10. Januar 2015

40 Jahre Stuttgarter Vortragsreihe und „De Lidertrun“

Am 28. November fand im Stuttgarter Haus der Heimat das lang herbeigesehnte und medial vielfach angekündigte Jubiläumskonzert der seit 40 Jahren ununterbrochen durchgeführten über 170 Veranstaltungen der Stuttgarter Vortragsreihe statt, das gleichzeitig mit dem 40-jährigen Bestehen der anno dazumal am Zibin als Quartett gegründeten Formation „De Lidertrun“ zusammenfällt. Der Pianist und Gitarrist des Trios (Kurt Wagner schied 2007 aus) Karl-Heinz „Charly“ Piringer verkündete denn auch zu Beginn des Konzertes, er habe schon am Nachmittag ein Konzert mit Schülern in Gaggenau gegeben, trete nun mit Profis auf und das einzige, was ihm heute noch gefehlt habe, sei ein Konzert beim sächsischen Präsidenten in Bukarest.
Nach dem ersten, mit mehrstimmigem Gesang, Querflöte und Harmonika wunderschön zur Einstimmung vorgetragenen Lied hielt denn auch unser Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, Alfred Mrass, eine kurze, prickelnde Festrede, in der er feststellte, „De Lidertrun“ seien keine Berufsmusiker, spielten aber wie eben solche. Auch der seit 21 Jahren für die Vortragsreihe verantwortlich zeichnende stellvertretende Landesvorsitzende Siegfried Habicher hatte zuvor einige Anekdoten über die Lidertrun zum Besten gegeben, so zum Beispiel habe Hans Seiwerth als Leistungsträger der Handball-Mannschaft des Brukenthal-Gymnasiums mit seiner Musik Geld für das Handball-Team eingespielt.

Das Konzert sollte sich als sehr kurzweilig herausstellen - Charly Piringer sah nach zwei Stunden ungläubig auf seine Uhr. Denn die Lidertrun trug neben sächsischen Balladen auch rumänische, ungarische, jiddische und landlerische Weisen vor. Gerade das in gekonntem Jiddisch vorgetragene „Dona dona“, das im übertragenen Sinne den Weg des jüdischen Volkes in die Gaskammer beschreibt, wurde herzzerreißend dargeboten, wozu vor allem die beiden ausgebildeten Gesangsstimmen von Angela und Nora Seiwerth beitrugen, welche die Männer tatkräftig unterstützten. Aber auch bei einem auf landlerisch vorgetragenen Stück meinte man, die drei seien gerade - als Protestanten aus Österreich vertrieben - in Siebenbürgen angekommen.
"De Lidertrun" spielte in Haus der Heimat in ...
"De Lidertrun" spielte in Haus der Heimat in Stuttgart auf, v.l.n.r.: Karl-Heinz Piringer, Angela Seiwerth, Hans Seiwerth und Michael Gewölb mit der „Horn-Geige“. Foto: Hans-Jürgen Albrich
Nach dem Konzert, beim obligatorischen Fettbrot mit feinstem württembergischen Wein darauf angesprochen, dass ethnisch eigentlich nur noch ein Zigeunerlied gefehlt habe, meinte Michael Gewölb, dass sich die Formation dessen bewusst sei, es ihnen hierzu aber an den notwendigen Sprachkenntnissen fehle, was angesichts des unerschöpflich wirkenden Talents des Trios nur schwer vorstellbar scheint.

Die drei beeindruckten nicht nur durch den herzerquickenden harmonischen mehrstimmigen Gesang, sondern nicht minder durch die Dominanz einer unglaublichen Vielzahl an Musikinstrumenten, von denen es manche nur in der Lidertrun gibt. So zauberten sie aus der Lidertrun eine Trompeten-Geige und eine Art Horn-Geige, die beide Michael Gewölb spielte. Ferner sah man auch eine Trompeten-Mundharmonika. Hans Seiwerth und Charly Piringer spielten beide Gitarre und gleichzeitig Mundharmonika, die ihnen um den Hals hing, Seiwerth spielte eine Art Hirtenflöte und ein großes Fagott, Gewölb und Seiwerth spielten Querflöte und Ventilposaune und Taschentrompete. Überdies brachte die Lidertrun alle Arten von Percussion-Instrumenten zum Vorschein, die teils von Mutter und Tochter Seiwerth bedient wurden. Auch eine Schalmei und eine Maultrommel waren zu hören, die verschiedenen Instrumente zu zählen schien unmöglich.

Die Lidertrun bot hauptsächlich Stücke aus ihrer neuen CD dar, die in Kürze erhältlich sein wird und vom Trio bezogen werden kann. Doch auch Klassiker wie „Ech gohn af de Bräck uch kun nimmi zeräck“ (oder, so Pieringer, „wenn der Rabe weiße Federn trägt“) oder die Ballade vom wilden Vögelchen, das sich nicht zwingen lässt, und „De Brokt vum Olt“.

Die Landesgruppe Baden-Württemberg in Person von Alfred Mrass verlieh dem Trio dann noch ihr silbernes Ehrenwappen, das dem Ältesten der Band, Michael Gewölb, stellvertretend für die beiden anderen ans Revers geheftet wurde. Zum Abschied sang das zufriedene Auditorium gemeinsam „Bäm Hontertstroch“ und unsere heimliche Hymne „Af deser Ierd“.

Hans-Jürgen Albrich

Schlagwörter: Stuttgart, Vortragsreihe, Lidertrun

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