29. Dezember 2017

Geschichte von Schloss Horneck, siebte Folge: Friedrich Trump und Dr. Ludwig Roemheld

Die „Schlossbrauerei Hornegg“ hatte offenbar nicht den erwarteten Gewinn eingefahren. 1880 wurde Schloss Horneck erneut zum Verkauf angeboten und in einer Anzeige als „in gesündester und wärmster Lage Württembergs gelegen und mit prachtvoller Fernsicht begünstigt“ angepriesen. „Dasselbe“, hieß es weiter, „empfiehlt sich als eines der größten und herrlichsten Schlösser zum Wohnsitz höchster Herrschaften, ebenso für ein feines Institut, Luftcurort oder Anstalt, ist ein fein wohnlich monströser Massivbau solidester Bauart mit äußerst praktischer Einrichtung und großartig imposanten Anblicks.“
1890 wurde das Schloss vom Münchener Immobilienspekulanten Friedrich Trump (1854-1948) erworben, der hier eine „Wasserheil-, Bade- und Kur-Anstalt“ einrichtete, in der die Methoden des Wörishofener Pfarrers, Naturheilkundlers und Hydrotherapeuten Sebastian Kneipp sowie von Johann Schroth und Louis Kuhne („System Kneipp-Kuhne-Schroth“) angewandt wurden. Zu diesem Zweck wollte er mehrere Umbauten vornehmen, unter anderen die „Herstellung eines Verbindungsganges im Hofraum des Schlosses Hornegg“, deren Pläne im Bauamt der Stadt Gundelsheim erhalten geblieben sind. Der vom Baumeister W. Hintergerst am 15. Mai 1890 vorgelegte Plan sah einen Fachwerkanbau im Innenhof des Schlosses vor, über den der Zugang zu den einzelnen Behandlungsräumen und Patientenzimmern, die nun eingerichtet wurden, ermöglicht werden sollte. Der Plan wurde nur teilweise umgesetzt. In der 1891 eröffneten Heilanstalt wirkten als behandelnde Ärzte – wie dem 2017 vom Verein „Kulturetta“ herausgegebenen Buch „Gundelsheimer Augenblicke“ des Ortschronisten Leo Achtziger zu entnehmen ist – der Oberstabsarzt a.D. Dr. Katz und der Stabsarzt a.D. Dr. Kleinmann. Trumps GmbH meldete 1896 Insolvenz an (Siebenbürgische Zeitung Online vom 21. Oktober 2017); der Unternehmer muss aber ein beachtliches Vermögen behalten haben, denn in den Folgejahren ließ er mehrere Prachthäuser in München-Schwabing bauen. In einem davon, Ainmillerstraße 25, das 1903 errichtet wurde, lebte er bis zur Zerstörung der Immobilie während des Zweiten Weltkriegs.

Wirtschaftliche Leiterin der Heilanstalt wurde nun Julie Eberhardt-Herrmann, Erbin des international renommierten Hotels „Herrmann“ in Bad Cannstatt sowie weiterer Hotels in Paris und Dresden. Ihre in Cannstatt gesammelten Erfahrungen im Kurbetrieb, aber auch ihre Kontakte zu bedeutenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens trugen zum wachsenden Renommee von Schloss Horneck bei. Sie selbst wurde schon 1871 mit dem königlich-württembergischen Olga-Orden und 1872 mit dem Königlich Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet und war mit König Wilhelm von Württemberg und seiner Frau Charlotte persönlich bekannt. Frau Eberhardt-Herrmann hat dann auch die Suche nach einem geeigneten Mediziner für Schloss Horneck vorangetrieben.

Die Wahl fiel auf den 29-jährigen Mediziner Dr. Ludwig Roemheld (1871-1938), der 1899 zum ärztlichen Leiter der „Kuranstalt Schloss Hornegg“ berufen wurde. Der Internist, in Medizinerkreisen bis heute wegen der Erforschung und ­Behandlung des nach ihm benannten „Roemheldschen Syndromkomplexes“ bekannt, später zum Geheimen Hofrat und 1921 zum Ehrenbürger von Gundelsheim ernannt, hatte entscheidenden Anteil an einer neuen Blütezeit von Schloss Horneck in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Unterstützt von Heilbronner Unternehmern wie dem Trockensuppen-Hersteller Carl Knorr, dem Wachs- und Stearin-Fabrikanten Link oder dem Silberwarenhersteller Peter Bruckmann, die sich zu einer GmbH zusammenschlossen, beauftragte er den damals sehr bekannten Architekten Adolf Braunwald (1875-1951), der unter vielen anderen Bauten auch die bei Bergsteigern beliebte „Heilbronner Hütte“ am Tascheljöchl errichtet hat, mit dem Um- und Ausbau. Seine detaillierten Pläne von 1907 und 1912, die auch realisiert wurden, können heute im Gundelsheimer Bauamt eingesehen werden. Im ersten Innenhof wurden in klassizistischem, neobarock anmutendem Stil Gänge zu den einzelnen Zimmern angebaut (im Erdgeschoss ist heute der Lesesaal der Siebenbürgischen Bibliothek untergebracht), dazu eine Terrasse. Der zweite Innenhof, nunmehr vom ersten durch eine Mauer getrennt, wurde zu einer Bäderanstalt für Damen und Herren umgebaut, auch mit einem „Nobelbad“, einem Moor- und einem elektrischem Lichtbad versehen.
Herrenduschraum mit Wechselfußbad des ...
Herrenduschraum mit Wechselfußbad des Sanatoriums. Abbildung in dem 1939 von Chefarzt Dr. med. Karl Recknagel herausgegebenen, aufwendig gestalteten Werbeprospekt „Sanatorium Schloß Horneck“ (aufbewahrt in der Siebenbürgischen Bibliothek, Gundelsheim)
Für die Versorgung mit Heizung und Elektrizität wurde ein „Kessel- und Maschinenhaus“ errichtet, in dem eine „Niederdruckdampfheizungs-Anlage“ installiert wurde. Die Speisesäle, ein Vorraum und ein Billardzimmer wurden mit Jugendstil-Elementen geschmückt, die bis heute erhalten sind. Ein Aufzug wurde eingebaut. 2500 Glühbirnen wurden angebracht, wovon nicht nur die Kurgäste profitierten; auch die Investoren konnten, einer Überlieferung zufolge, vom Heilbronner Wartberg aus „ihr Kapital leuchten sehen“.

Illustre Kurgäste: Gründgens, Zuckmeyer, von Opel, Schmeling …

Beim gastrokardialen Roemheld-Syndrom handelt es sich um eine Wechselbeziehung von Verdauungsstörungen und Herzbeschwerden, die durch übermäßiges Essen, blähende Speisen oder körperliche Anomalien hervorgerufen werden. Entsprechend sah Roemhelds Kur Diäten, Wasser-, Luft- und physikalische Therapien (auch mit Röntgenstrahlen) sowie viel Bewegung vor, die er durch Anlage von rund 50 km Wanderwegen in die Umgebung und von zwei Kurparks mit Orangerie und Tennisspielplatz beförderte. Bald kamen auch Gäste, die einfach nur abnehmen und sich wohl fühlen wollten, unter ihnen so prominente Persönlichkeiten wie Königin Charlotte von Württemberg, die (Exil-)Kaiserin Hermine, die zweite Gattin Wilhelms II., die Schauspieler Heinrich George, Gustav Gründgens und Marianne Hoppe, der Schriftsteller Carl Zuckmayer, der Bergsteiger Luis Trenker, der Boxweltmeister Max Schmeling, die Autobauer Wilhelm und Heinrich von Opel, der Essigbaron Wilhelm Kühne. Das mondäne Sanatorium, dessen Name in weithin sichtbaren Lettern auf die Mauern Richtung Neckar geschrieben wurde, war bald weit über die Region hinaus bekannt.

Dabei war Dr. Roemheld keineswegs leutselig, sondern führte ein sehr strenges Regiment, nicht nur über seine mehr als 100 Angestellten, sondern auch gegenüber seinen gutbetuchten und prominenten Kurgästen. Diese machten sich in gelegentlich sarkastischen, aber stets respektvollen Gedichten Luft, die sie etwa in dem – anonym herausgegebenen! – Büchlein „Dank an Hornegg“ auch herausgegeben haben. Einige Kostproben:

„Wer den Rhythmus seines Lebens / Bei den Sternen hat gesucht, / Wer im Lebenskampf vergebens / Seinen Nerven hat geflucht, / Wem die Kost nicht mehr will schmecken, / Schlummer nicht die Augen kühlt, / Trank und Speise bleiben stecken, / Unrast Leib und Hirn zerwühlt: / Der verlaß’ sein Heimgestade, / Sei er Bürger oder Ferscht, / Und such’ Heilung, suche Gnade, / Wo Geheimrat Römheld herrscht!“

„Sei’s galvanisch-zartes Prickeln, / Sei’s faradisch-derbes Zwickeln, / Kaustisch, wie die bösen Witze, / Diathermisch jähe Hitze, / Vibration für’s schwache Herz, / Strahlendusche auf den Sterz: / Schmerzhaft fühlst Du Ätherwellen / Durch den Sündenleib Dir schnellen / Und gedenkst, vor Schrecken stumm, / Dantes Purgatorium. [...] Belege Hirn auch und Seele / Mit Deinem ätherischen Öle, / Daß, wenn man mal was ausheckt, / Der „Geheime“ es nicht stets entdeckt!“

Und aller guten Dinge sind drei: „Tritt nun ein zum Göttermahl / In den hohen Speisesaal / Und, woher Du auch gebürtig, / Zeig Dich seiner Schönheit würdig! [...] Damast glänzt und Gläser blinken, / Laden ein zum Wassertrinken. [...] Das System scheint demokratisch, / bis der Meister Dich entdeckt / Und ein Mahnruf Dich erschreckt, / Mehr zu laben Deinen Gaumen / An den Lazarettenpflaumen, / Am Gemüse ohne Salz, / Am Gebacknen ohne Schmalz, / An dem Schnitzel aus Spinat / Aber, iß’ Dich niemals satt!“

Unterbrochen wurde das munter-asketische Treiben durch den Ersten Weltkrieg, als Schloss Horneck in ein Kriegslazarett umgewandelt wurde, dessen Leitung weiterhin der nunmehrige Stabsarzt Dr. Roemheld behielt; er war auch für weitere 24 Lazarette verantwortlich. 1916 besuchte Kaiserin Auguste Victoria das Hornecker Lazarett, um „Genesungshilfe“ zu gewähren. Nach Kriegsende, 1918, wurde der Kurbetrieb wieder aufgenommen. Nach dem frühen Tod Roemhelds übernahm Dr. Karl Recknagel die Leitung, doch setzte der Zweite Weltkrieg nach kurzer Zeit der Kuranstalt ein Ende.

Schloss Horneck wurde 1939 erneut zum Kriegslazarett, insbesondere für verletzte SS-Angehörige, wurde Teil der Neckar-Enz-Stellung, wobei der Turm als Beobachtungsposten diente. „Ob allerdings vom Schloß aus 1945 die Verteidigung der Neckar-Enz-Stellung hätte koordiniert werden sollen, ist eine jener offenen Fragen, die bis heute nicht abschließend geklärt werden konnte“, stellt die Forschungsgruppe Untertage e.V. in ihrem Internetauftritt fest. 1944-1945 diente der Schlossturm den alliierten Fliegern als Orientierungspunkt für die Bombardierung des benachbarten Eisenbahntunnels. Der „Felsenkeller“, der durch Zwischenwände, Stahltüren und Druckschleusen gesichert wurde, diente während der Bombardements als Luftschutzkeller, wobei im oberen Teil die SS-Leute, im unteren, feuchteren aber die Gundelsheimer Zivilbevölkerung tage- bis wochenlang ausharren mussten. 1946 wurde ein Lazarett der US-amerikanischen Truppen eingerichtet.

1947 wurde die vom Württembergischen Landesfürsorgeverband gegründete Heilstätte für Tuberkulosekranke aus der Heilanstalt Weinsberg auf Schloss Horneck verlegt. Ältere Gundelsheimer erzählen, dass ihnen die Eltern streng verboten hätten, das Schlossgelände zu betreten, um sich nicht anzustecken. Die Lungenheilstätte zog 1960 in die neu erbaute Lungenfachklinik Löwenstein um. Ein neues Kapitel der Hornecker Schlossgeschichte begann.

Dr. Konrad Gündisch

Schlagwörter: Schloss Horneck, Geschichte

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