14. Juli 2019

Deutsch-ukrainische Begegnungen: zwei Siebenbürger auf Bukowiner Spuren

Dem Rückblick auf die ehemals beachtliche deutschsprachige Literaturregion der Bukowina galt eine Veranstaltung am 5. und 6. Juni in Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina, Ukraine. Die Veranstaltung wurde vom Deutschen Kulturforum östliches Europa, Potsdam, in Zusammenarbeit mit der Ukrainisch-Deutschen Kulturgesellschaft Czernowitz am Zentrum Gedankendach der Juri-Fedkowitsch-Universität, Czernowitz, vorbereitet und durchgeführt; verantwortlich: Dr. Ingeborg Szöllösi, Potsdam, und Dr. Oxa­na Matiychuk, Czernowitz. Der Titel der Veranstaltung, „Zwei Siebenbürger auf Bukowiner Spuren“ war eine Anlehnung an den Titel des Bandes „Bukowiner Spuren“ (2002) von Hans Bergel.
Bergel war es auch, dessen Name auf dem Programm des ersten Tages stand. Der bald 94-Jährige hatte es übernommen, dem Publikum einiges über den Erzähler Gregor von Rezzori (1914-1998) mitzuteilen, hatte aber nach dem Gespräch mit einer älteren Besucherin kurz vor Beginn der Veranstaltung umdisponiert und sich entschlossen, auch über Alfred Margul-Sperber (1898-1967), Dorothea Sella (1922-2007), Margit Bartfeld-Feller (geb. 1922) und Manfred Winkler (1922-2014) zu sprechen. Es war ein guter Einfall, das Spektrum dieser Art auszuweiten, weil dadurch die Vielfalt der deutschsprachigen Literatur dieses Landstrichs anschaulich wurde. Neben der Kenntnis des unterschiedlichen Werks dieser Autoren kam Hans Bergel die persönliche Bekanntschaft mit ihnen zugute. So wurden – wohl auch dank der reibungslosen Übersetzung durch die Germanistin Oxana Matiychuk – die zwei Vortragsstunden im vollen Saal des Paul-Celan-Zentrums zur kurzweiligen Informationsrunde. Die Dankbarkeit des aus ­allen Altersschichten zusammengesetzten Auditoriums äußerte sich nicht zuletzt in der unvermindert wachen Aufmerksamkeit während der zwei Stunden. Dazu trug mit Sicherheit Bergels Einfall bei, die oben genannten Autoren im Zeichen übergeordneter Interpretation zu sehen: Rezzori, der Weltmann; Margul-Sperber, der Helfer; Bartfeld-Feller, die Chronistin; Sella, die Märtyrerin; Winkler, der Weise.
Oxana Matychuk, Hans Bergel, Ingeborg Szöllösi ...
Oxana Matychuk, Hans Bergel, Ingeborg Szöllösi (v.l.n.r.) im Paul-Celan-Literaturhaus Czernowitz. Foto: Deutsches Kulturforum östliches Europa
Der 6. Juni diente der filmischen Veranschaulichung eines Lebensabschnitts Paul Celans (1920-1970), der sich, ein innerlich Gejagter des Holocaust, in Paris das Leben nahm. Der von Frieder Schuller vor vielen Jahren erstellte Film hat die Bukarester Jahre 1945-1947 des Unglücklichen zum Gegenstand – technisch altersbedingt mangelhaft, bot der Film dessen ungeachtet eine Palette aufschlussreicher Informationen. Wenig bekannt ist dabei, dass Celan während dieser zwei Jahre von seinem Entdecker und Förderer Margul-Sperber den Namen erhielt, unter dem er berühmt wurde: Celan. Die Anekdote berichtet, dass Margul-Sperber dem 25-jährigen Paul Ancel – sprich: Antschel – den Rat gab, sich mittels Anagramm – Silbenumstellung – Celan zu nennen, Begründung: „Als Antschel kommst du nie und nimmer in die Literaturgeschichte.“ Der seit 1948 in Paris lebende Paul Celan, französischer Staatsbürger, erinnerte sich mit Sympathie der kurzen Zeit in Bukarest. Schuller, Autor des Films, konnte krankheitsbedingt an den Programmen in Czernowitz nicht teilnehmen.

Den Gästen aus Deutschland blieb Czernowitz über die Veranstaltungen hinaus in der besten Erinnerung. Die architektonisch k.u.k.-geprägte, vom Krieg verschonte, durch Graffiti nicht entstellte Stadt von mustergültiger Sauberkeit, der freundliche Menschenschlag und das bemerkenswerte geistige Niveau der ukrainischen Gesprächspartnerinnen – neben Oxana Matiychuk die Gästebegleiterin Natalia Masijan – machten die Tage auch zu menschlich erfreulichen Begegnungen.

Schlagwörter: Bukowina, Ukraine, Hans Bergel, Deutsches Kulturforum östliches Europa

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