14. Juni 2018

Vielfältig, dicht und sprachlich raffiniert: Eginald Schlattners neues Buch „Wasserzeichen“

Es ist das vierte große Buch aus der Feder von Eginald Schlattner – nach seinen erfolgreichen und zum Teil verfilmten, auch in anderen Sprachen erschienenen Romanen „Der geköpfte Hahn“, „Rote Handschuhe“ und „Das Klavier im Nebel“. „Wasserzeichen“ – ein großes Werk, das vom Autor nicht als Roman bezeichnet wird. Stattdessen und ostentativ steht schon auf der ersten Textseite das Wort „MIR“. Das Buch entpuppt sich beim Lesen immer wieder als Autobiographie, obwohl es zugleich nur bedingt eine Selbstdarstellung ist. Zu vielfältig und ungemein wort- und ideenreich sind die narrativen Darstellungen des mit über 600 Seiten äußerst voluminösen Werks.
Der Buchtitel „Wasserzeichen“ birgt „so manches, macht einiges sichtbar, enthält Verhüllung, das Verschleierte einerseits, anderseits wird manches sichtbar“, so der Autor in einem kürzlich erschienenen Interview. Handlungsorte sind das Kronstadt (damals Stalinstadt) der 1950er Jahre, die Noa, ein ehemaliges Villenviertel reicher Kronstädter, Fogarasch, wo Schlattners Jugend stattgefunden hat, Klausenburg, Hermannstadt und andere mehr, alle in Siebenbürgen. Der Leser wird auch in Dörfer des Burzenlandes mitgenommen und natürlich – besonders am Ende des Buches – nach Rothberg, in das dortige Pfarrhaus und die Kirche, aber auch in die Zigeunerhütten am Bach. Rothberg – ein Ort, in dem Schlattner viele lang Jahre Pfarrer war. Großartig beschrieben werden auch Berge und Bergtouren wie die Besteigung des Krähensteins (Ciucaș).

Und die Menschen in diesem Werk? Es sind in erster Linie Mitglieder seiner Familie, die oft weit gefächert und verzweigt betrachtet wird, aber auch seine Kronstädter Schulfreunde. Wie in seinen anderen Romanen verfremdet er deren Namen zum Teil, was eigentlich nur für wenige Kenner jener Zeiten von Interesse sein kann. Ins Zentrum stellt er allerdings immer wieder, und das oft mit Verve und Leidenschaft, die weiblichen Personen seines Umfeldes, beginnend mit Großmutter und Mutter, dann seine früh bei einem Motorradunfall aus dem Leben geschiedene Schwester bis zu seiner inzwischen verstorbenen Ehegattin, seiner Susanna Dorothea. Auch wenn die Beziehungen zu den gleichaltrigen weiblichen Personen bunt und bilderreich gebracht werden, entstammt einiges davon sicher dem Bereich der Fantasie, wird bisweilen skurril und bizarr dargestellt. Es sind dieses menschlich einmalig schöne, stark emotional gezeichnete Beziehungen, u.a. zu Schlattners Jugendfreundin, die jüdischer Abstammung ist.
Zu vielfältig und dicht sind die Texte Schlattners, um sie hier zu erläutern: das Leben im Kommunismus, auch die Rolle der zwei Schulleiter des Honterusgymnasiums – er nennt sie mit richtigem Namen –, dann seine Begegnungen mit der Securitate. Auch die Zustände auf Baustellen – Schlattner war selbst einige Jahre auf diesen tätig – kommen zur Sprache. Die Schilderung von Stimmungen gelingt ihm meisterhaft, und raffiniert ist das Spiel mit der Sprache, z.B. bei den Namen der Schwestern Awemaria und Evamaria oder dem Begriff „der botanische Stalin“ bei der Nennung des Namenzuges dieses Diktators, der jahrelang, in Tannenbäumchen gepflanzt, den Zinnenwald in Kronstadt „zierte“.

Aspekte des Glaubens und der Theologie, die Einsicht in Schlattners theologische Vorstellungen offenbaren, durchziehen das Buch wie ein roter Faden – besonders markant die Schilderung seines Aufenthaltes in einem orthodoxen Frauenkloster, in dem er das Manuskript dieses Buches geschrieben hat. Er spricht von seinem Leiden in den Kellern der Securitate, von seiner „befohlenen Mission“ und wie ihn jahrzehntelang die „blaue Katze im Nacken“, also die Schuldfrage, beschäftigte. Am Ende kommt ihm aber die „Gnade der ­Erleuchtung“ und Schlattner kann sich von der fiktionalen Katze befreien. Er schildert sein Leben mit den Romakindern von Rothberg, die als Nachfolger der ausgewanderten Sachsen seines Dorfes gegenseitige Liebe und Zuneigung in ganz neuen Formen des menschlichen Miteinanders erfahren.

„Wasserzeichen“ ist ein Buch, das – Schlattner offenbart es – auch die Germanistin Dr. Edith Konradt und die Chemnitzerin Tamara Ambros in seine nun erschienene Form gebracht haben; ein Buch, das allen zu empfehlen ist, denen die nahe Vergangenheit Siebenbürgens und seine Menschen am Herzen liegen und die – nicht zu vergessen – Freude an anspruchsvoller Sprache haben.

Hansgeorg v. Killyen


Eginald Schlattner: „Wasserzeichen“. Pop Verlag, Ludwigsburg, 2018, 625 Seiten, 29,00 Euro, ISBN: 978-3-86356-216-8

Schlagwörter: Schlattner, Buch, Autobiographisches, Besprechung, Siebenbürgen, Rumänien, Kirche

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