12. März 2019

Als Herzchirurg rettete er Leben, für ihn selbst gab es keine Rettung: Christian Schreiber in München geehrt

Als Kinderherzchirurg war er absolut detailbesessen, Professor Dr. Christian Schreiber. Der Münchner Mediziner ist Sohn von Dorit und Franz Schreiber, die beide aus Kronstadt stammen und sich in Glonn und München mit drei Söhnen ein Leben aufgebaut haben. Bei seiner Familie und den Kollegen im Deutschen Herzzentrum ist Dr. Christian Schreiber stark präsent, obwohl er am 4. Juli 2016 mit nur 50 Jahren, an der seltenen Krankheit ALS gestorben ist (siehe Nachruf in der Siebenbürgischen Zeitung).
„Weil er uns so präsent ist, haben wir eine Büste von Christian Schreiber für unsere Klinik anfertigen lassen. Denn ohne ihn säßen wir heute nicht hier“, erklärt Rüdiger Lange, Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Deutschen Herzzentrums. Am 30. Januar 2019 eröffnete Professor Lange das neue Ebstein-Zentrum am Münchner Herzzentrum. Hier kann jetzt eine seltene angeborene Fehlbildung des Herzens operiert werden. „Diese Anlaufstelle für Ebstein-Erkrankte in Deutschland wäre ohne Christian nicht denkbar“, würdigte Professor Lange den großen Verdienst des Herzchirurgen Schreiber für die Heilung von Ebstein: Bei einem Festakt mit Musik erläuterte Rüdiger Lange, vor Fachkollegen und der Presse – mit einer persönlich gehaltenen Fotopräsentation – die gemeinsame Arbeit.
Die Operation angeborener Herzfehler erfordert ...
Die Operation angeborener Herzfehler erfordert Mut, Disziplin und Kreativität: Rüdiger Lange (links) und Christian Schreiber im OP. Foto: privat
Bei der Ebstein-Anomalie ist eine Klappe des Herzens fehlgebildet und muss operiert werden. Der Eingriff ist kompliziert. Bis vor wenigen Jahren gab es in Deutschland keine gute Methode. Die Herzchirurgen wussten nie, wie die Operation ausgeht. Auch junge kräftige Patienten starben. „Wir waren extrem frustriert von den Ergebnissen“, berichtet Rüdiger Lange. Sein Kollege Christian Schreiber, der während des Medizinstudiums in Salvador da Bahia in Brasilien im Krankenhaus gearbeitet hatte und fließend Portugiesisch sprach, nahm deshalb Kontakt mit einem brasilianischen Herzchirurgen in São Paulo auf, der nach einer eigenen, neuen OP-Methode mit guten Ergebnissen arbeitete. Und so flogen die Chirurgen Lange und Schreiber 2009 gemeinsam in die Megacity, um dem brasilianischen Herzchirurgen über die Schulter zu schauen.

Die beiden Münchner Ärzte erlernten und systematisierten dessen neuartige OP-Methode: „Diese OP ist die komplizierteste, die ich in meinem Leben gemacht habe – und ich bin seit 35 Jahren Chirurg“, bekannte Prof. Lange bei der Ehrung des so geschätzten Christian Schreiber: „Man muss fein mit Gewebe umgehen können, feine Nähte setzen und endlos Nähen, um mit der ‚Cone-Technik‘ eine neue Herzklappen-Form zu konstruieren.“ 350 meist junge Patienten sind inzwischen an dem neuen Ebstein-Zentrum in München registriert.

Als Herzchirurg war Christian Schreiber international gefragt. 2006 erhielt er seine Habilitation. Sein früherer Chef sagt: „Christian Schreiber entwickelte sich zu einem überragenden Kinderherzchirurgen“, der auch in Peking und Shenyang arbeitete. In China wurde sein außergewöhnliches Talent früh erkannt. Mit nur 41 Jahren wurde er dort Ehrenprofessor. Rüdiger Lange hatte bereits bei der Beerdigung von Christian Schreiber im Sommer 2016 darüber gesprochen, wie sehr er Christians extreme Sicherheit und seine sanfte Art zu schätzen wusste: „Ich habe es geliebt, mit ihm zu operieren.“ Er berichtete, dass ihm Christian Schreiber wegen seiner „hervorstechenden Intelligenz, seiner positiven Energie und seinem unerschöpflichen Tatendrang“ aufgefallen sei. Aus Arbeitskollegen wurden Freunde.
Herzchirurg Christian Schreiber (1965-2016). ...
Herzchirurg Christian Schreiber (1965-2016).
Christian Schreiber nahm die Menschen für sich ein. Sein Sprachwitz und Charme sind unvergessen. Als er die Diagnose ALS erhielt, kämpfte der Münchner Mediziner mit allen Mitteln um sein Leben. Er las sämtliche Fachliteratur und stellte fest, dass es große Forschungslücken in Bezug auf ALS gibt. Zusammen mit dem prominenten Münchner Gastwirt Karl-Heinz Zacher, dessen Frau Nina ebenfalls unheilbar an ALS erkrankt war, begann er ein Netzwerk von Patienten, Ärzten und Forschern aufzubauen: das Netzwerk „FACE ALS“. Aus diesem ist eine Stiftung hervorgegangen, die Unterstützer sucht: www.faceals.de. Zum Stiftungsvorstand gehört Christian Schreibers Frau Tania Higgins. An der noch wenig erforschten Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) sind in Deutschland derzeit rund 8.000 Menschen unheilbar erkrankt.

Eva von Steinburg

Schlagwörter: Medizin, Chirurg, München, Kronstadt

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