30. Mai 2016

Packende Kirchenburgenbilder beim Heimattag

Spektakuläre Ansichten siebenbürgischer Kirchenburgen auf über 60 Schwarz-Weiß-Fotografien wurden beim Heimattag und danach noch bis Ende Mai in der St.-Paus-Kirche zu Dinkelsbühl präsentiert. Zur Eröffnung der Ausstellung „Ein’ feste Burg … Kirchenburgen in Siebenbürgen im September 2014 und 2015“. Fotografiert von Jürgen van Buer am Samstagvormittag (14. Mai) begrüßte Hans-Werner Schuster das zahlreich versammelte Publikum und den ausstellenden Künstler Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen van Buer. Die Einführung des Bundeskulturreferenten wird im Folgenden in leicht gekürzter Form wiedergegeben.
Meine Damen und Herrn, Freunde der Kunst und Siebenbürgens, (…) mir obliegt die Aufgabe, einzuführen in die Ausstellung „Ein’ feste Burg … Kirchenburgen in Siebenbürgen im September 2014 und 2015“. Fotografiert von Jürgen van Buer. „Fotografiert von Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen van Buer“ hätte es korrekt heißen müssen. Dabei handelt es sich nicht um verliehene Titel, wie bei Künstlern üblich, sondern um redlich erworbene: erworben durch Leistungen in Forschung wie Lehre, die vielfach ausgezeichnet worden sind; erworben durch Habilitation in Erziehungswissenschaften; und erworben mit dem 1996 erfolgten Ruf als Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftspädagogik an die Humboldt-Universität zu Berlin. Ganz korrekt hätte es allerdings Emeritus heißen müssen – das ist Jürgen van Buer seit diesem Monat und kann sich zukünftig verstärkt seiner Leidenschaft Fotografie widmen. Dieser Leidenschaft frönt er seit 20 Jahren: anfangs analog, aber inzwischen ist er von den Vorteilen der Digitalkamera überzeugt. Er fotografiert mit einer Sony-Kleinbildkamera mit Zeiss-Objektiv und verzichtet auf technische Hilfsmittel wie Kunstlicht oder Lichtpaneele. Allerdings nutzt er Möglichkeiten – nicht alle, auf einige verzichtet er sehr bewusst –, die die digitale Bildbearbeitung bietet. Das ist zum einen die Hebung des Kontrastes: um Stimmungen zu betonen. Zum anderen ist es die Wahl des Ausschnitts: um das, was er in seiner Fotografie eingefangen hat, oder das, was seiner Fotografie entwächst, besser zur Geltung kommen zu lassen. Damit hat er Erfolg, und dafür sprechen Ausstellungen – auch Dauerausstellungen –, die er seit 1998 in Deutschland, Europa, aber auch in Syrien und Kanada zeigt.

Mehr biographische Angaben erspare ich Ihnen, da Sie diese dem ausgelegten Faltblatt oder der Info-Tafel zu der Ausstellung entnehmen können. Ich will nur noch erwähnen, dass Professor van Buer 1949 in Haltern/Westfalen geboren wurde und bis vor zwei Jahren keine siebenbürgischen Bezüge hatte – bis auf einen, dem wir letztendlich diese Ausstellung verdanken. Es war ein Buch mit Schwarz-Weiß-Fotografien siebenbürgischer Kirchenburgen, die den Knaben Jürgen schwer beeindruckten und seine vorpubertäre Fantasie so sehr anregte, dass – wie er selbst bekennt – sich ein Wunsch festsetzte: „Da will ich hin, die will ich sehen“. Diesen Wunsch lässt er im September 2014 und 2015 Wirklichkeit werden: Er macht sich auf nach Südsiebenbürgen, er sieht 30 Kirchenburgen und er fotografiert sie auch. Er wird weitere fotografieren, steht doch zumindest die dritte Fotosafari durch das Kokelgebiet im September dieses Jahres schon fest.
Jürgen van Buer: „Deutsch-Weißkirch – wer kennt ...
Jürgen van Buer: „Deutsch-Weißkirch – wer kennt nicht die weiß strahlende Eingangsfront mit ihren hohen Mauern und Türmen. Die Rückansicht verweist auf eine beinahe intime Anmutung, führt den Blick über die Endlichkeit hin zum Trutzigen. Die Wolken fliegen, als seien sie Ausdruck der Schwerelosigkeit. So wird der Blick gleichsam magisch angezogen über die Zeitsteine hinweg zu den hohen Mauern.“
Damit reiht sich Jürgen van Buer ein in die wachsende Schar jener, die von Siebenbürgen, von seinen Naturschönheiten und Kulturschätzen angezogen werden. Diese Künstler finden in Siebenbürgen nicht nur Inspiration durch Motive und Sujets, die anderswo schon lange verschwunden sind. Sie finden auch eine brodelnd-fiebrige Atmosphäre des Aufbruchs, die Nährboden ist für ihre künstlerische Schaffenskraft, die nicht zuletzt von der Vielfalt und Buntscheckigkeit dieses Landstrichs und seiner Bewohner angeregt wird.

Diese „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ (Ernst Bloch) hat Jürgen van Buer die Ernüchterung und Entzauberung erspart, die mit Idealen – und seien es nur die Fantasien eines Knaben – oft einhergeht bzw. ihnen widerfährt, erst recht wenn sie in den Malstrom der Zeit geraten. Aber die Kirchenburgen stehen nach wie vor und scheinen dem Diktum von Werde und Vergehe zu trotzen. „Scheinen“, denn Jürgen van Buer hat auch ein Memento Mori in seine Ausstellung integriert, oder auch zwei, wenn man den Leichenwagen, den er in der Kirchenburg Großau entdeckte, so interpretieren will: Ein Foto vom September 2015 zeigt den Kirchturm in Rothbach, der fest im Erdreich verankert sich dem Himmel entgegenreckt – mit letzter Kraft muss hinzugefügt werden, denn ein halbes Jahr danach steht er nicht mehr.
Seine fotografische Aufnahme der Kirchenburg ...
Seine fotografische Aufnahme der Kirchenburg Großau kommentiert Jürgen van Buer mit einer Assoziationskette: „‘Ein feste Burg ist ...‘. Die mächtigen Mauern scheinen alles abwehren zu können, der Turm als die letzte Bastion. So schwer, so erdverbunden die Mauern auch sind, so weist der Turm doch nach oben. Die Gedanken, Hoffnungen, die Gefühle der Menschen. Es ist das auch ein Wechselspiel zwischen dem Außen und dem Innen.“
Auf vielen weiteren der hier ausgestellten knapp über 60 Fotografien (…) wird man Spuren des zögernden Bröckelns finden. Aber das ist genauso wenig wie der eingestürzte Kirchturm in Rothbach, das, was van Buer in den Kirchenburgen gesehen und mit der Kamera eingefangen hat, und auch nicht das, was die Fotografien emanieren. Es ist etwas anderes, und da kann ich mich der Interpretation des Althistorikers Andreas Kohring, ein langjähriger Universitätskollege, der van Buer auf seinen Fotosafaris begleitet hat, nur anschließen. Eine Interpretation die nachzulesen ist im Begleitbüchlein zur Ausstellung, das für 5 Euro hier und in der Festkanzlei zu erwerben ist. Der Erlös kommt ebenso wie jener aus dem Verkauf von Künstlerprints zum Preis von 7 Euro und von Postkarten zu 1 Euro dem Siebenbürgischen Kulturzentrum Schloss Horneck zugute. Vielen Dank für Ihre Großherzigkeit, Herr Professor.
Gibt einem dramatischen Schwarzweiß den Vorzug: ...
Gibt einem dramatischen Schwarzweiß den Vorzug: Professor Jürgen van Buer mit der Kirchenburg Deutschweißkirch. Foto: Konrad Klein
Laut dieser Interpretation löst sich in den Fotografien van Buers die Großkategorie „Zeit“ auf und es wird eine Idee von Ewigkeit eingefangen und vermittelt, die der dominanten Empfindung entspricht, die sich bei den beiden in Siebenbürgen nach Anschauung und nach intensiven Gesprächen mit Kirchhütern herauskristallisierte: „Festigkeit im Glauben und Verbundenheit mit der Heimat trotzen der Vergänglichkeit“.
Kirchenburg Honigberg: „Glänzend weiß, wie ein ...
Kirchenburg Honigberg: „Glänzend weiß, wie ein Kleinod steht sie da. Die Schwere der Mauern scheint sich aufzulösen im Spiel der Wolken. Wehrhaftigkeit, Erfordernis alter Zeit, gebunden getürmte Geschlossenheit. Gegen wen, gegen was? Der Flug der Wolken nimmt die Blicke mit. Mit auf eine Reise. Für jeden Betrachter, für jede Betrachterin auf je eigene Weise?“
Im Gespräch bekannte Jürgen van Buer, dass sich ihm in Siebenbürgen erstmals Heimat als positiver Begriff erschlossen hat. Diese Leerstelle ist bei jemandem, der den Staub von tausend Jahren von den Talaren beseitigte, sicherlich nicht die einzige. Vielleicht hat sich ihm in der Anschauung der organisch gewachsenen Kirchenburgen, die nicht nur die Kulturlandschaft Siebenbürgens prägen, sondern geradezu als Teil der natürlichen Landschaft wahrgenommen wurden, auch die Bedeutung von Tradition erschlossen. Denn bei Traditionen ist es wie bei den Kirchenburgen: Sie sind nicht das Werk eines Individuums, egal wie genial dieses auch sein mag, sondern das Werk einer Gemeinschaft. Und wie bei Traditionen hat jede nachfolgende Generation die Kirchenburgen nicht nur von den Altvorderen übernommen, sondern mit einem eigenen Beitrag ausgebaut oder ergänzt, und sie bereichert an die nächste Generation weitergegeben. Ich denke, dass die von Jürgen van Buer eingefangene „Idee von Ewigkeit“ genau diesem Ketten-/Reihungsprinzip zu verdanken ist, egal ob er in seinen Fotos ein Detail einfängt, gewissermaßen ein Glied der Kette, oder aber das Gesamtkunstwerk Kirchenburg. Dass er es mit künstlerisch-handwerklicher Präzision einfängt und so ins rechte Licht rückt, dass die Fotografien niemanden kalt lassen, sondern den Betrachter in ihren Bann ziehen, das macht die Kunst von Jürgen van Buer aus. In diesem Gedankenkontext will ich Ihre Aufmerksam auf einen weiteren Aspekt lenken: Darauf, dass Fotografie die Wirklichkeit abbildet, und das „nach dem Leben“ Abbilden meist „realistischer“ kann als es andere Genres der bildenden Kunst vermögen. Bei van Buer bekommt aber dieses „ad vivum“ eine andere Bedeutung, jene der „höchstmöglichen Präsenz“, und es bekommt sie, obwohl das Wirklichkeitsgefühl durch die Schwarz-Weiß-Fotografie entfremdet, sublimiert worden ist. Ob eine solche Empfindung erst heute, in unserer von digitalen Bildern geprägten Welt möglich ist? In unserer Rezeption, in der sich eine virtuelle, eine geistige Welt immer stärker vor die reale stellt? Das war aber nicht schon im Mittelalter so, und im 15.-16. Jahrhundert, als die meisten Kirchenburgen erbaut worden sind. Auch damals gab es das Primat des Geistig-Geistlichen und auch das ist diesen Fotografien eingeschrieben. Ich muss sogar bekennen, dass es – mit Blick auf das Reformationsjubiläum – mit ein Grund war, diese Ausstellung zu erstellen, um sie in den nächsten zwei Jahren wandern zu lassen. Wandern zu lassen unter dem Titel „Ein feste Burg …“, der sich angesichts des Sujets anbot und an Martin Luthers Choral anknüpft. Und wie ein Choral zeichnet sich auch die Ausstellung durch eine gute Prise Erhabenheit aus, kommt in getragenem Ton und altehrwürdigem Schwarz-Weiß daher. Ihre Einzelwerke wie deren Gesamtheit loten das breite Spektrum des Dramas unseres und des allgemeinen Da-Seins aus. Wie nichtig das Diesseits angesichts der Unendlichkeit des Jenseits sein kann, verdeutlicht manch eine Fotografie, keine aber in so überwältigender Form wie das Bild der Kirchenburg Tartlau.
Kirchenburg Tartlau: „Ein Betrachter sagte: ‚Ich ...
Kirchenburg Tartlau: „Ein Betrachter sagte: ‚Ich habe Tartlau noch nie so einsam gesehen.‘ - Es ist eine trutzige Burg, die Kirche nur erahnbar. Der frische Glanz der orthodoxen Kirche verweist auf eine neue Zeit. Die Wolken kommentieren. Es ist eben die Spannung zwischen Schwere und Leichtigkeit, zwischen Verbleiben und Verfliegen, zwischen ...“
(…) bewundern Sie van Buers Kompositionstalent, seinen souveränen Umgang mit Licht und Schatten, die klassische Ausgewogenheit auch dort, wo Kontraste und die Spannung zwischen einzelnen Formen und Bildelementen sie zu sprengen drohen. Lassen Sie Ihre Augen über die fein „gezeichneten“ Oberflächenstrukturen gleiten, bis Sie die Rillung alter Holzmaserung, den samtigen Sandstein oder die kühle Glätte eines Granitbodens in ihren Fingerspitzen haptisch zu fühlen glauben. Erfreuen Sie sich an der Meisterschaft, mit der noch so kleine Weißnuancen einer frischgekalkten Kirchenburgenmauer eingefangen sind, oder aber die Schwarztöne eines unendlich tiefen Himmels. Ob Sie Ihren Blick dahin hochreißen lassen oder gesenkten Hauptes vor einem Bild stehen; lasst uns danken, dafür, dass es diese Kirchenburgen gibt, und dafür, dass Jürgen van Buer sie auf seine so eigene wie ansprechende Weise für uns wie für hoffentlich recht viele weitere Besucher festgehalten hat.

Schlagwörter: Heimattag 2016, Kirchenburgen, Bilder, Ausstellung, Dinkelsbühl, Fotografie, Kirche

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