26. Januar 2016

Film über das Hetzeldorfer Altenheim im Münchner Gasteig gezeigt

„Weinen und Lachen in Hetzeldorf“ – das war der Titel meiner Reportage, die am 30. September 1992 in dieser Zeitung erschienen ist. Johann Schuster, einer der intelligentesten und tüchtigsten siebenbürgischen Landwirte, die ich je gekannt habe, war damals noch da. Es gab den von ihm gleich nach der Wende gegründeten sächsischen Landwirtschaftsverein. Man hatte Erfolg damit, obwohl der Exodus vor allem der jüngeren Generation Anlass auch zu pessimistischen Äußerungen gab. Den Verein gibt es schon längst nicht mehr. In der Gemeinde leben außerhalb des seit bald 25 Jahren bestehenden sächsischen Altenheims noch ein Dutzend Deutsche. Und nun füllt sich am 20. Januar 2016 im Münchner Gasteig der gar nicht so kleine Vortragssaal der Bibliothek bis auf den letzten Platz.
Die Leute sind alle neugierig auf den Film „Arbeit macht das Leben süß...“. Und nach anderthalb Stunden spenden sie zunächst den verdient starken Applaus; am Ausgang füllt sich später auch der Spendentopf mit vielen nicht nur kleinen Geldscheinen. Was motiviert das Publikum dazu? Es ist die Überzeugung, einen Dokumentarfilm gesehen zu haben, der durchgängig echt und wirklichkeitsgetreu wirkt.

Kurz zur Entstehungsgeschichte: Die in Berlin lebende, zeitweise nach Siebenbürgen delegierte junge Autorin des Filmprojekts Claudia Funk hatte, mit einer Kamerafrau und einem Tonmann, der auch für die Beleuchtung zuständig war, zur Seite, im Spätsommer 2013 ganze drei Wochen für das Filmen zur Verfügung. Der Schnitt dauert dann 2014 ein halbes Jahr. Ab 2015 tourt man mit dem fertigen Film in längeren Zeitabständen durch die Lande. Im April 2016 soll auch eine DVD auf den Markt kommen. Solche Abläufe klingen in unserer schnelllebigen Zeit ungewöhnlich. Gut so! Vom Konzept her und auch handwerklich haben die Autoren tadellos gearbeitet: geduldige Kameraführung, lange Einstellungen, logische und sanfte Übergänge, kein störendes Geschnipsel beim Schnitt.
"In einem deutschen Altenheim dürfte es all das ...
"In einem deutschen Altenheim dürfte es all das nicht geben." Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion nach der Filmvorführung (von links): Gerlinde Schuller, Ursula Juga Pintican, Filmautorin Claudia Funk und Dr. Florian Kührer-Wielach. Foto: Konrad Klein
Zur Situation: Es gibt heute in Siebenbürgen im ländlichen Bereich mehrere Altenheime, getragen von der Evangelischen Kirche bzw. im Fall Hetzeldorf von der Mediascher Diakonie, gefördert auch aus dem Ausland, aber auch auf Eigenleistung angewiesen. Aus der Not wurde eine Tugend. Die 30 zum Teil noch arbeitsfähigen Heimbewohner, Frauen und Männer, erwirtschaften durch ihre Arbeit in Hof und Stall, im Garten, auf Ackerland, Weide und Wiese fast ein Drittel der Geldmittel, die für ein normales Funktionieren des Heimes erforderlich sind. Es gibt einen geordneten Tagesablauf für jede und jeden. Das ist auch „Beschäftigungstherapie“ der besonderen Art, denn man ist im Altenheim nicht dazu verdammt, untätig vor sich hin zu dämmern, wie das in Deutschland in vielen Heimen vorkommt. Ein im Film festgehaltenes Ereignis für die Hetzeldorfer Alten war der Kollektivbesuch im sehr ähnlichen Heim in Scholten, wo man sich gemeinsam an Blasmusik, einer sächsischen Jugendtanzgruppe und guter Stimmung erfreuen konnte.

Die Filmautoren haben acht Einzelporträts geschickt eingeflochten, darunter auch das des Heimleiters mit ungarischem Namen, über den man nur Worte des Lobes hört. Als besonders gelungen sei die Vorstellung des noch nicht sehr alten Georg Weber hervorgehoben, der seine Biographie recht unbefangen und auch witzig skizziert und den das Filmteam in seinen Heimatort Maldorf begleitet. Eindrucksvolle Sequenzen: wie er den einzigen noch im Ort verbliebenen Sachsen antrifft, wie er sein eigenes, dem Verfall preisgegebenes einstiges Wohnhaus und den Friedhof mit dem Grab seiner Mutter besucht, und dann sein Auftritt als Quasi-Reiseleiter in der Dorfkirche, bei den Glocken auf dem Kirchturm, und seine Worte von der Kanzel ... Im Film wird alles zuweilen emotional, aber ungekünstelt wiedergegeben. Allein durch diese Szenen wird der Film zum Dokument.

Vertiefende Podiumsdiskussion

Im Anschluss an die Filmvorführung gab es eine Aussprache mit Ursula Pintican-Juga, der Leiterin der Mediascher Diakonie, Gerlinde Schuller, Vorstandsmitglied des Siebenbürgerheims Rimsting und der Filmautorin Claudia Funk. Sie wurde seitens der Veranstalter – Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) München, Haus des Deutschen Ostens München, und Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland – vom neuen Direktor des IKGS, Dr. Florian Kührer-Wielach, moderiert. Es wurde manches erörtert und geklärt, es gab viel Lob und einige Fragen. Der Vorsitzende der HOG Hetzeldorf, Hans Stirner, berichtete über das Heimattreffen mit weit mehr als 300 aus Deutschland angereisten Teilnehmern, die von den jetzigen Bewohnern ihrer Höfe, Rumänen und Roma, sehr gastfreundlich aufgenommen wurden. Auch die gegenwärtig guten Bedingungen für den Tourismus im Kokelgebiet wurden angesprochen.
Leben und leben lassen: Filmautorin Claudia Funk ...
Leben und leben lassen: Filmautorin Claudia Funk schwärmt von der Lebensqualität im Hetzeldorfer Altenheim. Rechts der neue Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Dr. Florian Kührer-Wielach. Foto: Konrad Klein
Zu dem Versuch, das Hetzeldorfer Heim mit Rimsting zu vergleichen, sei hier die Bemerkung gestattet, dass ein solcher direkter Vergleich abwegig ist. Zu sehr unterscheiden sich die beiden Heime, die Ausgangssituationen, die Beschäftigungsmöglichkeiten für die jeweils ganz andere Art der Bewohnerschaft; ja sogar vom Durchschnittsalter der Betroffenen her sind da große Unterschiede zu verzeichnen.

Lachen oder Weinen? Die im Film dokumentierte Wirklichkeit regt eher dazu an, nachdenklich zu bleiben. Ein dankbares Lächeln tut es vielleicht auch.

Ewalt Zweyer

Schlagwörter: Film, Vorführung, München, Altenheim, Hetzeldorf, Podiumsdiskussion

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Neueste Kommentare

  • 28.01.2016, 10:04 Uhr von Bäffelkeah: Ach, gloria, Ihr Desinteresse trifft mich umso härter, als Sie in diesem unseren Diskussionsforum ... [weiter]
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