6. Juni 2015

Doppelausstellung in Dinkelsbühl: „Siebenbürgen von außen betrachtet“

Ein erwartungsvolles Publikum versammelte sich am Samstagvormittag (23. Mai) im Kunstgewölbe in Dinkelsbühl zur Eröffnung der Heimattags-Ausstellung „Siebenbürgen von außen betrachtet“. Hans-Werner Schuster begrüßte die Gäste der Vernissage sowie die ausstellenden Künstler Dr. Theo Damm und Kilian ­Müller. Die anschließende Einführung des Bundeskulturreferenten wird im Folgenden in gekürzter Form wiedergegeben.
Die beiden Künstler zeigen einen Teil ihrer Werke unter dem Titel „Siebenbürgen von außen betrachtet“. Eigentlich sind es zwei Ausstellungen: Auf der rechten Seite „Alte Städte, Dörfer und Kirchenburgen. Skizzen aus Siebenbürgen“, die Theo Damm erstmals beim Sachsentreffen 2014 in Mühlbach gezeigt hat, sowie – links – „Hüter der Kirche“, die Kilian Müller 2014 in Berlin präsentiert hat, danach und bis vor kurzem im Teutsch-Haus in Hermannstadt und ab Juli in einer erweiterten Fassung im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim. (…) Die beiden Ausstellungsteile passen nicht nur zueinander; sie ergänzen sich auf glückliche Art und Weise. So wie die Ausstellungsteile mehr aussagen als die Summe ihrer Einzelwerke, so geht die Gesamtaussage der Gemeinschaftsausstellung über die Summe der Einzelaussagen hinaus. (…)

Theo Damm, 1940 in Friesland geboren, war nach dem Studium der Architektur an der TH Hannover als Baureferent der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe u. a. zuständig für die Erhaltung und Pflege alter Bauernhöfe und ­Dörfer. In diesem Bereich lehrte er an der FH Münster und promovierte 1990 in Hannover. Er veröffentlichte mehrere Fachbücher, zwei Bildbände mit Zeichnungen und Aquarellen aus dem Münsterland sowie 2014 mit Jost Jürgen Schneider im Hermannstädter Honterus Verlag den Band „Alte Städte, Dörfer und Kirchenburgen. Skizzen aus Siebenbürgen“.

Kilian Müller, 1986 in Bad Friedrichshall geboren, studierte Philosophie und Fotografie. 2014 machte er seinen Abschluss an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin. Er arbeitet für renommierte Medien wie BBC, Zeit Online oder Süddeutsche Zeitung und ist spezialisiert auf Reportage und Porträt. „Hüter der Kirche“, seine Abschlussarbeit, wurde mit dem „Canon Profifoto Förderpreis“ ausgezeichnet und als gleichnamiges fotografisches Essay 2015 veröffentlicht.
Vernissage im Kunstgewölbe: neben den ...
Vernissage im Kunstgewölbe: neben den ausstellenden Künstlern Theo Damm (außen rechts) mit Gattin Waltraud Damm und Kilian Müller (3. von rechts) stehen (von links) Adriana Stănescu, Dr. Paul Jürgen Porr, Benjamin Jósza und Hans Gärtner. Fotos: Christian Schoger
Sie beide reihen sich ein in die wachsende Schar jener, die von Siebenbürgen, von seinen Naturschönheiten und Kulturschätzen angezogen werden – Besucher wie auch Künstler. Tatsächlich haben sie beide bis zu ihren Reisen – Damm 2011 und 2013, Müller 2014 – keinen Bezug zu Siebenbürgen gehabt. Künstler wie sie, oder wie Karlheinz Rothenberger, dessen Hermannstadtfotos wir im Jahre 2002 hier gezeigt haben, finden in Siebenbürgen nicht nur Inspiration durch Motive und Sujets, die anderswo schon lange verschwunden sind. Sie finden und erleben hier auch Aufbruch und zupackenden Neuanfang. Deren brodelnd-fiebrige Atmosphäre ist sowohl Nährboden für wirtschaftlich-gesellschaftliche Kreativität und Fantasie als auch für die künstlerische Schaffenskraft, die außerdem noch von der Vielfalt und Buntscheckigkeit dieses Landstrichs und seiner Bewohner angeregt wird.

Der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ (Ernst Bloch) sind wohl auch die hier ausgestellten Werke geschuldet und wohl auch der Ahnung und Befürchtung, dass diese von ihnen auf Aquarellpapier hingetupfte Welt oder aber der auf Baryt-Papier gebannte Moment vielleicht schon morgen, übermorgen nicht wieder einzufangen sind.

Diese auf die Siebenbürger Sachsen und die siebenbürgisch-sächsische Kultur fokussierte Haltung, die als „Finis saxoniae“ schon seit über 100 Jahren gepflegt wird, ist beiden Künstlern eigen. Bei Kilian Müller ist sie auf jeder Fotografie mit Händen greifbar. Sie war auch der Impuls für die Reisen, die ihn letztes Jahr ins Kokelgebiet – auch ins Zwischenkokelgebiet – geführt haben. Das sieht man den Fotografien an, die zwischen Dokumentation und Inszenierung changieren. Wie aber diese „zögernd bröckelnde“ Kultur und vor allem ihre Träger in Szene gesetzt werden, mit welcher künstlerisch-handwerklichen Präzision ins Licht gerückt und in jeder Fotografie neu komponiert werden, das ist Kunst, die niemanden kalt lässt, sondern den Betrachter in ihren Bann zieht und ihn gerade wegen ihres ambivalenten Charakters anspricht.

Bei den malerischen Aquarellen von Theo Damm nimmt der Betrachter zuerst das Idyllische des darin Abgebildeten wahr: Landschaften und Ortschaften, die ebenso wie der Begriff „pittoresk“ einer vergangenen Zeit zu entstammen scheinen. Nichtsdestotrotz wird auch Theo Damm von einer „konservatorischen“ Haltung geleitet und seine Werke darf man getrost als Dokumentation betrachten. Mehr als 50 Ortschaften hat er auf seinen wiederholten Reisen besucht, hat sie und ihre vom Verfall bedrohten Bauwerke festgehalten mit dem erklärten Ziel, dass diese „wunderbare, in der Welt einmalige Kulturlandschaft in Bildern erscheint“, um die Gesellschaft darauf hinzuweisen und aufzurütteln, damit sie das für deren Bewahrung Notwendige tut. Aber seine hier ausgestellten 50 Werke und die 54 in Sichtmappen einzusehenden Werke sind ebenso wie seine weiteren Werke mehr als nur Dokumentation, auch wenn er sich nicht immer auf das Niveau einer Juliane Fabritius-Dancu aufschwingen kann, deren Aquarelle wir in diesem Raum vor einem Jahr bewundern durften. (…)
Vernissagegäste betrachten bei ihrem Gang durch ...
Vernissagegäste betrachten bei ihrem Gang durch die Ausstellung eine Fotografie von Kilian Müller.
Auch wenn Sie, meine Damen und Herren, sie noch so intensiv betrachten, ein Bild nach dem anderen, werden Sie in ihren Landschaften, in ihren Ortschaften und in ihren Bauwerken keinen Menschen entdecken, keinen Bewohner, keinen Erbauer oder Träger der Kultur, die dieses Gebiet geformt und geprägt hat. Einsame, aus der Zeit gefallene Orte finden wir auch in den Fotografien von Kilian Müller. Aber darin finden wir auch Menschen. Ihnen widmet er sein fotografisches Essay, stellt die „Hüter der Kirche“ ins Zentrum ihres Mikrokosmos und auch ins Zentrum seiner Betrachtung und seines Werkes. Aber auch bei Müller finden wir weniger „die“ Menschen als „den“ Menschen, vereinsamt, reglos verharrend, auf sich selbst zurückgeworfen. Sind auch sie, wie ihre sie umgebenden Behausungen – verfallende, zu Staub zerfallende Behausungen –, Symbol der Vergänglichkeit? Nein! Und zwar nicht alleine deshalb, weil der Künstler sein Werk nicht als Abgesang verstanden wissen will. Ich habe mir die Bilder intensiv angeschaut – erstrecht angesichts ihrer ambivalenten Rezeption in Rezensionen und Kommentaren – und kann vielerlei in sie hineininterpretieren, wohl wissend, dass sie manch eines ihrer Geheimnisse für sich behalten. Morbidität strahlen sie für mich aber nicht aus. Ich kann vielmehr hinter jedem Bild die weit aufgerissenen Augen des Fotografen sehen und sein ungläubiges Kopfschütteln: „Dass es das noch gibt!?“ Kilian Müller hat bei der Ausstellungseröffnung in Hermannstadt bekannt: „Ich habe großen Respekt vor diesen Menschen, die trotz ihres Alters und ihrer isolierten Situation die Aufgabe stemmen, das kulturelle Erbe ihrer Herkunft zu verwalten“ – und weiter sinngemäß: Meine fotografische Arbeit verstehe ich deshalb als Hommage an die Menschen, die in ihrer Haltung und ihrer Lebensform die sächsische Kultur verkörpern und bewahren.

Von dieser sächsischen Kultur geben seine Fotografien allerdings höchstens eine Ahnung. Aber zum Glück gibt es ja die komplementären Aquarelle von Theo Damm. So fügen sich die beiden Teile zu einem runden Ganzen, so verhilft der Blick von außen nicht nur zu Einblicken, sondern hoffentlich auch zu der Einsicht – bei uns Landsleuten ebenso wie bei möglichst vielen weiteren Kunstfreunden –, dass es nicht nur notwendig ist, sondern dass es sich auch „lohnt“, diesen Menschen in ihrer Aufgabe zur Seite zu stehen und das reiche kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen zu bewahren. (…)

Schlagwörter: Heimattag, Dinkelsbühl, Ausstellung, Aquarelle, Fotografie

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