17. September 2018

Diener des Herrn und des poetischen Wortes: Abschied von Walther Gottfried Seidner

Gerade noch wurde jubelnd der 80. Geburtstag unseres dichtenden Ornatsträgers Walther Gottfried Seidner gefeiert, und nun muss schon, mit schmerzlichem Bedauern, nach Seidners Dahingleiten in die Ewigkeit am 26. August 2018 in Hermannstadt seiner gedacht, eine kleine Bilanz seines kirchlichen und poetisch-episch-dramatischen Lebenswerkes versucht werden.
Ein begnadeter Sprachzerpflücker und Silbenklitterer war dieser Dorfpfarrer aus Stolzenburg mit absolvierter Tischlerlehre, dieser Prediger und Wortjongleur mit hoch sensitivem Gespür für feinste semantische Nuancen; ein Mittelding von Till Eulenspiegel und Don Quichotte, der mit den harmlosen Waffen beispielhafter Gleichnisse, mit „getropften Reimen“ und witzigen „Affo-Rissmen“ gegen die „Sprachverknotung“ zu Felde zog.

Dorfleben und Kindersegen prägten seinen Werdegang an der Seite seiner treuen Lebensgefährtin Margot. Nicht Erdengüter häufte er in seinem traditionsbeladenen Renaissance-Pfarrhof an, sondern konzipierte da vielmehr Sonntagspredigten, ließ Gedanken und Ideen reifen, konnte sie zu Reimen schleifen in seinem bücherüberwucherten Studierzimmer fast Faust‘schen Ausmaßes, in dem allerdings nicht Menschheitsepen, sondern gelungene transsilvanische Miniaturen geschaffen wurden.
Walther Gottfried Seidner, aufgenommen in seiner ...
Walther Gottfried Seidner, aufgenommen in seiner Pfarre in Stolzenburg im September 2015. Foto: Konrad Klein
Dichterisch bediente er virtuos die gesamte Klaviatur der sächsischen Mundart, dieser seiner so buntscheckigen „Herzenssprache“. In Versen und Theaterstücken, die von Laienbühnen ebenso gespielt wurden, wie sie es zu Hermannstädter Staatstheater-Ehren schafften, brachte er als mehrere Pfarrstellen wechselnder, evangelischer Dorfgeistlicher seine Kenntnisse der süd- wie der nordsiebenbürgischen Idiome gekonnt ein. Reines Deutsch verwendete er für seine ernsten Kurzgeschichten, Skizzen und Erzählungen, in der realistischen Manier des 19. Jahrhunderts verfasst. Mit seinen von witzigen Reimen und skurrilen Wortschöpfungen wimmelnden Miniaturen war für ihn „Das Leben ein Alpha-Beet/ von A bis Z mit Spiel besät.“ Es gelang ihm „aus vermeintlich belanglosen Disteln am Straßenrand literarischen Honig zu saugen“(Jean Paul).
Walther G. Seidner mit der Hermannstädter ...
Walther G. Seidner mit der Hermannstädter Singgruppe Sälwerfäddem bei einem Auftritt in Bad Kissingen im November 2013. Foto: Konrad Klein
Von all dem etwas (bedauerlicherweise keiner seiner Theaterschwänke) konnte in seinem 2007 im Honterus Verlag erschienenen Sammelband „Auf Wolke Sieben/Bürgen“ gefunden und genossen werden. Leider schaffte er nicht mehr die Fertigstellung eines zweiten, schon großteils gediehenen Bandes mit dem ulkigen Titel „Tante Secu und die Hirschkäfer“ – die heimtückische, spät entdeckte und nicht mehr zu kurierende Krankheit raffte ihn zum Leidwesen von Familie, Freunden und dankbaren Lesern schließlich dahin.

Charakteristisch für ihn war seine warmherzig-zerstreute Art, mit der er empathisch seine Dorfgemeinschaft umhegte. Er ließ bei freudigen Ereignissen seinen Humor ebenso aufblitzen, wie er profunde Ernsthaftigkeit und aus Seelentiefe kommenden Trostzuspruch bei Trauer- und Gedenkandachten bewies. Er blieb seinem Volke, seiner Sitte, seiner Sprache treu und verharrte nach der massenhaften Auswanderung der Sachsen weiterhin auf siebenbürgischen Boden, dem Credo Eginald Schlattners folgend, laut dem man nicht den Ort des Leides verlassen, sondern danach trachten soll, dass das Leid den Ort verlässt.
Walther G. Seidner mit der sächsischen ...
Walther G. Seidner mit der sächsischen Mundartdichterin landlerischer Herkunft Elisabeth Kessler. Viele von „Voltaires“ Texten tippte Kessler in ihren freien Stunden als Sekretärin des Bezirkskonsistoriums (Bad Kissingen, 2013). Foto: Konrad Klein
Die Zeilen seiner Grabrede für die von ihm verehrte Eva Ziegler, quasi seine Zweitmutter, treffen nun wunderbar auch auf ihn zu. Den Bibelspruch „Selig sind die Toten, die in dem Herren starben, denn ihre Werke folgen ihnen nach“ weitete er aus: „Was einer in dieser Welt bewegt hat, das bewegt sich weiter, auch wenn der, von dem der Anstoß ausgegangen ist, nicht mehr unter uns weilt.“
Ein Bild aus glücklicheren Tagen: Walther G. ...
Ein Bild aus glücklicheren Tagen: Walther G. Seidner mit Besuchern auf der Stolzenburg, links unser Mitarbeiter Konrad Klein (2015). Foto: Annelies Fabritius-Tontsch
Lieber Voltaire, lieber Walther Gottfried – du fandest nun in Frieden zu Gott, dem du unverdrossen in Zeiten kommunistischer Willkür ebenso wie in den traurigen, vom Exodus des Sachsenvölkchens geprägten Jahren danach gedient hast. Ich bin überzeugt, du blickst von da oben mit gütigem Lächeln und einem fein geschliffenen Bonmot auf den Lippen zu uns herab: „Denn alles, was da leibt und lebt/ schlägt seine Wurzeln – und entschwebt“. Ruhe sanft, mein Freund.

Kurt Thomas Ziegler

Schlagwörter: Nachruf, Pfarrer, Schriftsteller, Stolzenburg

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