2. Juni 2017

Evangelische Kirche ist das Wahrzeichen: 750 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung von Tobsdorf

In einer Urkunde vor genau 750 Jahren wird eines der kleineren siebenbürgisch-sächsischen Dörfer, Tobsdorf, erstmals urkundlich erwähnt. Tobsdorf liegt mitten im Weinland östlich von Hetzeldorf und nordwestlich von Birthälm, malerisch in einem südlichen Seitental der Großen Kokel. Bis ins nahegelegene Mediasch sind es 14 km. Heute gehört Tobsdorf verwaltungsmäßig zu Hetzeldorf. Die ungarische Bezeichnung des Ortes lautet Táblás, auf Rumänisch hieß der Ort früher Dupușdorf, heute Dupuș, während er in der siebenbürgisch-sächsischen Mundart Tobesderf heißt.
Erstmals urkundlich erwähnt wird Tobsdorf als „Thobiasfolua“ in einer Urkunde vom 3. Juni 1267, durch die Julas Sohn Nikolaus von König Stefan V. vier Dörfer erhält, die schon sein Großvater, der „große Jula“, besessen hatte. Diese vier Orte sind Mediasch, Fägendorf (Micăsasa), Tobsdorf und Klosdorf, die alle in dieser Urkunde erstmals genannt werden und damals untertänige Gemeinden waren. Dieser „große Jula“, 1229 bis 1231 Wojwode von Siebenbürgen, starb 1239, so dass die vier Besitzungen zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden haben müssen.

Aus einer Prozessakte von 1359 geht hervor, dass Tobsdorf mittlerweile eine Königsbodengemeinde des Mediascher Stuhls war. In dieser Urkunde wird der „Graf Henning mit allen Ältesten von villa Tobiae“ genannt. In einer Urkunde von 1423, die „Gräf Petrus von Thobiasdorf“ anführt, wird der deutsche Ortsname erstmals erwähnt. Die bedeutendsten Gräfen aus Tobsdorf im 15. Jahrhundert nannten sich nach ihrem Herkunftsort „Thobiaschi“ und hatten das Erbgräfenamt im Nachbardorf Hetzeldorf inne. 1441 gehört der Ort aus kirchlicher Sicht zum Mediascher Kapitel.
Tobsdorfer Flügelaltar, heute in der ...
Tobsdorfer Flügelaltar, heute in der Margarethenkirche Mediasch. Fotos: Rainer Lehni
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist Tobsdorf eine freie Gemeinde der „Zwei Stühle“. 1532 zählte Tobsdorf 69 „Wirte“. Kurz nach der Reformation wirkte Christian Schesäus, der bedeutendste siebenbürgisch-sächsische humanistische Dichter des 16. Jahrhunderts, von 1561 bis 1569 als Pfarrer in Tobsdorf. In der ländlichen Abgeschiedenheit schrieb Schesäus sein wichtigstes Epos „Ruinae Pannonicae“. In diesem Werk widmet der Dichter auch Tobsdorf einige Zeilen, die in deutscher Übersetzung lauten:

Doch auf der anderen Seite, berühmt durch kostbare Trauben.

Streckt sich die Halde des Weins, die oft des Dürftigen Säckchen

Schwer vom Golde gemacht, wenn voll zu der Kufe der Most schäumt.

Hier steht freundlich, geweiht dem frommen Tobias, das Dörflein

Tobsdorf, traulichen Sinns dem nahen Birthälm verbunden.


Bekannt war Tobsdorf bis in die Gegenwart durch den hier produzierten Wein, heute sind die Weinberge, die sich östlich und südlich des Dorfes befinden, größtenteils aufgelassen. Die Bevölkerung lebte bis zum Zweiten Weltkrieg ausschließlich von Weinbau und Landwirtschaft. Nach der Kollektivierung der Landwirtschaft arbeiteten die meisten Sachsen in den Fabriken im nahegelegenen Mediasch.

Die meisten Einwohner hatte Tobsdorf bei der Volkszählung 1941, als im Ort 602 Personen lebten: 450 Deutsche, 149 Rumänen, drei Ungarn. Die Zahl der evangelischen Gemeindeglieder ging durch die Auswanderung der Siebenbürger Sachsen nach Deutschland in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg stetig zurück. Der letzte evangelische Ortspfarrer ging Ende 1977 in Rente, danach wurde Tobsdorf von Hetzeldorf und heute von Mediasch aus kirchlich betreut. Anfang 1990 lebten noch 213 Sachsen im Ort. Tobsdorf zählte bei der Volkszählung von 2002 insgesamt 231 Einwohner, heute sind es rund 200 Einwohner, davon zehn Sachsen. Im Ort haben sich in den letzten Jahren auch einige Deutsche von außerhalb Rumäniens niedergelassen.

Trotz der geringen Einwohnerzahl zählt Tobsdorf heute vier Kirchen: die evangelische Wehrkirche, die orthodoxe Kirche sowie die Kirchen der Siebenten-Tags-Adventisten und der Pfingstler. Eine Besonderheit in Tosbdorf ist die Adventistengemeinde, die von Sachsen im Jahr 1905 gegründet wurde und zu der ein Teil der sächsischen Bevölkerung gehörte. Die Gottesdienste feierte die Adventistengemeinde bis 1996 abwechselnd in den Häusern der verschiedenen Familien, bevor 1996 die eigene Kirche eingeweiht werden konnte.
Die ehemalige deutsche Schule und die Wehrkirche ...
Die ehemalige deutsche Schule und die Wehrkirche in Tobsdorf.
Das Wahrzeichen von Tobsdorf ist die evangelische Kirche, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts als turmlose Saalkirche gebaut wurde. An der Westwand hinter der Orgel findet man die Jahreszahl 1524. Im Inneren der Kirche findet man an der Nordseite des Chors ein vorreformatorisches Sakramentshäuschen um 1500 sowie ein Chorgestühl von 1537, das derzeit an der Universität Hildesheim renoviert wird. Die Kirche war von einer sieben Meter hohen Ringmauer umgeben. Der an die Kirche angebaute Glockenturm ist 1725 eingestürzt, und war viel höher als die Kirche. 1901 trug man die Ringmauern teilweise ab, um mit dem Baumaterial ein neues Schulgebäude zu errichten. 1902 wurde der heutige Glockenturm gebaut, der niedriger als der Dachgiebel der Kirche ist.

Der Tobsdorfer Altar ist einer der kleinsten, aber auch einer der reizvollsten Flügelaltäre Siebenbürgens. Datiert ist er auf 1522, er wurde 1720 vom Pfarrer Johann Welther gekauft, renoviert und in der Tobsdorfer Kirche aufgestellt. In der Mitte des Altars steht ein Kruzifix, das von Engelgestalten flankiert wird. Auf den beweglichen Altarbildern der Festtagseite finden sich drei Bilder aus dem Alten Testament und ein Bild aus dem Neuen Testament. Die acht Tafeln der Werktagseite zeigen Passionsszenen. In der Predella ist die Grablegung Christi dargestellt. Juliana Fabritius-Dancu stellte fest, dass vier verschiedene Meister an diesem Altar gearbeitet haben. Aus Sicherheitsgründen steht der Tosbdorfer Flügelaltar seit 1999 in der Mediascher Margarethenkirche. Die Orgel der evangelischen Kirche zählt zu den ältesten heute erhaltenen Orgeln in Siebenbürgen. Sie wurde 1731 von Georg Wachsmann im Barockstil gebaut und 1794 aus Birthälm angekauft.

Durch die Auswanderung lebt heute der überwältigende Teil der sächsischen Tobsdorfer in Deutschland mit Schwerpunkten im Raum Pforzheim, Rastatt und Ingolstadt. Die Gemeinschaft wird von der „Heimatgemeinschaft der Deutschen aus Tobsdorf (HDT)“ zusammengehalten, die 1996 als e.V. in München eingetragen wurde. Bis 2012 wurde die HDT von Eduard Gierscher geleitet, seit 2012 von Heike Mai-Lehni. Die HDT betreibt in der ehemaligen Deutschen Schule in Tobsdorf ein eigenes Gästehaus. Jedes zweite Jahr findet auf der Schwäbischen Alb das Heimattreffen statt, zwei Heimattreffen selbst wurden in Tobsdorf durchgeführt. Für den 10. August 2017 ist eine kleine Feier zum 750-jährigen Jubiläum in Tobsdorf selbst geplant.

Rainer Lehni

Schlagwörter: Tobsdorf, Urkunden

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