4. Januar 2018

Richard Wagners neuer Gedichtband: "mit den Worten, den immerwährenden"

Endlich!, könnte man sagen, erscheint wieder ein Gedichtband von Richard Wagner, denn im Vergleich zu seinen über 20 Romanen, Geschichten und Essays ist das erst der siebente des Banater Schriftstellers in der Bundesrepublik. Vor kurzem ist im Aufbau-Verlag sein Band „Gold“ erschienen, eine Sammlung von bereits publizierten und noch unveröffentlichten Gedichten aus den Jahren 1972-2016.
Chronologisch geordnet und auf Perioden aufgeteilt, bietet das Buch eine Übersicht von Wagners lyrischem Schaffen von seinen Anfängen bis heute, versehen mit einem ausführlichen Nachwort von Christina Rossi und einem Quellenverzeichnis. Der scheinbar nicht uneitle Titel „Gold“ bezieht sich jedoch auf das gleichnamige Gedicht, in dem die Verse „In der Not wird das Gold gewogen und in der/ Verzweiflung schluckt man die Uhr“ (Seite 149) zu lesen sind, und lässt auf existenzielle Zwänge schließen. So werden auch die Gedichte Wagners über die Jahre von politisch schlagfertigen zu immer philosophisch nachdenklicheren. Sie zeigen das Schaffen eines wahren Dichters, der sich mit den Problemen seiner Zeit, aber auch mit der Sprache und nicht zuletzt mit der conditio des Dichters beschäftigt.

Im ersten Teil beschreibt Wagner, schwankend zwischen einem lyrischen Ich und einem Wir, seine Position gegenüber der Sprache: „wir (…) brechen die konturen der wörter ein/ der wortaugen der/ wortnase des wortmundes des wortgesichts“ (9). Scheinbar banale Situationen kehrt der Dichter in dramatische um, wie der Kuckuck, der nicht mehr in seine Uhr zurück will, oder der Kohlweißling, der vom Kragen weggewischt wird und die „Unterredung“ in ein Verhör verwandelt. Hier kommt auch die Sympathie Wagners mit dem Sozialismus zur Sprache: „die wir die schlote der worte hochziehen (…) und aufbauen die tribünen des sozialismus/ stück für stück“(18), es schimmert aber auch seine Kritik an den Plastikwörtern, den bügelfreien Wörtern, durch, gegen die man mit einem „abgesoffne[n] schreibmaschinengewehr“ nicht ankommt, wenn man in einem „brunnenrandausdemwolkendorf“ festsitzt (22). Schön sind die abgeklärten (Liebes)Gedichte, die sich flapsig, schlicht im besten Sinne des Wortes und dennoch tiefgründig mit dem Gegebenen abfinden: „machen Liebe im Klavier/ Alle alle bleiben hier.“ (31)

In der Zeit vor der Ausreise, erscheinen kritischere Gedichte bereits im Westen: „Meine Zunge ist aus Holz. Damit rede ich./ Damit sag ich was. Aufs Blatt“ (55). Die Wörter werden hier geduldlos und schweigen sich aus, das Ohr wird an die Wand gehalten, denn man fürchtet sich womöglich vor einer Verhaftung, die Leute scheinen aus Holz und der Dichter bekommt den Beifall der Wände. Das lyrische Ich fühlt sich „Nicht nackt, nur mir selber entzogen“ (66).

Nach der Ausreise kommt eine neue Banalität auf, das Erschrecken wird in den Hintergrund gerückt und die Wörter stellen sich ganz ruhig ein, decken aber nichts mehr auf. Sie treffen daneben, sie sind nichtig, leuchten aber und sind noch immer zweierlei, so Wagner. Die Gedichte werden bestimmt von einer Stadt, in der das Fremde dem lyrischen Ich zuwächst, das Nichts „uns durch den Kopf rast“ (82), einer Stadt, die lügt. Die Fremdheit setzt sich in der Sprache fort, die zur pochenden Erinnerung wird oder gar zum Blubbdeutsch. Es gibt jetzt sogar eine Sehnsucht nach der Angst von früher und das Leben spielt sich ab im Spannungsfeld zwischen Angebot, Gebot und Verbot.

Berührend sind die Gedichte aus der letzten Schaffensperiode, größtenteils im Erstabdruck, die existenzielle Fragen erörtern und von der Krankheit des Autors gezeichnet sind: „Ich fahre aus der Haut meiner Lage“ (164). Hier wägt der Dichter ab, was schlimmer ist, das Lesen oder das Schreiben, aber eigentlich geht es nicht darum, sondern um das unausgesprochene Wissen, das vielleicht im Körper eingeschrieben ist, einem Körper der überall ist, aber wegfällt, zum Abfall wird: „Du weißt/ worauf es ankommt/ Du weißt/ worum es geht“ (175). Und dann tritt man wohl hinaus „In die Finsternis/ der Uhr“ (151).

Politisch, streitbar, abgeklärt, tiefgründig, nachdenklich, philosophisch, schlicht und schön, das sind nur einige Adjektive, die zu Richards Wagners Lyrik passen. Der Band ist eine gut ausgewählte Zusammenfassung seines lyrischen Lebenswerks geworden, oder so wie Christina Rossi im Nachwort schreibt, sein „Vermächtnis an die deutsche Literatur“ (196).

Edith Ottschofski

Richard Wagner: Gold. Gedichte, Berlin: Aufbau Verlag, 2017, 208 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-351-03676-8
Gold: Gedichte
Richard Wagner
Gold: Gedichte

Aufbau Verlag
Gebundene Ausgabe
EUR 20,00
Jetzt bestellen »

Schlagwörter: Rezension, Richard Wagner, Banat, Lyrik

Bewerten:

11 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.