29. Mai 2018

Preisverleihungen 2018 in Dinkelsbühl: Kulturleistung im Kontinuum

Himmelwärts schmetternde Trompetenläufe wetteifern mit farbreichen Orgelklängen und der beschwingt-pulsierenden Querflöte in der Sankt-Pauls-Kirche zu Dinkelsbühl. Lisa Konnerth (Querflöte), Manuel Konnerth (Trompete) und Andrea Kulin (Orgel), die Leiterin der Siebenbürgischen Kantorei, gestalteten die musikalische Umrahmung der diesjährigen Preisverleihungen. Zum krönenden Abschluss erklingt Tomaso Albinonis Concerto in F-Dur für Trompete, Flöte und Orgel. Da sind Laudationes und Danksagungen bereits vor- und fortgetragen zur gedanklichen Verarbeitung; die noch vormittags, bei Trachtenumzug und Kundgebung, arg vermisste Sonne durchglänzt derweil die Kirchenfenster.
Der Vorsitzende des Kulturpreisgerichts, Georg Aescht, begrüßt das zahlreich versammelte Publikum, die Vertreter der verleihenden Verbände und Organisationen, die Preisträger und ihre Laudatoren, den Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Dr. Paul Jürgen Porr, und den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Bernd Fabritius. Der dotierte Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis wird seit 1968 von den Verbänden der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und in Österreich verliehen. Die bisher 78 Persönlichkeiten zuerkannte, höchste Auszeichnung der Siebenbürger Sachsen wird 2018 den Germanisten Michael Markel und Horst Schuller zuteil.

Ein literarisches „Triumvirat“


Im Vorgriff auf das unmittelbar bevorstehende Ereignis wählt der in Zeiden geborene Publizist und Übersetzer Aescht ein historisches Etikett: Mit Michael Markel, Prof. em. Dr. Horst Schuller und Dr. Peter Motzan gewärtige man „ein Triumvirat der rumäniendeutschen Literaturgeschichte“. Mithin war es dem Literaturhistoriker Peter Motzan, selbst Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturpreisträger (2011, gemeinsam mit Dr. Stefan Sienerth), als Laudator aufgegeben, den angelegten Spannungsbogen zu erfüllen - das leistete der gebürtige Hermannstädter denn auch gewohnt geist- und kenntnisreich, da und dort gewürzt mit sprachspielerischer Ironie.

Wie in der Verleihungsurkunde erklärt wird, hat Michael Markel (1937 in Deutsch-Weißkirch geboren) „als Assistent und Dozent für deutsche und rumäniendeutsche Literatur sowie als kommissarischer Leiter der Sektion Germanistik am Lehrstuhl für Germanische Philologie der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg gewirkt“. In dieser Eigenschaft sowie als leitender Herausgeber und Hauptautor der ab 1972 erscheinenden neuen Lehrbücher samt Textsammlungen für das Fach „Deutsche Literatur an den Gymnasien mit muttersprachlichem Unterricht“ habe Markel „Generationen von Studenten und Schülern geprägt“ und sich, auch als Autor publizistischer Beiträge, wissenschaftlicher Studien und Aufsätze „als herausragender Vertreter der Germanistik in Rumänien profiliert“. Das sei ihm nicht zuletzt auch durch seinen ehrenamtlichen Einsatz im Vorstand des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde als Leiter der Sektion Germanistik gelungen.

Der Germanist Prof. em. Dr. Horst Schuller (1940 in Meschen geboren) leitete an der Hermannstädter Lucian-Blaga-Universität bis zu seiner Emeritierung den Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur. Durch sein Wirken in Forschung und Lehre hat er „zur Kenntnis Siebenbürgens und insbesondere der siebenbürgisch-deutschen wie der siebenbürgisch-sächsischen Literatur entscheidende Beiträge erbracht“, heißt es in der Preis-Urkunde. Dies gelte gleichermaßen auch für seine Tätigkeit als Journalist und langjähriger Kulturredakteur der Wochenzeitung „Karpatenrundschau“, als Autor, Referent und Mitglied zahlreicher Institutionen und Gesellschaften, wie insbesondere im Exekutivkomitee des Internationalen Zentrums für Wissenschaftliche Zusammenarbeit der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Die Laudatio behandelte die beiden Preisträger nicht nacheinander, sondern gegenübergestellt, nebeneinander. Das durchaus folgerichtig, verbindet die Germanisten doch das Band einer über 60-jährigen Freundschaft. Wie Motzan bemerkte, seien beide Persönlichkeiten wertkonservativ orientierte „Brüder in Geist und Gemüt“ und miteinander eng verbunden „durch gemeinsame Lebenssituationen, durch deckungsgleiche Arbeitsfelder und Interessen, durch Beruf und Berufung, durch Temperament und Charakter“, „durch eine niemals demagogisch ausposaunte Liebe zur Mehrvölkerregion Transsilvanien, vor allem aber zu ihrer Herkunftsgemeinschaft“. Nicht genug der Gemeinsamkeiten, seien beide, in ländlichem Milieu aufgewachsen, Mundartsprecher, hätten beide Germanistinnen geheiratet, seien beide vom rumänischen Geheimdienst „drangsaliert, bedroht und beobachtet“ worden, und hätten beide in erhellenden Aufsätzen über ihre Securitate-Akten referiert.
Germanisten, Freunde: Die Siebenbürgisch ...
Germanisten, Freunde: Die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreisträger 2018 Michael Markel (1. von links) und Prof. em. Dr. Horst Schuller (3. von links) beim Gruppenbild mit den Vorsitzenden der den Kulturpreis verleihenden Verbände der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Herta Daniel, und Österreich, Manfred Schuller. Foto: Christian Schoger
Schuller und Markel begegneten einander als Klassenkameraden an der Lehrerbildungsanstalt in Schäßburg. Nach dem Abitur studierten sie als Gruppen-Kollegen in Klausenburg Germanistik und Rumänistik. Motzan zufolge hätten beide, „vom protestantischen Ethos der Pflichterfüllung geprägt“, ihre Aufgaben in Rumänien als Lehrer, Forscher und Publizisten „in der Pflege des diffizilen deutschen Idioms unter inselsprachigen Gegebenheiten“, in der „ideologiebefreiten Vermittlung der ‚großen‘ deutschen Literatur“ gesehen, auch darin, die „zeitweilig tabuisierte, schwindende Erinnerung an das literarisch-kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen wach zu halten“. Gleichzeitig hätten sie auch junge Autoren und Nachwuchswissenschaftler gefördert. Michael Markel wirkte zwischen 1962 und 1992 als Assistent und Dozent für deutsche und rumäniendeutsche Literatur an der Sektion Germanistik im Rahmen des Lehrstuhls für Germanische Philologie. Zu seinen Schülern zählten u. a. Brigitte Tontsch, Frieder Schuller, Franz Hodjak, Stefan Sienerth, Edith Konradt und Georg Aescht. Prägende Wirkung entfalteten zudem die ab 1972 erscheinenden neuen Lehrbücher für das Fach Deutsche Literatur an den Gymnasien mit muttersprachlichem Unterricht (9.-12. Klasse), deren „verantwortlicher ‚Programmdirektor‘ und Hauptautor" Markel war. „Die Umstrukturierung und Modernisierung der Deutschlehrbücher ist eine unleugbar große Leistung und bleibendes Verdienst von Michael Markel“, so Motzan.

Beider Familien waren vom „Wahnblitz Geschichte“ in Gestalt von Deportation, Enteignung und Entrechtung betroffen. Horst Schuller entging 1961 nur knapp der Relegation. Zum Zwecke der Einschüchterung waren ihm staatsfeindliche und nationalistische Äußerungen angedichtet worden, schließlich wurde er doch zur Staatsprüfung zugelassen und konnte danach eine Stelle als Deutschlehrer in der burzenländischen Gemeinde Marienburg antreten. 1968 wurde er Redakteur bei der Karpatenrundschau, deren Feuilleton er zwanzig Jahre lang bis 1990 leitete und dieses, wie der Laudator würdigend anerkannte, „in Gemeinschaftsproduktion mit dem stellvertretenden Chefredakteur Hannes Schuster, dem seiltänzerischen und verborgenen Faktotum des Blattes, zu dem lebendigsten und interessantesten Sektor der Karpatenrundschau formte“. Schuller verfasste seinerzeit Hunderte von Zeitungstexten sämtlicher journalistischen Gattungen, führte Gespräche mit Schriftstellern und gab unveröffentlichte Briefe aus Nachlässen und Archiven heraus. 1984 promovierte er an der Universität Bukarest mit dem Thema „Kontakt und Wirkung. Literarische Tendenzen in der siebenbürgischen Kulturzeitschrift ‚Klingsor‘“. 1990, nach dem Sturz Ceaușescus, wechselte er als Dozent an den Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur der Universität Hermannstadt. Vier Jahre später wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. Wie Motzan ausführte, habe Schuller an der Reorganisation und Öffnung der Hermannstädter Germanistik maßgeblich mitgewirkt.

Beide Preisträger wiesen in ihren wissenschaftlichen Publikationen eine beachtliche Vielfalt auf, das belegten ihre Lehrwerke für den Hochschulunterricht ebenso wie kommentierte Autoreneditionen, Anthologien, Studienbände und literaturhistorische Aufsätze. Die Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland sei den langjährigen Weggefährten schwer gefallen, sie erfolgte bei Markel, 56-jährig, 1992. Er fand an der Volkshochschule Landshut eine Anstellung als Honorardozent für Deutsch als Fremdsprache. Zehn Jahre später folgte Horst Schuller, nach seiner krankheitsbedingten Emeritierung. Auch in Deutschland setzten beide ihre publizistische und wissenschaftliche Tätigkeit fort. Er könne nur hoffen, beschloss Peter Motzan seine nicht einfache zweifache Laudatio, „dass diese umfangreichen Bibliografien in den nächsten Dezennien weiterhin anwachsen“.

Die ehrende Würdigung „wärmt mein Philologenherz“, bekannte Horst Schuller in seiner Danksagung, in der er anhand verschiedener Sprachbeispiele der Frage nach dem dauerhaft Bleibenden nachging. Im Stile einer „kritischen Selbstbefragung“ streifte der Germanist kuriose Begegnungen mit alten Handschriften, versteckten Hochzeitssprüchen, einem verlegerischen Identitäts-Versehen mit einer falsch zugewiesenen Eminescu-Übersetzung, um zu dem Fazit zu gelangen: „Mit Sicherheit bleibt die Arbeit, die kleine und die große Arbeit, Arbeit bleibt genug.“ Er sei „innerlich tief bewegt“, offenbarte Mit-Preisträger Michael Markel anlässlich dieser hohen Auszeichnung. Seinen Dank richtete er an die den Preis verleihenden Verbände, an das Preisgericht und vorzüglich den Laudator („meinen Freund und ehemaligen Kollegen Peter“). Keineswegs stehe er als Ausgezeichneter alleine hier; nicht nur des zu gleichen Ehren gelangten Freundes und Kollegen Horst Schuller wegen. Markel erinnerte an eine Schar ihm nahestehender Menschen, insbesondere Germanistenkollegen, denen er „Kraft und Mut“, „Anregung und Rüstzeug“ verdanke, und nannte beispielhaft Namen wie u. a. Harald Krasser, Hannes Schuster, Dorothea Götz, Edmund Pollak, Zsuzsa Széll und Ilse Löw.

Jugendarbeit auf Werte- und Wissensvermittlung fokussiert


Seit 1993 verleihen die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland und Studium Transylvanicum jährlich den dotierten Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis. In diesem Jahr wird der 1974 in Kronstadt geborene Historiker Dr. Dr. Gerald Volkmer geehrt „für sein außerordentliches Engagement und seinen unermüdlichen Einsatz für die siebenbürgisch-sächsische Jugendarbeit. Insbesondere für seine stetige Vermittlung von Werten, Kultur und Geschichte rund um Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen.“ (Preis-Urkunde) Die Laudatio hielt Bettina Mai als Vertreterin des Kreises Studium Transylvanicum.

Bettina Mai rief ihre erste persönliche Begegnung mit dem Auszuzeichnenden in Erinnerung, und bekräftigte, dass dieser nicht nur ein „gescheiter Mensch“ sei, sondern vielmehr auch „ein warmherziger, hilfsbereiter und diskreter Mensch, dessen Herz voll und ganz siebenbürgisch-sächsisch schlägt“.

Die Laudatorin referierte biografische Eckdaten des Preisträgers, darunter die 1988 erfolgte Aussiedlung seiner Familie nach Rheinland-Pfalz, sein Studium der Geschichte mit Promotion in Mainz (Dissertationsthema: „Die Siebenbürgische Frage 1878-1900. Der Einfluss der rumänischen Nationalbewegung auf die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien“). Heirat und Vaterschaft, Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaft (Dissertationsthema: „Völkerrechtliche Stellung und Völkerrechtspraxis des Fürstentums Siebenbürgen 1541-1699“). Volkmer war Leiter des Siebenbürgen-Instituts, stellvertretender Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und ist heute stellvertretender Direktor des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Dr. Dr. Gerald Volkmer (Bildmitte), Träger des ...
Dr. Dr. Gerald Volkmer (Bildmitte), Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreises 2018, präsentiert die Urkunde, flankiert von seiner Laudatorin Bettina Mai (Studium Transylvanicum) und SJD-Bundesjugendleiter Dr. Andreas Roth. Foto: Christian Schoger
Seit seinem 18. Lebensjahr war Gerald Volkmer drei Jahre lang Vorstandsmitglied der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendtanzgruppe Nieder-Olm, mit beachtlichem Erfolg, denn 1994 wurde die Tanzgruppe mit dem Ostdeutschen Kulturpreis für kulturelle Jugendarbeit des Bundesministeriums des Innern ausgezeichnet. Volkmer war von 1993 bis 1995 stellvertretender Landesjugendleiter in Rheinland-Pfalz/Saarland der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD), von 1995 bis 1998 Mitglied der Bundesjugendleitung der SJD und Referent für die Koordination der Zusammenarbeit mit anderen Jugendorganisationen. Als Leiter der Arbeitsgemeinschaft siebenbürgisch-sächsischer Studenten und Jungakademiker (ASJ) führte er mehrere Jahrestagungen durch. Sein Engagement im Studenten- und Jungakademikerkreis Studium Transylvanicum währte von 1994 bis 2007. In dieser Zeit war Volkmer Mitorganisator der jährlich stattfindenden Siebenbürgischen Ferienakademie bzw. der Siebenbürgischen Akademiewoche, Redaktionsmitglied der Zeitschrift Siebenbürgische Semesterblätter, Sprecher von Studium Transylvanicum (ST), Herausgeber der Festschrift „Die zwanzigste Siebenbürgische Akademiewoche“ und ST-Vertreter in der Jury für den Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis. Neben der Förderung des Nachwuchses sei ihm die Vermittlung von Werten und Kenntnissen zur siebenbürgischen Geschichte bis heute ein großes Anliegen, betonte die Laudatorin. Auch nach seiner aktiven Zeit als Ehrenamtlicher helfe er den Jugendorganisationen mit seiner Expertise und stehe jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland als auch Studium Transylvanicum „wären ohne Gerald Volkmer nicht das, was sie heute sind“, unterstrich Mai.

Die Verleihung des Jugendpreises ehre ihn sehr und berühre ihn, betonte Gerald Volkmer in seiner Danksagung. Die siebenbürgische Jugendarbeit habe über die aktive Zeit hinaus sein Leben stark geprägt, ihr verdanke er „als Kind und Jugendlicher Orientierung“, von dem zusammengetragenen „wertvollen Erfahrungsschatz“ zehre er bis heute. Der Preisträger ließ viele wichtige Etappen der siebenbürgischen Jugendarbeit Revue passieren, darin eingebettet seine persönlichen Erfahrungen, mit prägender Wirkung auch hinsichtlich seiner Beschäftigung mit der Geschichte Siebenbürgens und anderer Regionen in Ostmittel- und Südosteuropa. Als Zeichen seiner Dankbarkeit und Verbundenheit spendete Volkmer das Preisgeld dem Föderationsjugendlager und der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, die beide „in vorbildlicher und nachhaltiger Weise“ die Ziele des Jugendpreises unterstützten, indem sie zur Förderung der Gemeinschaft, der Kulturpflege und des Geschichtsbewusstseins beitrügen. – Unwillkürlich drängte sich Horst Schullers schlichte wie prägnante Feststellung ins Bewusstsein: „Arbeit bleibt genug.“

Christian Schoger

Schlagwörter: Heimattag 2018, Dinkelsbühl, Preisverleihungen, Kulturpreis, Jugendpreis, Horst Schuller, Markel, Volker, Herta Daniel, Aescht, Literatur, Germanistik, Jugendarbeit, Hermannstadt

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