2. August 2016

Vortrag über die Landler im HDO in München

„San gur kemi“ – das könnte wer gesagt haben an diesem Donnerstagabend. Waren wirklich „alle“ gekommen? Jedenfalls zahlreiche heute im Großraum München lebende Landler, aber auch viele andere Zuhörer, die am Vortrag interessiert waren, den Dr. Mathias Beer aus Tübingen zum Thema „Zwangsmigration aus konfessionellen Gründen im Habsburgerreich“ am 14. Juli im Haus des Deutschen Ostens in München gehalten hat. Von dem starken Publikumszustrom überrascht zeigte sich der Direktor des Hauses, Prof. Dr. Andreas Otto Weber, der sich in einführenden Worten auch an einen Aufenthalt im österreichischen Salzkammergut erinnerte. Einleitend wurde gesagt, dass der Vortrag sich in die Reihe der in enger Zusammenarbeit des Hauses mit dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland organisierten Veranstaltungen einordnet.
Gewiss handelt es sich nach wie vor um ein interessantes Thema. Denn was die heute zweifellos zu den Siebenbürger Sachsen gehörende Splittergruppe der sogenannten Landler noch immer kennzeichnet, geschieht – historisch betrachtet – selten und verdient unsere Aufmerksamkeit. Die „Landler“ sind Transmigranten. Als solche wurden sie wegen ihres evangelisch-lutherischen Glaubens aus dem streng katholisch geprägten oberösterreichischen Raum ab 1734 in mehreren Schüben unter Militärbewachung nach Siebenbürgen zwangsdeportiert. Dies geschah also innerhalb des Machtbereichs der damaligen Donaumonarchie, wohl um vor allem das Salzkammergut von Protestanten zu säubern, aber auch um tüchtige Menschen als potenzielle Steuerzahler nicht zu verlieren. Nach Siebenbürgen kamen damals mehr als 3000 Personen, nicht alle aus dem Salzburger „Landl“ ob der Enns, sondern einige auch aus der Steiermark und aus Kärnten.

Hier sei allerdings nicht verschwiegen, dass eine viel größere Anzahl österreichischer Protestanten zu ungefähr derselben Zeit, also unter der Herrschaft der Kaiserin Maria Theresia, in den Oderbruch bzw. nach Ostpreußen verbannt wurden. Ferner kam es auch zu der sogenannten „Kinderabpraktizierung“, d.h. dass Jugendliche von ihren protestantischen Eltern getrennt und in Österreich zurückbehalten wurden in der Annahme, dass sie zum katholischen Glauben konvertieren könnten.
Migrationsforscher und Landlerexperte Dr. Mathias ...
Migrationsforscher und Landlerexperte Dr. Mathias Beer begeisterte die Zuhörer durch souveränes Wissen und seinen nicht selten aufblitzenden Humor. Foto: Konrad Klein
Wo hat man die Transmigranten, die erst viel später „Landler“ genannt wurden, angesiedelt? Vor allem drei Gemeinden in der Hermannstädter Gegend dürften als „Landlerorte“ bekannt geworden sein: Neppendorf, Großau und Großpold. Dr. Mathias Beer bezieht sich in seinem Vortrag aber auf insgesamt vierzig Ansiedlungsorte in Siebenbürgen. Der Verfasser dieses Berichts kannte z.B. in Stolzenburg die alteingesessenen Landlerfamilien Theuerkauf und Weidenfelder. In Neppendorf gab es einige Hundert Familien Reisenauer und Reisenbüchler oder Beer, die sich nur anhand von Spitznamen unterscheiden ließen, in Großau waren es die Huber, Engelhuber, Kastenhuber, Vogelhuber usw., in Großpold die Rieger, Wandschneider, Bottesch – Namen, die auch heute einen guten Klang haben. Ihre Vorfahren, von denen viele sich nach der Ankunft vorübergehend in dem auch noch als Stadtteil von Hermannstadt existierenden Theresianum aufhielten – eine Parallele zu den jetzt in Deutschland so häufig entstandenen Flüchtlingsunterkünften ist gar nicht abwegig – kamen dann in Orte, die durch die Kuruzzenkriege oder durch die Pest und andere Seuchen entvölkert worden waren.

Es würde zu weit führen, hier auf andere Aspekte der Ansiedlung, der zeitweiligen Spannungen zwischen Sachsen und Landlern sowie auf ihre allmähliche Annäherung bzw. Eintracht im Glauben näher einzugehen. Der auf einer 1835 erschienenen „Kurzen Geschichte der ersten Einwanderung oberösterreichischer evangelischer Glaubensbrüder nach Siebenbürgen“ von Joseph Ettinger (alias Ottinger, in der Erstveröffentlichung) basierende, sehr gut dokumentierte Vortrag von Dr. Mathias Beer und seine Beantwortung der überaus zahlreichen Fragen aus dem Publikum haben das zur Genüge getan. Bloß die Erwähnung eines geradezu bezeichnenden Ereignisses aus meiner Erinnerung sei hier gestattet: Erst als der sächsische Ortspfarrer in die Heirat seiner Tochter mit einem Landlerburschen einwilligte, war in Großau sozusagen der Bann gebrochen, waren viele Spannungen aufgelöst. Und das geschah, wohlgemerkt, erst im 20. Jahrhundert!

Trotzdem blieb die Sitzordnung im evangelischen Kirchenraum weiterhin ziemlich streng getrennt. Dieses Großauer Kuriosum hatte bis 1990, dem Jahr des großen Exodus nach der politischen Wende, Bestand.

Was die Landler vielen von uns, aus heutiger Sicht, so standhaft und auch so sympathisch erscheinen lässt, sind gewiss ihre traditionellen Berufe, ihre Leistungen und auch die Tatsache, dass sie ihre aus Österreich mitgebrachten Trachtenkleidung, vor allem aber ihre Mundarten, mit einem Wort: ihre Identität über nun fast schon 300 Jahre in einer für sie immer wieder völlig neuen, in Siebenbürgen mehrsprachigen Umgebung bewahrt haben. Hut ab!

Ewalt Zweyer

Schlagwörter: Landler, Vortrag, Historiker, HDO, München

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