23. August 2017

Jugend im kommunistischen Gefängnis

Engelhard Mildt, heute in Freiburg lebend, mit Wurzeln in Siebenbürgen und dem Banat, hat als politischer Häftling dreizehn Jahre seiner Jugend in Gefängnissen und Straflagern des kommunistischen Rumäniens verbringen müssen. Auch nach seiner Entlassung aus diesen war er vor den Drangsalierungen und Verfolgungen seitens des Überwachungssystems der Securitate nicht gefeit. 25 Jahre, bis zu seiner Ausreise 1989 in die Bundesrepublik, blieb er unter Beobachtung, wurde beschattet und immer wieder zur Polizei oder zur Securitate gerufen. Nun hat Eberhard Mildt seine aufgezeichneten Erinnerungen drucken und veröffentlichen können.
Entstanden ist ein Werk von fast 400 Seiten. Die „Erinnerungen“ lesen sich von ihrem Spannungsgehalt mindestens wie ein Kriminalroman. Einmal begonnen, lassen sie den Leser nicht zur Ruhe kommen und auch bei Nachbetrachtungen und Meditationen verfolgen einen die grausamen Erlebnisse, von denen Mildt – und das sicher in geraffter Form oder in Auszügen – über seine Zeit unter dem Terror des Kommunismus berichtet. Mildt ist methodisch und äußerst genau. Eingangs zitiert er den antiken griechischen Historiker Thykydides: „… er ist Selbsterlebtem und Nachrichten von anderen mit aller erreichbaren Genauigkeit bis ins einzelne nachgegangen …“

Im ersten Teil des Buches mit dem Titel „13 Jahre in Gefängnissen und Straflagern, 1951-1964“, eingerahmt in kurzen Betrachtungen über die jeweils wesentlichen europa- und weltpolitischen Ereignisse jener Zeiten, schildert Mildt die frühen Jahre der kommunistischen Diktatur und die unmenschlichen Methoden der Securitate des ersten Jahrzehnts seiner Herrschaft. Gründlich werden die wohl schrecklichsten Gefängnisse und Haftanstalten beschrieben wie das in Jilava bei Bukarest oder das berühmt-berüchtigte in Gherla mit seiner Sonderabteilung, Zarka genannt. Aber auch die Bleiminen von Valea Nistrului, Cavnic und Baia Sprie und das Arbeitslager am Donau-Schwarzmeerkanal kommen zur Sprache, und nicht zuletzt und ausführlich das Straflager von Periprava im Donaudelta.

Teil zwei der „Erinnerungen“ betitelte der Autor: „25 Jahre im Netz der Informanten und Agenten des rumänischen Sicherheitsdienstes Securitate der Sozialistischen Republik Rumänien“. Hier betrachtet Mildt einen Teil seiner eigenen Securitate-Akten, die er nach 1989 im bekannten Bukarester Archiv CNSAS („Die Nationale Kommission zum Studium der Securitate-Akten“) einsehen konnte und aus denen ersichtlich geworden war, wie Mildt auch nach seiner Entlassung bespitzelt, verfolgt, abgehört, als potentieller Informant erfolglos angeheuert wurde und letztendlich nur mit Geldern, die seine Freunde in Deutschland zusammengetragen hatten, die Ausreise nach Deutschland möglich war. Dazu analysiert Mildt die Dokumente und Berichte von Informanten und Agenten über ihn selbst sowie die Maßnahmen der Securitate gegen ihn. Mildt stellte fest, dass seine Bespitzelung und Überwachung nach der Entlassung aus der Haft lückenlos und mit anderen Methoden weitergeführt wurde. Und zu guter Letzt, einen Monat vor Mildts Ausreise nach Deutschland – seine Akte war kurz vorher offiziell geschlossen worden – wurde erneut die Überprüfung der Person Engelhard Mildt angefordert!

Dass Mildt nicht nur trockene Fakten aneinanderreiht, belegt auch folgender Satz: „Die Angst war wieder allgegenwärtig. Es gab unzählige Situationen, in denen Angst als eine notwendige Reaktion auf die sich anbahnende Bedrohung aufkam. Ohne Angst, so widersinnig das klingen mag, war das Leben im Gefängnis gefährdet, denn sie bestimmte, oft jenseits aller Vernunft, die richtigen Reaktionen“ (S. 215).

Eine besondere Rolle in Mildts Schilderungen spielen seine zahlreichen Freunde und Leidensgenossen, mit denen er gemeinsam einsaß, die sich untereinander intensiv geholfen haben und mit denen er bis auf den heutigen Tag, soweit sie noch am Leben sind, enge Beziehungen pflegt. Der große Wert von Mildts „Erinnerungen“ liegt in der exemplarischen und zugleich genauen Schilderung von Tatsachen und Erlebnissen und das mit einer faszinierend klaren und überzeugenden Sprache ohne romantische Verschnörkelungen und auch ohne emotionale Ergüsse. Ein Buch, das jeder, dem die Vergangenheit im kommunistischen Rumänien etwas gilt, lesen sollte.

HvK




Engelhard Mildt: Zeit der Unfreiheit. Gitter, Stacheldraht und Informanten, 1951-1989. Erinnerungen. Banater Bibliothek, Band 16. Herausgeber: Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V. München, 2017. Preis: 12 Euro. ISBN 978-3-9818760-0-0. Zu bestellen bei der Banater Landsmannschaft, Karwendelstr. 32, 81369 München, Telefon: (089) 2355730, E-Mail: Landsmannschaft[ät]banater-schwaben.de.

Schlagwörter: Buchvorstellung, Zeitzeuge, Kommunismus

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