 9. November präsentiert Contemporary Fine Arts unter dem Titel „Black Wind Blowing“ eine Ausstellung mit neuen Arbeiten von Gert und Uwe Tobias, die sechste Einzelausstellung der Künstler in der Berliner Galerie.
Diese jüngsten Arbeiten scheinen motivisch und atmosphärisch in Zusammenhang mit den frühen Werken der in Siebenbürgen geborenen Zwillinge aus ihrer fulminanten Serie „Come and See Before the Tourists Will Do – The Mystery of Transylvania“ vor 15 Jahren zu stehen, die den Beginn ihrer künstlerischen Karriere markierten. Die Brüder kehren in dieser Ausstellung zu den Sujets der damaligen Arbeiten zurück und entführen den Betrachter in eine Welt der fabelhaften Wesen und Dämonen.

Auf ihren großformatigen Holzschnitten eröffnen die Künstler eine dunkle, märchenhafte und faszinierende Welt: Große, wie Fabelwesen erscheinende Tiere ziehen den Betrachter unmittelbar in ihren Bann. Die Wesen sind nicht leicht identifizierbar. Sie muten wie große, bizarre Vögel an – mit aufgerissenen Mäulern und durchdringenden Blicken. Die Hybridwesen haben etwas Verstörendes und Irritierendes. Viele von ihnen wirken aufgeschreckt, geradezu verängstigt, suggerieren dadurch auch menschliche Wesenszüge.
Gert & Uwe Tobias: Ohne Titel/Untitled, 2019, ...
Gert & Uwe Tobias: Ohne Titel/Untitled, 2019, Holzschnitt auf Leinwand, 200 x 168 cm. Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin/Foto: Alistair Overbruck
Gert und Uwe Tobias‘ Motive eröffnen eine mystische, surreale Bildwelt, die in der Kunstgeschichte vor allem durch spätmittelalterliche Werke und ihre Ikonographie bekannt ist. So thematisierte Hieronymus Bosch im 15. Jahrhundert wohl religiöse Tugenden, repräsentiert durch Figuren und Fabelwesen, deren Bedeutung aber bis heute nicht eindeutig entschlüsselt ist.

Mit der von den Brüdern entwickelten Technik, eine Form des Holzschnitts, wird die historische Assoziation noch pointiert. Der Holzschnitt ist das älteste grafische Druckverfahren, das von zahlreichen Künstlern seit der Antike vornehmlich in Europa und in Ostasien genutzt wurde. Vor allem durch den Buchdruck und die dafür benötigten Illustrationen erlebte der Holzschnitt in Europa im 15. Jahrhundert eine Hochphase. Gleichzeitig nutzten berühmte Künstler, darunter vor allem Albrecht Dürer, das Verfahren zur Reproduktion ihrer Kunstwerke. In der jüngeren Kunstgeschichte erlangte der Holzschnitt durch die Impressionisten und Expressionisten wieder an Bedeutung. Max Pechstein, Paul Gauguin, Paula Modersohn-Becker und Ernst Ludwig Kirchner produzierten die wohl bekanntesten Holzschnitte der klassischen Moderne. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es dann vor allem die Maler des Informell, die Holzschnitte anfertigten, und Künstler wie Georg Baselitz oder Franz Gertsch, die mit Holzschnittverfahren ihren Arbeiten eine besondere Note verliehen.
Gert & Uwe Tobias: Ohne Titel/Untitled, 2019, ...
Gert & Uwe Tobias: Ohne Titel/Untitled, 2019, Holzschnitt auf Leinwand, 200 x 168 cm. Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin/Foto: Alistair Overbruck
Gert und Uwe Tobias, die seit einigen Jahren ihre Technik noch dahingehend erneuerten, dass sie direkt auf Leinwand drucken, reihen sich aber nicht nur in eine europäische Tradition ein, sie referieren auch auf die Kunst Ostasiens. Dort wurden, besonders in Japan im 18. Jahrhundert, eigene Holzschnitttechniken entwickelt und eine bis heute etablierte Bildsprache für Farbholzschnitte erfunden. Wesentliches Kennzeichen der Darstellungen sind vor allem das Weglassen von Schatten- und Lichteffekten und damit auch eine fehlende Perspektive sowie ein unklarer Bildmittelpunkt. Diese stilistischen Merkmale finden sich auch in den Werken Gert und Uwe Tobias‘ wieder.

Zur Ikonographie der japanischen Farbholzschnitte gehören, wie auch bei Hieronymus Bosch, Jenseits-Vorstellungen. Sie thematisieren die Hölle oder Vorhölle, dargestellt durch teuflische Dämonen, Fabelwesen und böse Geister.
Gert & Uwe Tobias: Ohne Titel/Untitled, 2019, ...
Gert & Uwe Tobias: Ohne Titel/Untitled, 2019, Holzschnitt auf Leinwand, 150 x 130 cm. Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin/Foto: Alistair Overbruck
„There’s a black wind blowing in the cotton field, honey …

There’s a long black cloud hanging in the sky, honey
Weather’s gonna break and hell’s gonna fly
Baby, sweet thing, darling …

Cotton’s pretty thin yonder on the hill
Won’t clear a greenback dollar bill
Baby, sweet thing, darling …

Work shade and back to the buzzard wing
Clouds are gonna bust and cry down rain …“


Interpretatorische Hinweise werden von den Künstlern selbst grundsätzlich nicht geliefert. Der dem obigen Song der Band Wilco entliehene Ausstellungstitel „Black Wind Blowing“ schickt diese Deutungsreise aber vielleicht in die richtige Richtung. Ein eigenes Bild kann man sich bis zum 21. Dezember in der Grolmannstraße 32/33 in 10623 Berlin-Charlottenburg machen.

Gert und Uwe Tobias (geboren 1973 in Kronstadt) leben und arbeiten in Köln. Große Einzelausstellungen wurden den Künstlern unter anderem im Sprengel Museum, Hannover (2016); Pinakothek der Moderne, München (2016); Museum Morsbroich, Leverkusen (2015); Museum Dhondt-Dhaenens, Deurle (2014); Kunstmuseum Ravensburg, Ravensburg (2013); Whitechapel Gallery, London (2013); GEM Museum for Contemporary Art, Den Haag (2011); Kestnergesellschaft, Hannover, (2009); Kunstmuseum Bonn (2009) und dem Museum of Modern Art, New York (2008) gewidmet. Ihre Arbeiten gehören zu den Sammlungen der Pinakothek der Moderne, des Kupferstichkabinetts Dresden oder Gemeente Museum Den Haag.

Schlagwörter: Ausstellung, Holzschnitte, Tobias, Kronstadt, Berlin

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